Full text: St. Ingberter Anzeiger

Gouvernanle sei mit dem Beirage eniwischt, und dekhalb ist es 
auch erklärlich, doß nicht damats schon nähere Necherchen in Oestrich 
beranlaßt worden seien, Für sein Schweigen hätte der Geständige 
zon seinem Bruder 200 fl. damals erhalten, jnaßt lasse ihm sein 
Bewissen keine Rhe mehr. Die näderen Umstande lassen an 
zdiesen Aussagen keinen Zweifel mehr. Die Staatsbehörde von 
Wiesbaden war heute den ganzen Tag in Oestrich; heute Mittag 
purden die hiesigen Geudarmen ebenfalls dahin beodert, um die 
Verbrincung der beiden Brüder nach Wiesbaden zu bewerk⸗ 
stelligen. 
F Ein Unglückzfall mit unerwartetem Ausgange ere'gnete sich 
am Dounerstag Mittag in der Wuldemarstraße zu Berlin. In 
der ersten Etage eines Hauses sland ein Mädchen bei geöffnetem 
Fenster auf dem äußern Fensterbreit und reinigte die Scheiben der 
heiden oberen Flügel. Hierbei glitt es aus und stürzte auf die 
Straße herab. Im Momente des Sturzes ging der Privatlehrer 
R. gerade vorüber, Auf ihn fiel das Mädchen mit solcher Gewalt. 
daß der junge Mann wie ein Taschenmesser zusammenklappte und 
bewußtlos in feine in der Skalitzer Straße gelegene Wohnung ge⸗ 
bracht werden mußte. Dort hat der Arzt so schwere innere Ver⸗ 
letzungen constatirt, deß leider für den artmen Mann das Sehlimumste 
zu vefürchten ist. Das herabgestüttte Mädchen ist bis auf eiue 
Verentung des Daumens mit dem Swchrecken davongekommen. 
x Die Frau mit dem Küchenspinde. Zu dem Kapital von 
den Blühjeligkeiten und der Kombinationsgabe der Postbeamten 
gehött. auch folgender Beitrag. der am Sonnabend die Heilerkeit 
eines Hauses der Alexandrinenstrage in Berlin erregte. Der dortige 
Postboie halte die scwierige Aufgabe, einen Buef an eine Adresse 
zu befördern, deren Fassung, bei sehr schwer zu entziffernden Schrift⸗ 
eichen, eine sehr prablemat sche war, denn sie lautete „Aa die 
Frau, welche das Aüchenspind gekauft heat! Alexandrinenstratße 104. 
Trotz dieser meht als allgemeinen Fassung in es dea Bemühungen 
des Briefträgers gelungen, die Frau mit dem Küchenspinde endlich 
auszuforschen, 
fRoßbändiger, Der Reitknecht eines in Breslau 
wohnenden Cavallerie Offiziers sah dort vor der Schmiede Pferde 
beschlagen. Eines derselhen war sehr wild, hatte sich noch nie be⸗ 
schlagen lassen, und auch der jetzige Versuch mißlang. Da trat 
der Reittnecht näher und versprach gegen Belohnung von 1 Thlr., 
das Pferd ohne allen äußern Zwang sofort dahin zu beingen, 
daß es sich ruhig beschlagen ließe. Dieß vewilligt, trat er nun 
dor das Pferd, hielt seine beiden Hände, in denen er wur sein 
Schnupftuch hatte, an die Rase des Pferdes, und siehe da, letzteres 
sand wie ein Lamm und ließ sich ruhig beschlagen. Van hatte 
sedoch bemerki, daß der Knecht sich zuvor mi dem Juhalte eines 
Fläschchens Hünde uund Schnupftuch benetzt hatte; das Glauschen 
ward aufgefunden und der Inhalt als ätherisches Petersilienöl er⸗ 
kannt. Weiter angestellie Versuch,, wobei mit circa 2 Drachmen 
desselben Oels ganz ähnlich verfahren wurde, gab bei den bösesten 
Pfe rden dasselbe exwünschle Refultat. 
