Full text: St. Ingberter Anzeiger

8* t. Ingber ler Anzeiger. 
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M 777. 2amstag/- den 19. Mai 1377. 
Deutsches Reich. 
Mäünmnchen. (Patentgesetz) Das vom Reichstage in jüngster 
Zeit berathene und vom Bundeszrahe nach den Beschlüssen des 
Reichsstages angenommene Patentgesetzt tritt mit dem 1. Juli 1877 
in das Leben. Was die zu dieser Zeit bereits besteheuden, auf 
Brund landesgesetzlicher Bestimmungen ertheilten Patente angelangt, 
o bleiben fie nach Maßgabe diefer Bestimmungen bis zu ihrem 
Ablaufe in Kraft; eine Verlängerung ihrer Dauet findel nach Ein⸗ 
zritr des neuen Gesetzes nicht mehr statt. Dazegen kann der In⸗ 
haber eines bestehenden Patentes die Eitheilung eines neuen Paten⸗ 
ses nah Maßgabe des Reichsgesetzes beanspruͤchen. Die Prüfung 
der Erfindung unterliegt daun dem durch das leßterwähnte Geset 
borgeschriebe en Verfahren und wird das Palent ertheilt, wenn die 
Eifindung zu jener Zeit, als sie im Inlande zueist zeschützt wurde, 
eine nene war. Hieju bemerkt der „Arbeitgeber“ treffend: Wer in 
dieser Beziehung (d. h. bezüglich der damaügen Neuheit seiner Er⸗ 
findurg) nicht ganz sicher ist, wird gut thun, sein Patent sofort, 
uso noch vor dem 1. Juli, und zwar auf die längste Dauer ver⸗ 
ängern zu lassen. 
Berlin, 15. Mai. Die Neue „Reichszeitung.“ schreibt: 
Die Nachrichten vom Reichskan,ler lauten seht ungünstig; sein 
Befinden soll so schlecht sein, daß man an seiner Rückkehr zum 
Winter durchaus zweifelt und selbst für den Fall, daß sie erfolgt, 
zlaubt, es werde sehr bald zu einer neuen Krifis kommen, da keine 
jeiner Bedingungen erfüllt werden würde. 
NKussand. 
Wien, 16. Mai. Neutrale aus Asien siammende Eonsular⸗ 
zerichte bezeichnen die dortige Lage der Türken als günstig und 
egen der Gatzrung im Kaukasus für die Zukunft eine aroße Be⸗ 
»eutung bei. Die Nadrichten der „Ag. Habvas“ von einem Ein- 
jall in die Dobrudscho sind entscheden erfunden und nichts andereß 
als ein in Peta verbreiletes Gerücht. Die Insurreltion in Bosnien 
vachst. Despotovich erließ an alle Bosniaken einen Aufruf, in's 
Rationalheer einzulrelen. 
Paris, 12. Mai. (Memoireneines Kriegs3⸗ 
minisst er s.) Der verstorbene Marschall Randon in den 
echsziger Jahren Kriegsm'nister des Kaisers Napoleon III., hat 
Denkwürdigkeiten hinterlassen, von denen soeben der zweite Band 
itschie en ist. Ein hiesiger Correspondent der .M. 3.“ entnimmt 
demfelben über eine der bedeutungsvollsten Ep soden unserer Zeit 
'olgende für den kürftigen Geschichtsschreiber nicht un inte ressante 
Aufzeichnung: „Die Schlacht von Sodowa war bon den Preußen 
am 3. Juli Nachmittags gewonnen worden. Am 8. „dem Tag 
der „patriotischen Aengsten, we er später genaunt wurde, begab 
ich der Minster des Aeugeren, Herr Drouyn dell Huys, vor 
einen Kollezen zum Kaiser und verlangte dringend, daß die Kam⸗ 
nern sofort einberufen würden, um die nöthigen Subsidien für die 
Mohilmachung der Armee, mit welchen man dem besiegten Oester⸗ 
ceich zu Hülfe kommen milsse, zu bewilligen. Der Kaiser erklaͤtte, 
daß er diese Anschauuig theile und als der Ministerrath zusammen⸗ 
petreten war, begann sogleich die Verhandluag über diesen Vor— 
dlag. Der Antrag des Herrn Drouyn de l'Huys, welchen der 
driegsminister (der Verfasser der Membiren spricht von sich in der 
atetten Person) nachdrücks'ch unterstützte, wurde angenommen und 
nan beschloß demnach, daß der „Moniteur offitiell' vom nächsten 
Tage ein Decret enthalten sollie, durch das der Senat und der 
eseßg bende Körper im Dringlichkeitswege einbetufen würden. Allein 
der „Monittur“ vom 6. brachte ein solches Decret nicht. Am 
Abend des 5. hatten der Prim Napoleon und die Herren Rouher 
und v. Lavalette im Verein oder eirer nach dem andern beim 
kaiser die groͤßten Ansttrengungen gemacht, um die Einberufung 
er Rammern zu verhindern. Als der Marschall diesen Umschlag 
n der kaserlichen Politik erfuhr, rief er bitler: „Wir find es, die 
bei Sadowa geschlagen worden sind!e Man machte shon damals 
ur Rechtfertigung dieses neutralen Verhaltens in einem Augenblick, 
»a alle klar bückenden Patrioten die Nothwendigkeit einer ent⸗ 
