Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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AMs 10. 1 —8 Samstag, den 20. Jannar * 1877. 
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Deutsches Reich. 
Müsachen, 16. Jan. Von den 48 Abgeordnelen, welche 
Bayern in den Reichstag sendet, sind 45 definitiv gewählt, in drei 
Wahlkre sen (München II, Nürnderg und Dinkelsbüyi) haben Stich⸗ 
wuhlen Stait u fiaden, Von den definitiv gewählten 45 Ab⸗ 
geordneten gehören 28 dem Cenirum, 2 (Dr. Ratzinger und Lind 
nei) der bayerisch klerikalen Partei, 1 (Hery) der Foꝛ ischrittspartei, 
2 (Groß und Zinu) der Gruppe L2öwen 2 der freikonservatiden 
Partei (Fürst Hohenlohe und Graf Luxburg) an, demnach 30 
Ultromontane und 15 Liherale. Im lehien Reichstag waren es 
mus Bayern 32 Ultramontane und 16 Lñerale. 
Berlin, 16. Jan. (Fistungsbauten.) Von dem eben 
vegonnenen Jahre steht. nach der „N. A. 3.“ eine beträchtlich 
caschere Fö derung der Festunaserweiterungsbaulen zu erwarten. 
Der Termin für den Endabschluß derselben ist auf 1884 festgesetzt, 
ꝛoch wird versichert, daß es wahricheinlich gelingen werde, den Un— 
und Erweiterungsbau der Haupt vaffenp'ätze der deunschen Ost- ünd 
Westgreuze, wie den vollständ'gen Abschluß der deutschen Küstenbe 
restinuengen uünd der Landbefestigung von Wilhelmshaden schon bis 
1880 zu bewirken. Für das laufende Jahr steht vorzugsweise die 
Beförderung des Erwveiterungsbaues von Köl Königsbera, Thorn 
und Posen, sowie in den neuen Reichstanden die neuen Werle von 
Diedenhofen und Neubreisach zu gewärligen. 
Jerlhin, 18. Jan. Ibre Königl. Hoheit, Frau Prinzessin 
Tarl (Schwägerin Wilhelm's, welmar. Prinzessin, geb. 3. Februar 
1808), ist heute früh geftorben. 
Darmstadt, 14. Jan. (Socialdemokratie) Es fällt 
allenthalben sehr auf, daß in Darmstadt und Umgeçend die So— 
riaidemokratie so große Fortschritte gemacht hat. In all den großen 
Orten, wie Gritkheim, Eberstadti, Arheiligen ꝛc. sind die meisten 
Stinmmmen von Soc aldemokraten abgegehen worden. Auch in 
Darmstadt sind viele Stimmen von Socialdemokraten gegeben 
porden. Im großzen Ganzen scheint die Socialdemokratie au Ter— 
rain gewonnen zu baben. Das könnie sicher nicht mönlich sein, 
hällen alle Stimmberechtigte ihre Schuldigkeit gethan. Da gibt es 
aber so diel lue Bürger, die nicht abstimmen mögen, waährend 
die Geaner seh ruhr'g sind. 
Stuttgart, 17. Jar. Wie in hiesigen Regierungskreisen 
der Aussall der Reiistagswahlen in Württemderg beurtheilt wird, 
zücfre sich aus nachstebenden Beinerkungen uunseres „Staatsanze gers“ 
chließen lassen: Das Centrum ist nicht verstärtt. Die Demokraten 
jewannen einen einzigen Sitz, die füuf Neuzewählten, Knapp, 
Bühler, Stälin, Diefenbach, Heim, sind, falls sie üoerhaupt einer 
Bartei beitreten, der deutschen Reichspartei zuzuzählen. Gegenüber 
Nachrichten nationalliberaler Zeitungen dürfe bestimmtest behauptet 
verden, daß das Uagterliegen einiger vorgeschrittenen Nationalen 
veder den Wahlen enen anti⸗nationdien Charakter aufgedrackt habe, 
ioch einen Wechsel in der Politik der Regierung beseute. Richtig 
ei allerdings die Verschiebung des —A 
»er Nationalgesinnten zu Gunsten dr g maßigten Ricktung. Keine 
Bortei habe das ausschließliche Vorrecht, natioual zu hehßen. Würt— 
embergs Volk und Regieruug hätten Beweise natibnul.— Gesin⸗ 
zung gegeben, welche die Besürchtung, daß eine Wandlung sich 
vollz ehe, grundlos erscheinen lassen. Die Reichstagswahlen bedeuten 
'ine Lehre für den patriotischen Eifer, in Fragen, welche Württem⸗ 
nergs Volk ernst nimmt, nicht zu weit zu gehen. 
Sehr empfindlich sind die Verluste, welche d'e nationall berale 
Soche in Wü'ttem'ber geerlitten hat. Uber nicht von unten, 
adern von oben wurden die besten Männer Wüurtiembergs von 
ren Parlamentsͤsitzen verdrängt; es ist de Regerung selber ges 
vesen, die dem Paruikularis muß wie der soren. Volkeparten auf die 
Zeine geholfen. Sobald man von oben die Dräthe, mit denen die 
emokratischen Gliedermänner zum Stehen gebrocht worden, abzu⸗ 
hneiden für gut findet, wird die ganze Herrlichleit wvieder in sich 
elbst zusammerpur, eln. 