Feuüdkirch, 13. Jan. Heute fnd eine sriedliche Revo— 
—X 
Sechshundert Mann aus der untecen Landschaft zogen nach dem 
Landekhauptorte Vaduz und verlangten vom Landesverweser durch 
Deputitte die Landtagsauflösung und die Zurücknahme des neuen 
Münzgesetes, widrigenfalls sie den Anschluß an Deisterreich anstreben 
würden. Ler Landesverweser versprach, einen Bericht an den Für⸗ 
sten zu entsenden, worauf die Demonsteauten in größter Ordnung 
abzogen. ¶N, ir, Pr.) 
Prag, 11. Jan. Bei der Ankunft Tichernajeffs begab 
sich ein ergößliches Mißverständniß, indem Kapelmeister Suppe, 
det nach Prag kam, um feine Operette „Fatinitza“? zu dirigicen, 
im Wagen fur Tschernajeff angesehen und der Versuch gemacht 
wurde, ihm die Pferde auszuspannen. 
FGalatz, 42. Jan, In Kalafat veruͤbten rungn'sche 
Soldaten an Marketendern und jüdischen Lieferanten ein Raub- 
attenlat, wobei Letztere ffark mitzhandelt wurden. Die Untersuchung 
ist im Zuge. (R. ir. Pr.) 
f Paris, 14. Jan, Gestern fand der erste Opernball statt. 
Dersilde war von 5000 Renschen desucht. Johann Strauß wurden 
türmische Ovationen gebracht. Der Walzer „An dex blouen Donau“ 
nußte dreimal wiederholt werden. Die Einnahme des Bolles de⸗ 
rug 80,000 Francs. N. W. T.) 
(Contra Wagner,) ZKetzten Sonntag ist im Concert 
Pasdelonp zu Parin eine sonst gonz vortreffliche englische Pia⸗ 
aistin, Augusta Holmes, bloß deshalb ausgepfiffen worden, weil 
das Publikum in Erfahrung gebracht hatte, daß sie eine begeisterte 
Berehrerin Richard Wagnex's sei und den Festaufführungen von 
Bayreuth beigewohnt hatte. 
—rbeitseinstellung. Die große Zuckerraffinerie 
in Nantes hat ihre Arbeiten aus Mangel an Rohstoff eingestellt; 
indere Raffinerien haben ihdre Atbeit beschränkt; tausende don 
Zuckerarbeitern ünd ohne Beschäftigung. 
pMailand, 10. Jan. Die in der Nähe von Mailand 
gelegene g oße Seidenspinnerei der Gebrüder Bongcossa ist in der 
Nacht vom 8. zum 9. ds. Mis. gänzlich niedergedrannt. Schaden 
ider eine Million Lire; 750 Arbeiter sind brodlos geworden. Die 
Besitzer sind willens, durch einen provisorischen Nothbau die Arbeit 
zu erwoͤglichen. 
GBibraltar, 9. Jan. Hier hal ein heftiger Orkan 
gewüthet. durch den zatzlreiche Schiffe untergegangen sind. 
London, 13. Jan. In Shessield kam vorgestern die 
erste Sendung von frischem amerikanischem Fleisch an. Ein Meßaet, 
der aus Liverpool 100 Quarter erhalten hatte, stellie das omeri⸗ 
anische neben dem englischen aus und fast alle der vielen Hunderte 
bon Zuschauern stimmien darin überernn, daß jenes das viel besser 
genaͤhrte sei. Es ging reißend ab. 
f Ein groß?s Eisenbahnunglück hat sich d'eser Tage in Jüt« 
land zugetragen. Zum Reinigen der Bahn zwischen Aarhuus und 
horsens von Schneewehen war ein Zug abzelassen, bestehend aus 
nein Schneep lug, zwei Locomotiven und zwei Wagen mit hundert 
Arbeitern. In der Nähe der Siation Hanfted brach unbemerkt die 
duppelung der beiden Locomotiven, so daß sich zwischen denselben 
jn Abstaud von 12218 Faden bildete. Als nun plößzlich der 
Z3 ncepflug mit der ersten Lokomotive im Schnee stechen blieb, fuhr 
ie zweite Locomotive mit voller Dampfkraft gegen sie und über 
ie hiaweg, waährend der Tender sich in die nachsolgenden Perfonen⸗ 
vagen bohrte. 25 Mann, welche im vorderen Coupe faßen, wurden 
urch den Stoß fast alle getödtet oder schwer verletzt, wahrend die 
ibrigen in den eatfernteren Coupes mit leichiteren Verlegungen oder 
zanz heiler Haut davon klamen. 
