Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
Ber St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
lage), erscheint wöchentlich Viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis beträgt vieriteljährlich 
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MS 70. J Sonutag, den 6. Mai 1877. 
Deutsches Reich. 
München, 8. Mai. Die Abberusung des h'esigen päpst⸗ 
lichen Nuntius Bianchi destatigt sich; an seire Stelle soll der jetzige 
Secretär der Propaganda, Aloisi Masella, treten. 
Berhin, 8. Mai. Der Reichssstag nahm heute in erster 
und zwerter Lesung die Gesetzvorlage über den Bau einer Eisenbahn 
von Teterchen bis zur Saarbahn an, genehmigte die durch die Er⸗ 
richtung eines Patentamtes veranlaßte Nachtragsforderung und die 
Controle des Reichshaushalts für die Periode vom 1. Januar 
1876 bis Ende März 1877. In dritter Lesung wurde genehmigt 
das elsaß lothringische We nsteuer-Gesetz und der elsaß lothringische 
Haushalt; ferner der Antrag Bedcker Loskers bett. den Zeugniß 
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bdem Generalstabswert über den Krieg von 1870 und endlich das 
Patentgesetz. Bei letzterem wurde auf Antrag Laslers das zweite 
Alinea des 8 2 gestrichen, wonach im Auslande amtlich heraus⸗ 
gegebene Patentbeschreibungen den öffentlichen Druchschriften erst 
nach drei Monaten seit dem Tage der Herausgabe gleich stehen 
sollien. Alles übrige wurde nach den Beschlüssen der zweiten Lesung 
angenommen. J 
Straßburg, 3. Mai. Morgen Mittag kommen die 
staijerin und die Großherzogin von Baden hierher, um der Fest⸗ 
vorstellung im Theater beizuwohnen und werden am Samstag früh 
wieder abreisen. 
Straßburg, 4. Mai. In einer Audienz beim Kaiser 
dankte der Landesausschuß durch seinen Präsidenten Schlumberger 
jüe die neuesten Beschlüsse der Regierung bezüglich der Rückkehr 
Ausgewonderter, drückte den Wunsch aus, daß mit der Rückkehr 
auch die Straflosigkeit, beziehungsweise die Aushebung det aus⸗ 
Jesprochenen Verurtheilungen verbunden sein möchte, dankte ferner 
sür die Erhebung des Landesausschusses zu einem gesetzgebenden 
störper, und drüdte zugleich die Ueberzeugung ans, es werde in 
kicht zu ferner Zeit möglich sein, die Einrichtungen des Reichs⸗ 
jandes zu dessen weiterer Selbstständigkeit als Bun desstaat, mit 
Straßburg als Laudeshavptstadt, innerhald der Reichsverfassung zu 
entwickeln. 
Ausland. 
Wien, 2. Ma'. Aus Budarest wird der „Polit. Cort.“ 
zemeldet, dem Anscheine nach werde der Hauptstoß der Russen 
Jegen die Donaumündung in der Dobrudscha erfolgen. Die Türten, 
don der Witterung begünstigt, verstärken eifrig die Stellungen an 
der Donau und werden den Russen hier mindestens mit 150,000 
Mann entgegentreten. In Galgtz ist ein russisches Stadtcommando 
errichtet, welches trotz Einsprache des Corßsularcorps die Schifffahrt 
auf der unteren Tonau untersagte. 
Wien, 2. Mai. Ein Telegramm der „Deuitschen Zig.“ 
meldel die Durchbrechung des russischen Centrume in Asien und 
die Zurüdwerfang des linken russischen Flüzels. Griechische Banden 
and in Thessalien tingebrochen. 
Wien, 2. Mai. Nach polnischen Blättern genehmigte der 
Sulitan die Bildung einer polnischen Legion aller Waffengattungen 
mit der polnischen Fahne. 
Wien, 8. Mai. Offizids wird erklärt, daß die Regierung 
in der Beantwortung der Orienipolitik⸗Interpellafion alle Besorg⸗ 
nisse zerstreuen wird, welche auf eine etwaige russisch österreichische 
Kooper tion Bezug nehmen. 
Wien, 4. Mai. Die „Politische Correspondenz' meldet 
aus Bukarest: „Vor Braila erschien nur einn türkisches Kanonen⸗ 
poot, welches, nachdem es blos zwemmal gefeuert hatie, durch die 
russischen Batler en brennend zum Rückzug ge wungen wurde.“ 
MRussische Meldung.) 
Pest, 3. Mai. Aus Koustantinopel verlautet, daß die Pforte 
zegen Deutschland sehr ausgebracht ist, weil es in der Ernennung 
des früher in Petersturg gewesenen Prinzen Reuß zum Botschafter 
in Konstantinopel eint russeufteundliche Kundgebung Deuischlands 
sieht, welche sich gegen die Türkei richtet. Es heißi, das deutsche 
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Kanonenboot „Meteor“ solle nach Konstantinopel gehen zum Schutz 
des russischen Votschaftsgebäudes. 