chiedenen Aktion hätt⸗ n erkennen müssen, einen Grund geltend, 
)er seitdem oft wiederholt worden ist. Der Kriegsminister, sagte 
nan, hätte dem Kaiser unumwunden erklärt, daß wir nicht kriegs⸗ 
ereit wären. Wenn der Marschall diese Worte gesprochen hat, 
o hat er sich nur streng an die Pflichten seines Amtes gehalten 
ind eine elementare Wahrheit ausgesprochen, da man in der That 
richt binnen vierundzwanzig Stunden don Friedensfuß auf den 
driegsfuß übergehen kann. Thalsache ist aber auch, daß er sich im 
Stande erklärte, binnen einem Monat 450,000 NMann nach Abzug 
der Armeen von Afrika, Mexiko und Rom unter den Fahnen zu 
hereinigen und auf der Sielle 80,000 Mann in Bewegung ju 
etzen, worauf der Minister des Außern, der von der momentanen 
erschöpfung Preußens volltemmen unterrichtet war, noch erwidert 
jatie: „80,000 Mann! Das ist zu viel: 40,000 genügen. Mil 
anseren Feldhültern allein wäre es auch gethan!“ Die legten Worte 
varen nicht etwa der Ausdruck einer lächerlichen Prahlerci, sondern 
vollten nur sagen, daß die bloße Erklärung Frankreichs, es mische 
ich und nöͤthigenfalls mit den Waffen in den Streit, bamals ge⸗ 
nügt hätte, um die ganze Sachlage zu verändern. Fuͤnf Tage 
päter, am 11. Juli 1866, unternahm Herr Drouhn de l'Huys 
inen neuen Versuch. Ec überreichte dem —X 
iber die von dem Berliner Kabinet vorgeschlagenen Bundesreformen 
ind wies nach, daß, wenn diese Reformen durchdrängen, ganz 
Deutschland von Preußen absorbirt wäre 3 er beantragte demnach, 
dieser Macht durch eine militarische Demonstration Einhalt zu ge⸗ 
hieten und, wenn dies nicht genügte, mit einer bewaffneten Ver— 
nittlung in den Weg zu treten. Ein anderer Minister (wahr⸗ 
heinlich der Verfasser selbst), welcher in Erfahrung gebracht hatte, 
aß zur Zeit des böhmischen Feldzuges aur zwei preußische Regi⸗ 
nenter in der Rheinprovinz geblieben waren, die man unablässig 
nit veränderten Numn.ern auf der Eisenbahn hin und herfahren 
ieß (c1), um au eine stäckere Truppenmucht glauben zu lassen, 
jatte dem Kaiser noch vor der Niederlage dir Oesterreicher vor⸗ 
zeschlagen, fünfzigtausend Mann in Metz zusammenzuziehen; es ist 
eitdem von allen Seiten anerkannt worden, daß diese Demonstration 
jenügt hätte, um Preußen in seinem Siegeslauf aufzuhalten. In 
iuer Note zu dem lzleren —A Marschall Randon 
iuf das Zeugniß des Fürster Bismard sfalbst, welcher viel später 
m deutschen Reichstag eingestanden, daß Frankreich nach der Schlacht 
von Sadowa die preußische Armee durch Aufstellung eines tingigen 
dorps am Rheine hätte zwingen können, alle ihre Erfolge in Oesier⸗ 
eich im Stich zu lassen und Berlin gegen einen kombinirten Angriff 
er französischen und der sfüddeunchen Truppen zu decken. Der 
daiser Rapoleon zeigle also schon im Jahre 1866 denselben Wankel⸗ 
auth, wie spater im Jahre 1870, und vielleicht war es die Reue 
ider das in dem ersten Falle Verfäumte, die ihn in dem zweitem 
u dem entgegengesetzten Schlufse drängte, der für ihn noch viel 
erbängnißvoller werden sollte. 
Paris, 16. Mai. Der Präͤsident der Republit hat heute 
Morgen an den Ministerpräsiedenten Jules Simon folgendes Schreiben 
zerichtet: „Als ich den Bericht des Journal Officiel über die ge— 
trige Sitzung las, bemerkle ih mit Erstaunen, daß weder Sie aoch 
der Justizminister von der Rednerbühue aus diej nigen Grunde zur 
Beltung gebracht hatten, welche die Abschaffung eiaes vor weniger 
ils wei Jahren auf Dufaure's Vorschlaz angenommenen Preßge⸗ 
etzes hätten verhindera können, eines Gesetzes, dessen Anwendung 
Sie selbst noch kürzlich von den Gerichten verlangt hatten. Sie 
jätten diese Pflicht um so weniger verabsäumen dürfen, da Sie 
ind der Justizminister dieselbe noch gestern Morgen im Ministecathe 
ibernommen hatten. Es war schon erstaunlich genug, daß die Kam— 
ner ein ganzes Gemeinde Geseß berathen und sogar manche Beslim⸗ 
nungen hatte annehmen können, deren Gefährlichleit Sie selbsi im 
Ministerrathe dargel'gt hatten, ohne daß der Minister des Innern 
Simon) sich an den Verhandlungen betheiligt hatte. Diese Haltung 
wingt dem Munisterpräsidenten die Frage auf, ob er sich den hin⸗ 
ichenden Einfluß bei der Kammer ju be vabren gewußt hat, um