Full text: St. Ingberter Anzeiger

das Interesse der Türkei, die Vorschläge der europäischen Mächte 
anzunehmen, worauf der Großvezier erwiderte, die Pforte könne 
wohl in einigen Punkten nachgeden, uuüsse aber alte der Würde 
der Türkei widerstrebenden Bidingungen ablehnen. — Die türkische 
Regierung entfaltet die eißrigste Thätigkeit betreffs milttärischer Vor- 
bereitungen. Muttzttar Pascha ist zum Gouverneur hon Kreta er⸗ 
nannt. Khalil Scherif Pauscha soll als Boischafter nach Berlin 
geher. Die demnächst beabsichtigte Ausgabe von 7 Millionen Lev⸗ 
es Papiergeld soll theils zur Amortisirung der schwebenden Schuld, 
heils zur Einziehung. ban Kupfergeld dienen. 
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Rermischtec. 
fx.Kaiserslautern, 1. Jm. (Pf. V.) Die Arbeiter, 
der Gebt. Kayser'schen Nähmaschinenfabrik hatten am“ verflossenen 
Samstag Abend im Karlsbergsaal ihren jährlichen Festboll, ver— 
bunden mit Verloosung urd Concert. Das Fest verlief in un⸗ 
getrübtester Weise und bot einen erhöhten Reiz dadurch, daß die 
Arbeiter ihren Prinzipalea, den Gebr. Kayfer, die in deren Fabrit 
hergesteIie, 28,000. Röhmoschine ein wahres Meisserwert zum 
Geschenk gemacht hatten. Das Fest hatte seinen Glanzpunff in 
dem splendiden Abendessen, an dem ßh über 200 Personen be⸗ 
theiligien uund welches die Gebr. Kayser in generöser Weise fuͤr ihr 
Personal hatten arrangiren lassfen. 
F Sipeyerr. Die nächse Prüfung für, den Einjährig⸗ 
Freiwilligen⸗⸗ Dienst wird, im kommenden ärühjahr Statt finden. 
Die Zulafsungsgesuche sind bis 1. Februar einzüreichen; denselben 
sind folgende Belege beizufügen: a) ein Geburts⸗Zeugniß; b) ein 
Einwilligungs-Attest des Vaters oder Vormundes mit der Erklärung 
üter die Bereitwilligkeit und Fähigkeit, den Freiwilligen während 
einer einjährigen altiven Dienstzeit zu belleiden, auszurüsten und zu 
verpflegen; o) ein Undescholtenheitszeugniß. In dei Gesuche ist 
anzugeben, in welchen zwei fremden Sprachen der sich Meldende 
geprüft sein will. Auch hat derselbe einen selbstgeschrebenen Lebens⸗ 
lauf beizufügen. 
In Karlsruhe w'rd während der Monaie August und Sep⸗ 
jember 1877 eine größere Kuusts und Gewerbeausstellung stattfinden. 
Dieselbe soll den Charakter einer allzemeinen badischen J duftrie⸗ 
ausstellung annehmen. Die Stadt Karlsruhe leistet einen Kosten⸗ 
beitrag von 80,000 Mark und überläßt dem Unternehmen die bis 
dahin fertige neugebaute Festhalle. 
FNeubreisach, 30. Dez. Diesen Abend um 5 Uhr 
hatte die Magd einer Padame Br. aus unserer Stadt eine Kanne 
Petrol gefüllt und näherte derselben das Licht, um zu sehen, ob 
sie voll sei. Sofort gerieth die Flüssigkeit in Beand urd theilte 
das Feuer auch dem Fosse mil. Dä warf sich ein Unteroifiier 
des 17. Regiments, Namens Ottmar, über das Faß und rollte 
dasselbe mit eigener Lebensgefahr auf die Straße. Ohne die Geistes⸗ 
gezenwart dieses tapferen Soldaten wäre das ganze Stedrviertel 
in Flammen aufge angen, denn das Magazin, wo das drennende 
Faß lag, enzthielt noch viele Oel⸗- und Weingeistfässer und zudem 
befand sich ein Vorrath von Jagdpulver in dem betreffenden Hause, 
während das Nachbargebäude, eine Scheune, boll Heu und Stroh 
lag. WE. J.) 