London, 83. Mai. Einer Konstantinopeler Depesche von 
dloyds zufolge stünde die Ankündigung des Blokadezustandes für 
die Küsten des Schwarzen Meeres unmittelbar bevor. — Ein rus⸗ 
isches mit Salz beladenes Fahrzeug wurde auf der Fahrt nach 
stonstantinopel von den Türken aufgebracht. 
London, 3. Mai. Ein Telegramm an Lloyds aus Sulina 
»om 30. Aptil meldet: Die Donau ist unterhalb der Pruthmündung 
rurch Torpedes gesperrt; alle donauaufwärts gehenden Fahrzeuge 
werden streng zurückgewiesen. Der Sulinahafen ist frei. 
Rermischtes. 
Der Brandkafsenbeitrag für das Jahr 1876 ist auf 16Pf. 
sür 100 M. Versicherungskap tal festgesetzt; außerdem werden weitere 
5 Pf. als Vorschuß für das Jahr 1877 erhoben. 
F Mainz, 1. Mai. Gestern starb zu München Dr. Franz 
Zitz, 72 Jahre alt, einer der hervorragendsten Führer der Bewegung 
des Jahres 1848 im Großherzogthum Hessen. Die Jahre 1848 
und 1849 fanden ihn in der hessischen Ständekamner, im Vor⸗ 
parlament, in der constituirenden Nationalversammlung als thätiges 
ind für die Rechte des Volkes entschieden auftretendes Mitglied. 
Fine glänzende Existenz opfernd, führte er die rheinhessischen Streiter 
ür die Reichsversassung 1849 in den Kampf nach der bayerischen 
Rheinpfalz. Die folgenden Ereignisse verschlugen ihn nach Nord⸗ 
amerika, wo er später in New- Yorl mit Fr. Kapp einen geachtelen 
daltpunkt deutschen Wesens schuf. Müde und körperlich gebeugt 
urückkehrend, hat er, die neuen Verhältnisse als Benugthuung nach 
inem bewegten Leben schätend, einen weiteren Antheil an d'en 
Angelegenhesten feines „beiß geliebien Deuischland“ doch nicht mehr 
u nehmen vermocht. Er. J.) 
F In Paris ist ein neues journalistisches Unternehmen auf⸗ 
jetaucht, das in textlicher Beziehung und in Ansehung der typo⸗ 
Jraphischen Ausstattung, so weit Gutenberg's Kunst reicht, schwerlich 
einetgleichen hat. Auf schwarzem Papier in keuerrothen Typen 
sedruckt und mit zahlreichen Emblemen des Tod.s geschmüct, praͤ⸗ 
entirt sich das Journal L'Autre Monde“ in appetitlichster Weise 
ils Spezial-Organ für abgeschiedene Geister. Dem Aeußeren ent⸗ 
pricht der Inhalt. Das Blatt schließt sich der Form nach genau 
in die größeren Pariser Journale an, enthält Leitartikel, Local- 
stuchrichten, Feuilletons, Kammerberichte, Inserate u. s. w., Uülles 
»em Geschmacke und dem Interesse der Seligen entsprechend. Für 
die lebenden Bewohner unseres Planeten kostet eine Nummer 25 
Teutimes; die Todten erhalten offenbar FreieExemplare. Abonne⸗ 
nents werden in den Katakomben jederzeit entgegengenommen. Das 
Feuilleton der neuesten Nummer des Blattes hat den bezeichnenden 
titel: „Lo diable chez le roi de Prusso“. Auch im Grabe 
önnen die Franzosen Gravelotte und Sedan nicht verschmerzen. 
4 In einem fahrenden italienischen Bahnzuge flog vei der 
Ztation Cancallo in der Provinz Caserta ein Waggon in die Luft 
ird zwei Bahnbedienstete verloren dadurch das Leben. In einem 
Lastwagen des Zuges defand sich eine von Turin kommende und 
an einen Eisenbahnbau Unternebmer Neri in Solafra adressirte 
Ziste, welche der Angabe nach Quincailleriewaaren enthalten sollte, 
in Wirklichkeil aber Dynamit für Sprengarbeiten enthielt, der sich 
entzundete. Der Waggon wurde vollständig zerrissen und seine 
Wände auf die Weite eines Kilometers zerstreut; die beiden Bahn⸗ 
ediensteten warden verstümmelt und unkenntlich in ein nabes Feld 
Jeschleudert. 
75 sRedacion veramworilich: 
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ist die in der heutigen Nummer unserer Zeitung sieb befindende Glücks- 
Ineigeo von Samue Heéckscher senr. in Hamburg. Dieses Haus hat sich 
lurch seine prompte und verschwiegene Auszahlung der hier und in der 
Imgegend gewonnenen Beträge einen dermassen guten Ruf erworbon, 
lass wir Jedeon auf desson heutiges Inserat schon an dieser Stelle aus 
verkaam machen.