Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Ser St. Ingberter Anzeiger und vas (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, Sonntags mit illustrirter Wei— 
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M 84. — — — Samstag, den 2. Jurrn.. 1877. 
Deutsches Reichc. 
Mäünchen.. 29. Mai. Die bayhecischen Kammern der Ab⸗ 
geordneten und der Reichsrälhe wurden auf den 2. Juli nächsthin 
einberufen. Dienk. Einberufungs- Ordonnanz wird demnächst er⸗ 
scheinen. Vorlagze der Staatsregierung: Forderung der nothwen⸗ 
digen Mittel zur Anschaffung von Gewehren cc. 
——München, 29. Mai. Nach einem Telegramm der „Allg. 
Ztg.“ ous Gastein wird der Deutsche staiser dort am 12. Juli 
ankommen und hat bereits seine Wohnung bestellen lassen. 
Berlhiu, 30. Mai. Die osfficiöse:, Prov, Corrispondenz“ 
jchreibt am Schliusse einer Besprechung der von dem Landtagsab 
geordneten Dr. Virchow kürzlich im hiesigen Bezirksverein gehaltenen, 
auf den russisch⸗ürkischen Krieg bezüglichen Rede: Die Bestrebungen 
der deutschen Polit'k, die nach dem letzten Kriege Ansdruck und 
feste Grundlage in dem Dreikaiserbund gefunden, bewährten sich 
auch in der jetzigen schwierigen Krisis als eine Bürgschuft friedlicher 
Vermittlung weit über jenes engere Bündniß hinaus. Wenn un⸗ 
geachtet des wirtlichn Ausb uches des fürhischerussischen Krieges 
die Aussichten für Erhaltung des europäischen Friedens in den 
letzten Wochen eher gestiegen als verringert seien, so habe die 
deutiche Politik hieran ihren redlichen Antheil. In diesem Be⸗— 
wußtstin and in dem darauf beruhenden Vertrauen werde sich das 
deutsche Volk nicht birren lassunun. 
Berlin, 30. Mai. Das „Armee Verordnungsblatt“ ent⸗ 
hält die keiserliche Cabinetsordre: vom 25. Mai betr. die Verstär⸗ 
tdungz der im Reichsland garnisonirenden Truppen. Im Eingange 
der Ordre heift es: „Nachdem ich während meiner Abwesenheit 
im Reichslande mich überzeußt habe, daß die zeit'ge Besatzung des— 
jelben den Anforderungen des Friedensdienstes aicht zu genügen 
pernag, beistimme ich: Außer Dislocationen der bereils im Reichs⸗ 
and stehenden Truppen sind aus preußischen Garnisonen verlegt 
das Jufanterie-Regiment Nr. 29 nach Metz; das Dragoner-Reg. 
sr. 13 und das Ulanen-Regiment Nr. 7 in Cantonnements 
zwischen Metz und Straßburg; das rheinische Jägerbataillon nach 
Zabern; der Stab und das erste Bataillon des rbein'schen Fuß 
Artillerie-Regimenis nach Metz.“ 
Mezß, 27. Mai. Die am Pfingstmontag in Nany vorge— 
lommenen Mißhandlungen hiesiger Officiere bildet gegenwärtig das 
Tagesgespräch. Von französischer Seite wird behauptet, daß die 
Mßhandelten, deren Verletzungen übrigens nicht gefährlich sind, 
durch heraussorderndes Benehmen den Pöbel gereizt hätten. Was 
daran Wahres ist, wird die Untersuchung ergeben, welche bereits 
lingeleilet wurde. Daß übrigens unter der Bevbölkerung der ftan⸗ 
ösischen Nachbarstädle seit einiger Zeit eine erregke Stimmung herrscht, 
donnten sämmtliche Tour' sten bestätigen, welche in den leßteu Tagen 
aach Nanch oder Pout-àA- Dousson kamen. In letzterer Stedt wurden 
J. B. au Pfiagstsoantag zwei harmlose junge Leute von Metz, welche 
eine ihnen befreundete Familie besuchen wollten, vom Bahnhof an 
ꝛon einer schreienden und johlenden Menge mit Steinwürfen verfolgt, 
j daß sie nur durch Polizesten geleitet in das von ihnen bezeichuete 
haus gelangen konnten. Letz res wurde dann von dem Poͤbel den 
ganzen Tag über belagert und trotz der aufgestellten Polizeiwache 
mit Steinen und Koth bomdardirt. Auf dem Rückwege wiederholten 
sich die gleichen Szenen. Etwähnt muß übrigens werden, daß die 
Bolizeibehörde kräftig einschrilt und daß die bessere Bevölkerung die 
porgekommeuen Ausschreitungen allgemein bedauert. (S. M.) 
Ausland. 
Paris, 29. Mai. In den Tagen zwischen 15. 20. Juni, 
also bald nach dem Wiederzusammentritte der Fammern, will der 
Marschall Mac Mahon die jährlich große Revue der Garnison von 
Paris im Boulogner Waldchen vornehmen. 
In Parris sind die unheimlichen Gerüchte an der Tages— 
xdnung. So scheint man dort die Nachricht verbreitet zu haben, 
daß ein Attentat auf den Marschall Präsidenten entdeckt worden 
ei. Der offizielle Telegraph berilt sich, die Meldung zu dementiren. 