Ausland. 
Wien, 17. Jan. Graf Zichy hat die Weisung erhalien, 
alls die Hauung der Pforte seine Reise unvermeidlich mache, dem 
Sultau in einer Abschieds-Audienz zu erklären, die Abreise bedeute 
chlechterdings keine feindselige Haltung Oesterreichs. Lord Salisbuty, 
agt man, sei mit denselben Jastructionen versehen worden. 
Paris, 15. Jan. Eine Privatdepesche aus Konstantinopel, 
welche an ein hervorragendes Mitglied des diplomatischen Corps 
zer chtet war, kündigt an, daß die Stellung Midhat Pascha's er⸗ 
ichüttert sei, wel er zu Zugefändnissen neige, welche der Sultan 
perhorrescire. Hier, in Paris, bewahrt man, nach wie vor, die 
Hoffuung auf einen vorläufig noh friedlichen Ausgang und be⸗ 
grändet diese Hoffnung mit dem E'ndruck, den ichließlch doch die 
Fiumüthigkeit. der Konferenz auf den Didan. —X 
Paris, 15. Jan. In der Kirche Samt Auaustin wurde 
deute Mittag zuu Gedäch'niß des Kaisers Napoleon II. um einige 
Tage verspätet (denn sein Todestag fällt auf den 9. Januar) eine 
Nesse gelejen. Dic bonabartistishen Senotoren, Abgeordneten und 
Publizisten wohnten sämmilich der Feierlichkeit bei, zu melcher sich 
im Ganzen etwa 1200 Personen eingefunden hatten. 
Die „Republque franc.“ urtheilt über das Ergebniß der 
deutschen Reschstags Wahlen, nachden sie ausgeführt, daß es mit 
)em Liberalismus in Deutschtand zu Ende sei und daß Herr Son⸗ 
aemann wohl daran gethan hätte, sich aus einer Arcua zurückzu⸗ 
ziehen, in welcher der Kampf neder Vortheil, noch Ehre eintrüge. 
„Wenn man, odhne sich von den berechneten Uebertreibungen der 
Blätter breirflussen zu lassen, diese schreckliche Wahl von 10 Sozia⸗ 
listen genausr betrachtet, so wird man ihre entscheidenden Ursachen 
n der allenthalben in Deutschland herrschenden wirthschaftlichen 
Bedräugniß, in einem unbestmmten Verlangen nach einer besseren 
yolitischen Otganisation and endlich in einen Gefühle der Realtion 
jegen den falschen Liberalismus der Einen und den Despot' smus 
der Andern suchen. Aber die Sache der Freiheit ist darum jen⸗ 
seits des Rheins nicht minder schwer bedroht, wean nicht gar ver⸗ 
oren; denn die Traumcreien der ausoruaren Sozialisten würden 
ie wahrlch nicht zu reilen vermögen. Auch blüht dies⸗rx Aberglaube 
in Formeln so recht nur in geluechteten Ländern, waährend er bei 
den freien Völkern viel von seinem Einflug verliett. Alles in 
Ullem genommen, scheint uns die parlamentarische Stellung des 
derrn von Bismarck in diesem Augenblicke eine außerordentlich 
tarke: er sseht an der Spitze einer compatten und wohl diszip⸗ 
inirten Majorität, in weicher die Nat onalliberalen die staärksten 
Bataillone dilden. Er hat es nur mit iner zusammenhanglosen 
Minorität zu thun, in der Sozialisten und Fortschritismänner selbst 
nit den Uitramontanen und einigen kleineren besonderen Gruppen 
dereint unmönlich die Zeffer erreichen können, welche erforderlich 
väre, seine Regierung in FJaum zu hallen und seine Politik zu 
)urchkreuzen, geschweige denn ihn selbst zu erschuitern. Darum 
vie derholen wir vur: in der inneren Lage Deutschlands ist nichts 
eändert, es sei denn, daß dem Liberalismus ein neue und noch 
iefere und schmerzlichere Wunde, als die frühere, geschlagen worden 
st. Man wird dort auch ferner nachdrücklich an der Einheit ar— 
beilen, ohne jemals an die Freiheit zu dentene 
Paris, 17. Jan. Welt⸗Ausstellung) Das „Journal 
affiziel“ veröffentlicht folgende Note: Die von dem allgemeinen 
Reglemeat suc die Anmeldungen für die Weltuunsstellung von 1878 
aesteckte Frist läuft heute, den 15. Jauvar, ah. Aus emem Be— 
richt, welchen der Senator Generalcommissar dem Handels minister 
erstattet hat, geht herbor, daßß der bis a.n 13. Acenus eingelau⸗ 
ienen Anmeldungen aus Paris 7000, aljo 2000 mehe waren, als 
in Jahre 18675 auch die Zahl der aus der Provinz ein retroff ⸗nen 
st beträchtlich und belief sich täglich auf 1000 - 1500. Da jedoch 
die O gan firung der Aufname⸗Comites in mehreren Departements 
einen Verzug eclitten hat, haben diele Präfeklen darauf aufmerk— 
sam gemacht, daß einige der großen Gewerbszweige ihrer Rege⸗ 
rungsbezirke nicht vertreten jein würden, wenn nicht ein Ausschuf