Sl. Ingberler Nnzeiger.
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M 82. Dienstag, den 29. Mai 7 187.
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Deutsches Reich.
Berlhin, 25. Mai. Die Abberufung des bayrischhen Gesand⸗
en am hiesigen Hof, Frhrn. Pergler p. Perolas, wird bestätigt. —
Der Justizautschuß des Bundesraths beschloß heute einstimmig kei
zem Bundesrath die Ablehnung des vom Reichstag beschlossenen
Besetzentwurfs in Betreff des Zeugnißzwanges zu beantragen.
Berlin. In letzter Woche sind verschiedene unbestimmte
Undeutungen in die Oeffentlichleit gedrungen von Aeußerungen,
die unser Feldmarschall Moltke kürzlich über den voraussichtlichen
Berlauf des russischetürkischen Krieges in einem diplomat schen Cirkel
zemacht hat. Graf Moltke befand sich auf einer diplomatischen
Zoire, als ihn ein bekannter Staatsmann ziemlich resolut zum
Sprechen bewog, indem er direkt fragte:
„Herr Feldmarschall, es gibt Leute, welche an ein rasches
Ende des Krieges glauben, welche sich einbilden, daß Rußland ein
zlückliches „Sadowa“ erringen wird, sobald seine Truppen nur
ie Donau überschritten haben. Was 'halten Sie von dieser
Ansicht?“
„Es ist nicht die meinige,“ antwortete Moltke, „See wissen
zesser als ich, was die Diplomatie kann und will, aber vom strate⸗
zischen Gesichtspunkte beurtheilt, bin ich jetzt, wie schon immer, der
Meinung, daß wir uns vor einem Kriege befinden, der eben so
ange als langsam sich abwicdeln wird. Es wird sehr viel Zeit
j)ergehen, bebor die Russen, krotz all' des Guten, was man von
drer Armee wie von einzelnen ihrer Führer zu sagen weiß, die
Türken besiegt haben. Allerdings präsentirt sich diesmal die Cam-
»agne für Rußland günstiger als im Jahre 1828, aber Rußland
vird sehr viel Glück, fehr viel Geschick, sehr viel Geduld und sehr
ziel Geld brauchen, um über se'ne Feinde zu tiriumphiren. Ich
jabe keine Illusionen, und Diejenigen, welche an einen schnellen
Bormarsch auf Konstantinopel glauben, werden sich wohl schließlich
zazu verstehen müssen, ihren Hoffaungen Zügel anzutezen. Auch
vin ich überzeugt, daß man im russischen Haupiquart'er gleichfalls
davon überzeugt ist, welche Schwierigkeiten und Hindernisse zu be⸗
vältigen sind und wie langsam dieselben bewältigt werden können,
he ein entscheidender Sieg fällt.“
Die in letzter Zeit im Verkehr vorgekommenen falschen
Reichstassenscheine zu fünfzig, zwanzig und fünf Mark
naben das General-Postamt peranlaßt, strengstens die Scheine,
oelche den Verkehrsanstalten zuklommen, zu prüfen. Die Beamten,
pelche solche Scheine annehmen, siad zur Ersatzpflicht verbunden.
Ausland.
Wien, 26. Mai. Telegramm des „Neuen Wiener Tag⸗
nlattes“. Pitesti, 26. Heute Vormittag eröffneten die rumänischen
Batterien ihr Feuer gegen Napolis. In Kalafat sind weilere drei
ufsische Batterien angelangt. Die türklischen Batterien in Rahowa
vurden von den Russen demontirt. Gestern stanonade zwischen
Widdin und Kalafat.
Wien, 26. Mai. Griecchenmand schloß einen Vertrag
etreffs Lieserung von Waffen, Munition und Panzerschiffen für
den Betrag von 20 Millionen ab. Seine Beziehungen zuni kürki⸗
hen Gesandten sind thatsächlich abgebrochen, De Äbberufung des
ürkischen Gesandten steht bebor. Dad „Tagblatt“ kündigt an:
Jtalien treffe Vorkehrungen zur Einschiffüng von Truppen.
WVaris, 25. Mai. Marschall Mac Mahon bejuchte heute
ie Arbeiten zur Weltausstellung auf dem Marsfelde. Er erklarte,
ner Zwech seines Besuches sei, jene Gerüchte Lügen zu strafen, welche
jon der Vertazung der Ausstellung gesprochen hatten. Die Ans⸗
kelluxg fügle er hinzu, würde sicher im Mai 1878 eröffnet werden.
Paris. Drei Correspondenten fremder Blätter, deren
Depeschen dem neuen Ministerium feindlich waren, haben, so meldet
ie „France“, den Wink erdalten, daß sie demnäͤchst ausgewiesen
orrden würden.
