Sl. Ingberler Anzeiger.
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8 64. Donnerstag, den 26. April 1877.
Deutsches Reich.
München, 23. April. Der dem Großen Gexcralstabe
tiachirte Hauptmann Euzen Keller des bayerischen Generalstabes
wurde dem XIV. (wtadischen) Armeekorps, bezw. der 28. Division
(Karlsruhe) zur Dienstreistung zugetheilt; Hauptmann Keller ist der
erste bay rische Offizier, der in Baden Militärdienste leistet.
Berkin. Die Beziehungen zwischen Deutschland und
Frankreich sind auf dem besten Wege sich antenehmer als seit
dangem. zu gestalten. Dem Geueral Marquis d'Abzac, welcher
unserm Kaiser zu dessen Geburtstage die Glückwünsche des Marjchall
Mac Piahon überdrucht hatte, ist, wie der „Post? telegraphirt
pird, der Kronenorden erster Klasse verliehen worden. Es ist dies
zugenscheinlich mehr als ein bloßes Höflichkeitszeichen und so wieder ·
holen wir, wenn Frankreich nur aufrichtig will, so kann es in
hen kommenden politischen Wirrsalen an Deutschland einen durchaus
dienftfreundlichen Nachbar haben. (Berl. Tabl.)
Ber!in, 24. April. Der ‚Reichsanzeiger“ meldet: „Nach⸗
dem die russische Reg erung die diplomatischen B-ziehungen zur
Pforte abgebrochen hat, ist der russische Geschäfteträzer“, Herr v.
jtelidoff, am 23. d. M. von Konstantinopel mit dem Botschafts⸗
und Konsulatspersonale abgeresst. Auf Grund einer für diesen
Fall unter den Kabineten von Berlin und Petersburg getroff uen
Äbmachung ist nunmehr die Vertretung für die Interessen der rus—⸗
äschen Unlerthanen an die kaiserl'che Botschaft in Konstantinopel
und die deutschen Consulate in der Türkei übergegangen. Die
raiserliche Regierung hat sich bereitwelligst dieser Aufgabe unler⸗
jogen und damit gera dem zwischen Rußland und Deutschland
destehenden freundschaftlichen Verdältnisse einen neuen Ausdruck
zegeben.“
Berlin, 24. April. Die „Deutsche Reichs-Correspondenz“
meldet htute: „Da die Haltung der englischen Regierung, welche
Rumänien als einen Theil des türkischen Reiches erklärt hat und
Desterreich Ungarn zur Action gegen Rußland drängt, der russischen
stegierung großes Mißtrauen einflößt, so hat letztere beschlossen, die
Ditseeküsten in Vertheidigungszustand zu setzen und die baltische
Flotte auf den Kriegsfuß zu stellen.“
Straßburg. Das Re'se Programm des Kaisers ist nun⸗
mehr festgestellt. Die Ankunft in Sicaßburg eifolgt am Dienstag
den 1. Mai, Abe ds 5 Uht. Abends Musit auf dem Platz vor
vem Theater und um 9 Uhr großer Zapfenstreich. Am 2. Miai
große Parade, hiecouf Vesichtigung der Citadelle, des Müpsters,
der Universitgt und der Thomaskerche. 8 Uhr Fackelzug der Stu⸗—
denten. Am Donnerstag, 3. Mai, Besichtigung einiger Forts,
Abends Beleuchtung des Münsters und seiner Umgebung. Am
Freitag, 4. Mai, Besichtizung der anderen Forts, Abends Fest⸗
vorstellung im Theater. Die Abreise erfolgt am 5. Mai, Morgens
393 Uhr, und trifft der Kaiser Nachmittagz 433 Uhr in Mezz ern,
⸗ↄon wo die Rückreise am Mittwoch, den 9. Mai, früh 9 Uhr,
and zwar über Saarbrücken, Homburg, Mannheim und Darmstadt
tfolgen wird. Einen Aufenthalt in der Pfalz wird der Kaiser
nach diesem Programm nicht nehmen.
Ausland.
Wien, 24. April. Die „Polit. Corresp.“ mildet aus
Bukarest vom 24.: Die russische Armee hat in der letzten Nacht
in drei verschiedenen Punkien den Pruth überschritten. Schon am
21. da. Abends passirten 1200 beritlene Kosaken Kitila bei Bu—
tarest nach Kalafat gehend. Ein rumänisches Cavalerieregiment ist
nach Kalafat abgegangen. Hier ist d'e Aufregung ausf's Höchste
zestiegen.
London, 24. April, Abends. Im Oberhause erklärte
dord Derby, er habe ein Telegramm erhalten des Inhalts, daß
Ioo Russen in letzter Nacht die rumänische Grenze überschritten
zaben.
London, 26. Aptil. (Oberhaus.) Lord Dirby constatirt,
ꝛaß nach einem eingegangenen Telegramm 17,000 Russen die
Srenze letzte Nacht überschritten haben.