Mainz, 2. Jan, Nach gestern hierher gelangter tele— 
graphischer Nachricht ist in den letzten Tagen im Ausland wieder 
einer der herborragenden Männer der Jahre 1848 und 1849 heim- 
gegangen. In San Fra'⸗csco starb 59 Jahre alt der ehemal'ge 
praktische Arzt in Worms, Dr. v.Löher. Von den Anfängen 
der Bewegung an äußerst thätig, später Gründer und Herausgeber 
der „Neuen Zeit“ in Worms, zog er mit dem Blenker'schen Corps 
dem Aufstand der Rheinpfalz zu Hilfe und machte den ganzen 
Verlauf der Erbebung, auch Badens, als oberer Führer und Com⸗ 
missär der Regi⸗rung der Pfalz mit. (Mzʒ. 3.) 
f.Berlin, 31. De4. (Trib.) Ausssellungslustigen Indüstriellen 
können wir ein Geschichtchen erzählen, das jüngst einemunserer Mit— 
bürger in Paris passirt, und das vielleicht geeignet ist, ihre 
Sehnsucht nach der Weltausstellung in Ewwas abzutühlen. Herr 
Ke. —. ist bierselbst Besitzer einer der reuommirtesten Oelfarben— 
Druckereen und hat an der lithographischen Maschine eine sinn⸗ 
reiche Verbesserung angebracht, die die Arbeit wesentlich erleichtert 
und zugleich eine arbßere Genauigkeit erzielt. Arbeitekräfte werden 
dadurch nicht erspart. Da nun K, seinerzein in Paris seine künst⸗ 
lerischen Studien gemacht ing noch heute, mit den berühmtesten 
Kunste Instituten daselbst in Verbindung steht, so hatie er die Abe 
ficht, seine Etfindung auch dort. qus ubeuten und begab, sich noch 
Paris, Bei seinem. Freunde Lemerciet fand ep auich quie Aufnahmt 
und erhielt älsbalde den Auftrag, die neue Erfindung an se nen 
Maschinen anzubringen. Allein, Lemercker hutte die Rechnung ohne 
seine Arbeiter gemacht. Sobald diese sahen, daß der Pruffien zu 
arbeiten anfing, so hörten sie auf und erllärten, daß sie Streik 
machen wücden, wenn Jener nicht entfernt würde. Ja, als man 
Dies nicht für Ernst nahm, so schritten sie zu Bedrohungen, und 
inser Landsmanx. mißte froh selw, wit heiler Haut dabon u 
ommen. Unlerdeß hatte Frau H., ejne geborene Französin, die 
hren Mann begleitet hatte, an verschiedenen Orlen Bestellungen auf 
Papier gemacht und war überall zuvorkommend behandelt worden, 
Schließlich aber, als man erfubr, wohin die Bestellung gehen sollte, 
rklärte man ihr trocken: „Mit Berlin verklehren wir nicht.“ — 
Das Alles geschah vor der offitiellen Ablehnunmder Beschickung 
der Ausstellung durch Deutschland. Wer olso dennoch vielleicht 
als Desterre cher zc., feine Erzeugnisse nach Paris zu senden ge⸗ 
deufty hüte sich wenigstens, eiwas Gutes und Neuts, oder gar etwas · 
Besseres auszustellen, als die Franzosen 
fx Berlin, 1. Jan. Em erschütterndes Ereigniß hat sich 
am. Sountag in. dem Hausje Unter den Luden 18 zugetragen. Die 
weite Etage daselbst hat eine Gräfin Schafjgotsch inne, ejne junge 
choöne Frau, die in den glücklichsten Verhältnssen leble, bia sie vor 
durzem ihren Batten und bald darouf ihre zwei Kinderchen durch 
den Tod verlor. Die wiederholten Sch'eckslalsschläge rübten den 
ßeist der Dame, so daß ihre Ueberwachuug nothwendig erschien, 
velcher sie, sich jedoch in der Sonnlagsnacht zu entzieben wußte. 
Bedienstete des Hauses fanden fie in der Frühe schwer verletzt auf 
dem Hofe liegen; sie haste fich aus dem Fenster gefsürzt und war“ 
mit dem Kopfe auf die Pumpe aufgefallen. Die Usgl adliche wurde, 
noch athmend vorgefunden. doch scheinen ihre Verletzunen lebens- 
zefähelich zu sein. Gräfin Schiffgotsch ist bürgerlicher Geburt, 
Tochter des Decoralionsmalers Bartz und gehörte, big sie ihren 
Batten kennen lernte, der Bühne an. 