Von dem vielbesprochenen Vorfall von Nanch glaubt das
CIX. Siecle“ nach zuverlässiger Quelle folgende Darfteung geben
u tönnen: Am Pfinostmontag waren zwei dreußische Offigier« don
der Metzer Garnison nach Nanch gekommen, um dort den Feiertag
uu verbringen. Sie waren in Cevil gekleidet. Bei einem Posten
vorbeilommend, machten sie sich lustig und sprachen dabei ziemlich
aut deutsch. Zwei Elsässer, die ihnen gefolgi waren, hatien ihre
Worte verstanden und stellten sie deshalb zur Rede. Es bildete
ich bald ein Auflauf, in den sich auch mehrere Soldaten von dem
Wachtposten mischten. Da die preußischen Offiziere sich erkannt
ahen und ohne Zweifel fürchteten, daß ihnen übei mitgespielt werden
önnte,, flürzten sie sich in einen eben vorüberf.hrenden Tramwah—
Vagen. Eine gewisse Anzahl von Individuen lief dem Wagen
jach und schrie dem Kutscher zu, er selle halten; dieser aber hieb
nuf die Pferde ein und hielt erst an seiner nächsten Station. Die
Bolksmenge war inzwischen angeschwollen. Als die Offiziere aus⸗
tiegen, wurden sie mit Geschrei empfangen und zerzaust; es ist aber
nicht wahr, daß ihaen eine ernstere Mißhandlung zugefügt worden
»äre. Nur verlor der eine von ihnen im Gedränge seinen Hui.
Lolizeiagenten kamen herbei und konnten die Offiziere nebst eirigen
er Ruhestörer vor den Centralcommissär führen. Die beiden Offi⸗
ere baten diefen dringend, der Sache weiter keine Folze zu geben;
ie fürchtelen Strafe zu erhalten, da sie ohne Erlaubriß nach Nauch
lommen waren. Der Commissär willfahtte ihnen und hielt es
nter diesen Umständen für das Beste, alle Theile wieder zu ent⸗
ssen, nachdem er nur an die Insultanten eine sirenge Vermahnung
erichtet hatte. Kein Blatt von Nanch that des Vorfalls Er—
vähnung, der ganz unbemerkt geblieben wäre, wenn die deutsche
dresse fich nicht seiner bemächtigt hätte. Es ist also falsch, daß
ie Offihiere gräulich mißhandelt worden wären und der eine von
jnen sich in dem bedenklichsten Zustande befände; es ist ebenfalls
alsch, daß fran ösische Offijiere, nachdem sie im Vorübergehen von
dem Hergang Kenntniß erhalten, sich gleichgültig entfernt hätten.
—In Rheims sind, wie die „Defense“ meldet, dieser Tage
nehrere Personen verhaftet worden, weil sie vor dem Stadthause
und der Unterpräfestur die Ruse: Nieder mit Mac Mahon! Nieder
wit den Pfaffen! ausgestoßen hailen.
Zukunfts-Pläne. Der ‚Patrie“ zufolge läge es im
Zlane der republikanischen Führer, unmittelbar vor den allgemeinen
Vahlen, die Jederman für unausbleiblich hält, in dem Augenblicke,
»a der Marschall Mac Mahon ohne Zweifel mit einem Manifesi
jervorlreten würde, diesem ein von allen Gruppen der republi—
aneschen Partei genehmigtes Manifest des Herrn Thiers entgegen⸗
ind so den Letzteren offen als Candidaten für die Prasidenischaft
rufzustellen. Gambetta sei mit diesem Plane vollkoamen einber⸗
kanden urd weide in dem ganzen Feldzuge mit Thiers Hand in
dand gehen.
Bukarest, 26. Mai. Nach hierher erfolgter Anmeldung
verden am 14. und 15 Junt von Berlin 8 Züge von je 20
Bagen mit Geräthschaften zur Pflege der Verwundeten expedirt
verden, welche das Berliner Central⸗Comite zur Pflege Verwundeter
mn Felde der Gesellschaft des rothen Kreuzes zur Verfügung gestellt
at.
Bukarest, 26. Mai. Die Russen sprengten heute Nachmit⸗
ag mit Torpedoschaluppen den größten der türkischen Donau-Moni⸗
ors in die Luft. (Die Torpedos waren in derselben Nacht von
wei russischen Marine-Offizieren im Donau⸗Kanal von Maischin
elegt worden.)
Rustschuk, 26. Mai. Heute früh um 9 Uhr eröffnete eine
umän'schen Batterie bei Giurgewo das Feuer gegen Rustschuk. Die
zroße Schanze auf dem Savy nahm dasselbe iebhaft auf; noch
eEtzt donnern die Geschütze. Der Regen strömt vom Himmel herab.
Um jenfeitigen Ufer bemerlt man Cavallerie, unter dieser Kosfacken.
In dem Augenblicke, wo ich dieses Telegramm absende (zehn Uhr
Morgens) hat das Feuern nicht aufgehört.
Konstantinopel, 25. Mai. Die Regierung veröffent;
icht über die gestrigen Vorgänge in der Kammet Folgendes; In
Folge der durch den Fall von Ardahan entstandenen Beunruhigung
erschien eine Deputation von aus der Provinz Ardahan stammenden
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