Im Uebrigen erschöpft man sich in Versuchenn, dem Staatsstreich“ 
Mac Madhons mit Hinfe dralonischer Handhabung der Gesetze lange 
Lebensdauer zu verschaͤffen. So hat der Ministerpräsident Herzog 
von Broglie ein Rundschreben an die Genetalprokuraloren gerichlen, 
in welchem ausgeführt wird, der Marschall Mac- Mahon-habe bei 
Inaugurirung der neuen Richtung seiner Politik dem Umsichgreifen 
radikaler Theorien Einhalt ihan wollen, welche imverträglich seien 
mit dem inneren Feieden und der Größe Frankreichs Der Mimister 
ordert die Generalproluratoren auf, ihre Wachsamkeit und Energie 
zu verdoppeln, um den Gesetzen Achtung zu verschaffen“,welche die 
Moral, die Religionund das Eigenthumeinsbesondere gegen die 
Aagriffe der Presse schüßen sollen. Besonders sei den Kundebunden 
ju Gunsten der Kommune und den Beleidiguügen des Staals⸗ 
berhauptes entgegenzutreten.“ Ebenso sei die Verbreltung falscher 
Rachrichten zu ahnden, welche darauf abzielten die zffentliche Mei⸗ 
nung zu verwirren, das Land zu beunruhigen und den Glauben 
ju erwechen daß in Frankreich eine Partei erxistire die frevelhaft 
genug seit, einen Krieg herbeiführen zu wollen. Die Lüge wüffe 
»esttaft werden, unter welcher Form sie auch aufirete. Sieh! siehn 
Der Herzog von Broglie hat sich sonst doch recht gut mir kleinen 
Verstößen gegen die absolute Wahrheit zu befreunden gewußt. 
Freilich war er damals in der Opposition und nicht im Besitze der 
Macht, wie jetzt. Das strenge Regiment,“ welches jetzt auf einmal 
Aber Frankreich tommt, hal indeß auch sein“ Gutes: Gestrenge 
Herren regieren bekanntlich nicht lang. 
Loudon, 29. Mai.“ Große Ausregung herrscht in Eretaͤ. 
Am Sonntag' fand eine Versammlung don Rotabeln in Retimo 
statt. Dieselbe deschsoß einen Protest gegen die türkische Herrschaft 
und Bwaffnung des Volkes. Es wurde an die britische Proteklion 
appelirt und Gladstone zum Fürsten von Creta ausgerufen. 
London, 29. Mai. Dem „Siandard“ wird aus Belgrad 
elegraphirt, daß Serbien zum Kriege entschlossen seĩ, sobald die 
rassische Armee den Donau Uebergang vollzogen habe.“ B 
. Loudon, 29. Mai. Der Spezialkorresondent des „Daily 
Telegroph meldet, Massa Pascha habe mit 8000 Türken die Festung 
Ardahan wieder gewonnen. Die Verluste seien auf beiden Seiten 
zroß. (Hleichzeitig ergeht ein Telegramm aus Petersburg, welches 
'akonisch besagt: „D'e Wied reinnahme Ardahan's durch die Türken 
st erlogen.“) 
2ondon, 80. Mai. Der „Morning Post“ zufolge hatte 
)ie Pforte sich jetzt doch dazu entschlossen, Ausläuder in ihten Dienst 
zu nehmen, und stünde eine Anzahl englischer Offiziere im Begriff, 
in die türkische Arcmee einzutreten. 
Der „Francais“ meldet: Es bestätigt sich, daß die Türkeen 
m Befitze fast der abchasischen Küste sind. Dann wird der „Times“ 
»on der kautasichen Küste gemeldet, aufständische Tscherkessen hätten 
Zie Militärstraße von Wladikawkas nach Tiflis besetzt. 
Telegramme von der DonauArmee constat'ren die durch 
segengüsse hervorgerufenen Ueberschwemmungen und Eisen bahn⸗ 
heschudigungen, wodurch die Truppenbewegungen verhindert werden. 
Auch vom Kaulasus wird über Regengüsse und Unierbrechung der 
Fommunicationen berichtet. — In Orsowa internirt gewesene ser⸗ 
b'sche Freinillige, 120 an der Zahl,, sind durch Honvedsoldaten 
an das jerseitige Ufer befbrdett worden. — Auf Befehl Osman 
Pascha's ist die Donau bei Adakaleh neuerdings gespertt. 
Konstantinopel, 27. Mai. Briefe aus Erzerum 
melden den Zustand der türkischrn Armee als wenig erquucklich. 
In Kare soll es an Lebensmitteln fehlen und der Typhus herrschen, 
es fehle an Heilmitteln. — Auf der hohen Pfotte“ ist man mit 
der Haltung des Prinzen Reuß sehr wenig zufrieden. Der— 
elbe hat nach den ersten nothwendigen Besuchen seinen Wohnsitz zu 
Bujulden, dem Sommerpalais der russischen Botschast genommen 
und im Namen der deutschea Regierung die Nichtzuiassung deutscher 
Staatabürger zum osmanischen Dienst — mit Ausnahme von 
Aerzten — gefordert. — Türkische Nachrichten bestätigen die Vor— 
üglichkeit der russischen Reiterei im Aufklärunasdienst