Zum Gesandten der Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika
in der Schweiz ist Georg A. Schneider, ein Deutscher, ernannt
vorden. Schneider ist gebürtig aus Pirmasens und gehört zu den
politischen Flüchtiincten des Jahres 1848. Er war bereits früher
Beneral Consul in Schweden vnd ist jetzt Banldirektor in Chicago
PeterEburg, 24. April. Das Manifest des Kaisers
Alexander lautet:
„Unsere treuen Unterthanen kennen das lebhafte Interesse,
welches Wie bdeständig den Geschicken der von der Türkei unter⸗
drückten christlichen Bevölkerung gewidmet haben. Unser Wunsch,
das Loos derselben zu verbessern und zu gewährleisten, wird von
der ganzen russischen Nation getheilt, welche sich nunmehr bereit
eigt, neue Opfer zu bringen, um die Lage der Christen in der
Balkan-Yalbinsel zu erleichten. Gut und Blut unserer treuen
Unterthanen ist uns immer theuer gewesen. Unsere ganze Regie⸗
ung bezeugt die beständige Sorgfalt, Rußland die Wohlthaten
»es Friedens zu erhalten. Diese Sorgfalt hat uns unaufhörlich
eit Beginn der traurigen Ereignisse in Boßnien, der Herzegowina
ind Bulgarien beseelt. Wir hatten uns vor Allem das Ziel ge⸗
teckt, auf dem Wege friedlicher Verhandlungen und im Einvber⸗
ehmen mit den europäischen Großmächten, Unseren Alliirien und
Freunden, zu einer Verbesserung der Lage der Christen im Orient
u gelangen.
„Zwei Jahre hindurch haben Wir unaufhörlich Anstrengungen
zemacht, um die Pforte zu Reformen zu veranlassen, welche die
Christen in Bulgarien, Bosnien und der Herzegowina sicher siellen
sonnten vor der Willkür der Localbehörden. Die Ausführung
zieser Reformen ging in absoluter Weise aus den früheren Ver⸗
aflichtungen herdor, welche die Pforte feierlich dem gesammten
kuropa gegenüber eingegangen war. Unsere Bemühungen, obwohl
interstützt durch diplomatische Vorstellungen, welche in Gemeinsam⸗
eit mit anderen Mächten gemacht wurden, haben indefsen das ge⸗
vünschte Ziel nicht erreicht. Die Pforte ist unerschütterlich ge⸗
»lieben in kategorischer Zurückweisung jedweder Garantie für die
Sicherhest der Christen; sie hat die Beschlüsse der Conferenz von
Fonstantinopel ahgelehnt, welche von dem Wunsch geleitet war,
alle möglichen Vittel der Versohnung anzuwenden, um die Pforte
ju bewegen. Wir haben den anderen Cabinten vorgeschlagen, ein
Specialprotokosl abzufassen, welches die wesentlichen Bedingungen
der Conferenz in sich begreift und die Pforte aufzufordern, sich
iesem internationalen Acte anzuschließen, welcher die außersten
Bienzen unserer friedlichen Forderungen bezeichnete. Unsere Er⸗
vartung indessen hat sich nicht erfüllt. Die Pforte hat dem ein⸗
Ummigen Wunsche des christlichen Europa nicht nachgegeben, sie
nat den Beschlüssen des Prototolls sich nicht aageschlossen.
„Nachdem Wir so alle friedlichen Bemühungen erschöpft
jaben, sind wir durch die hochmüthige Halsstartigkeit der Pforie
zenöthiet, zu entsche denden Acten überzugehen. Das Gefühl der
Billigkeit, das Gefühl unserer eigenen Würde legt uns dies gebie⸗
erisch auf. Durch ihre Ablehnung hat uns die Pforte in die
Nothwendigkeit verfetzt. zur Waffengewalt unsere Zuflucht zu nehmen.
Muf das Tefste überzengt von der Gerechtigkeit unserer Sache und
ndem Wir in Demuth uns der göttlichen Gnade anvertrauen,
assen Wir unsere kreuen Unterihanen h'erdurch wissen, daß der
Augenblick, welchen wir voraussahen, als Wir jene Worie sprachen,
auf welche ganz Rußland mil so großer Einmüthigkeit antwocteler).
daß dieser Augenblick nunmehr gekommen ist.
„Wir hatten die Absicht ausgesprochen, selbststäändig zu handeln,
obald Wir es für nothwendig halten sollten und die Ehre Ruß—⸗
ands es erfordern sollte. Indem Wir heute den Segen Gottet
zuf Unser; tapferen Armeen herabflehen, ertheilen wir Ihnen den
Befehl, die Grenze der Turkei zu überschreiten.
Gegeben Kischeneff 12. (24.) April des Jahres der Gnade
1877, im 28. Jahre Unserer Regierung.
gez. Alexander.
VY Im vorigen Jahr au Moßnkan