4 Ueber die Folgen der strengen Kaͤlte, welche in diesem 
Monat in Rußland geherrscht hat, gehen immer neue, betrübende 
aeachtichten aus dem Innern ein. So schreibt man din Birsh. 
es. Fus dem Ardalowschen Kreife der Rishnih:Nowgorodschen 
Bouvernements; „Die harte Kälte, verbunden mit einem heftigen 
Winde, welche in diesem Gouvernement in den letzten Tagen ge⸗ 
jerricht hat, wird wohl allen Bewohnern lange im Gedächtn'ß 
leiben. An versch'edenen Punkten des Kreises und in Ardatow 
eibst sind im Verlauf diefer Tage mehr als 30 Menschen der 
dälie zum Opfer gefullen, die nicht gerechnet, welche, vom Un⸗ 
vetter auf freiem irelde überrascht, noch nicht aufgefunden werden 
onnten und wabrscheinlich eingeschneit sind. In den Dörfern haben 
die Leute stark von der Kälte gelitten, und nur wenige sind von 
den Folgen verschont geblieben. In den Hospitälein der Land⸗ 
chaften ericheinen äglich Leute mit erfrorenen Körpertheilen und 
zitien um ärztliche Hülfe. 
FAdele Spitzeder, die frühere Leiterin der „Da⸗ 
hauet Bunt“, hat die Absicht nach Amerika zu gehen, um in New⸗ 
HYork das große Theater in der 14. Straße zu pachlen, in welchem 
le mit einer deutschen Gesellschaft Vorstellung geben will. Aber 
nicht nur als Directrice und Actrite will sie sich den Amerikanern 
eigen, sodern auch als Märtyrerin, denn sie soll bereits einem 
Theaterschrijtsteller den Auftrag gegeben haben, ein Siöck zu schreiben, 
voria ihr Leben mit einem wahren Glorienschein gezeichnet werden 
nuß. Die Hauptrolle in diesem Stüch, die Adele Spitzeder, wird 
von ihr selber gespielt werden. 
F (Das ameritanische Gebiß,) Ju Buffalo fand vor einiger 
Zeit cine Nationalversammlung von Aerzien statt; dieselbe schildert 
e Zukunft des menschlichen Gebesses in Amerika sehr düster. Dr. 
Daboll bemerkte, daß ein sehr großer Unterschied bestehe zwischen 
dex Beschoffenheit der Zähne aus der Zeit vor 25 Jahren und 
er Gegenwart, und sich die Zähne mehr und mehr verschlechtern. 
Dr. Barett behauptete, daß, wenn nicht die Forischritte in der 
Zahndeilkunde gleichen Schritt h'elten mit der Verschlechterung der 
zähne, urser Volk schon nach wenigen Generationen zahnlos sein 
bürde. Winn die Verschlechterung der Zähne in gleichem Maaße 
ortdaure, wie sie sich bis jetzt gezeigt, so müsse mil der Zeit eine 
denderung in der Gesichtsbildung eintreten und die Lebensdauer 
»ne kürzere werden. Die Herren Zahnaärzte empf⸗ehlen als Mittel 
ür die gehörige Bestockung und Estwicklung der Zähe die An⸗ 
vendung von Hafermehl und geschrolene m Weizen und dergleichen 
als Kindesnahrung, 
Nechtspflege. Ein Restaurateur, welcher gestatiet, daß 
von seiuen Gästen um die Jeche, weiche über daß Maß einer ge⸗ 
voͤhnlichen Zeche hinausgeht, gewürfelt wird, ist nach einem Er⸗ 
nntniß des Oberkribunals vom 15. Dez. 1876 wegen Gestattung 
ines Glücksspiels in seinem Lokal auf Grund des 8 288 des 
Strafgesetzbuches zu bestrafen. 
Dienstesnachrichten. 
Die Lehrstelle für Zeichenunterricht an der Studienanstalt und 
dem Schullehrerseminar in Kaiserslautetn wurde dem Lehramts⸗ 
candidalen Karl Fischer aus Schweinfurt übertragen. 
Iit vie Redacion veraniwortlich: F. X. Derr