Berhin, 3. Jan. Der hiesige französische Bonschafter, 
Bicomie de Gontaut⸗Biron, hit vor einiger Zeit bei einem Spazier⸗ 
jange im Thiergarten dem durch das Geräusch der Daupframm- 
Masd,ine scheu gewordenen Pferde einer Droschte iu die Zügel ge⸗ 
griffen und dadurch sowohl die Insassen des Wagens, einen deutschen 
Afsiser mit fseiner Frau, wie auch den von seinem Sitze auf die 
Deichsel geschleuderten Kutscher vor Lebensgefahr gerettet. Dieser 
dumani'ätsact war auch zu den Ohren unseres Kaisecs gelangt 
und dem Polizeipräsidenten v. Madai die Abstattung eines genauen 
Berichtes hizrüber befohlen. Als nun am Neujahrstage sämmtliche 
Borschafter Sr. Majestät gratulrt hatten, wurden, wie das „Berl. 
Fremdenbl.“ berichtet, alle bis auf den Vicomte de Gontaut Biron 
entlassen, welchem der Karfer dann eigenhändig die Rettungs-Medaille 
iberreichte. 
f Inm Jahre 1877 feiert die „Dortwunder Zeitung“, das 
ilteste und gelesenste Blatt der Provinz Westphalen die Feier ihres 
50jährigen Bestehens. Seit ihrer Begründung hat die „Dortmun— 
)er Zeitung“ in allem Wechsel der Zeiten treu für die Fteiheit und 
»as Recht des Volkes gekämpft und seit Begründung der Fort⸗ 
chritt? partei fest und unwandelhar zu dieser gehalten. 
FWEin verdienstvoller hoer Offizier) hatte sich auf den schwarzen 
Adlerorden Rechrung gemacht, erhielt aber nur die böchste Klasse 
)es rothen. Weymürhig lächelnd legte er denfelben zu seinen 
anderen Orden und rief aus: „Da diege, bis du s4 warz wirst!“ 
x Ein furchtr arer Schneesturm, wie err seit Menschengedenken 
mcht dagewesen ist, hat von Dienstag den 19. Dej. bis zum We h⸗ 
nachtsfeste über Schleswig. Jütland, die dänischen Inseln, Shweden 
uind Norwegen geraft und während dieser Zeit den Verkehr auf den 
kisenbahnen und Landdegen fast unmöghch gemacht. Auch die 
Damwpischifffahrt von Kopenhagen nach Schweden muß!e einige Tage 
janz eingestellt werden. Auf der dänischen Staatseisenbahn auf 
Fühnen und zwischen Fridericia und Aarhus liegt Schnee in 12 
Fuß, zwischen Aarhus und Randers, Randers und Aalborg in 14 
Fuß und in den Vendsyssel bis zu 17 Fuß Höde. Viele Tase 
verden erforderlich sein, um sämmtliche Eijsendahnen wieder fahrbar 
u machen. 
x Auf dem Postbureau in Basel wurde am 19. d. eine Sen⸗ 
)ung Banknoten im Betrage von über 100,000 Fr. gestohlen. 
Blücklicherweise seien aber die Nummern der betreffenden Noten be⸗ 
'annt. so daß der Dieb von denselben keinen Gebraͤuch werde machen 
onnen. 
Sin Telegramm aus Montreal vom 26. Dez. meldet: 
„Ein Kloster in der Nähe von Joliette ist durch Feuer zerstört worden. 
Dreizehn Personen kamen in den Flammen um,“ 
t Die „Sti. Petersb. Ztg.“ vom 29. Dez. entnimmt der Gou⸗ 
oernementszeitung von Wologda folgende Notiz: In Wologda herrscht 
ine so grimmige Kält, daß der Thermomeier am 19.“ und 20 
Dez. biz quf 430B sank. Die Wande, der bolzernen Häufer bieren 
o geringen Schutz vor dem grimmigen Froste, daß die Stubentem⸗ 
eratur, troß aller Feuerung, iäglich sigtt. Man erinnert sich nicht 
je solche Kalte erlebi zu haden, 
er Fortsqritt in Japan.) Aus Japan lommen falgende 
Neuigkeiten: Künflig sollen die Bankerotteure und Andere, die schwin— 
)eldafter Weise Schulden machen, auch ihre Kleider zur Befriediguug 
hrer Glaͤubiger geben müssen und eine außergewöhnliche Kleidung 
ragen in der Art wie die Verbrecher. In der Probinz haben all⸗ 
Kingkaämpfer ihr Geschäft aufgegeben und sind Kaufleule geworden.