St. Ingberter Anzeiger.
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M 101. 9— Sonntag- den 1. Ju1i * 1877.
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Deutsches Reich. I
Berhin, 28. Juni. Die keiden im russischen Haupt⸗
uartier onwesenden Offiziere des deutschen großen Generalstabs be⸗
nichten hierver über die große Truppenzahl, welche die Russen auf⸗
geboten und durch die neuen Zuzüge von Truppen immer noch
ermehrt wird. Die Türken würden selbst dei den größten An⸗
nengungen dem mächtigen Feinde zum Opfer fallen müssen. Vor
allen Dingen wird in dem Berichte lobend hervorgehoben, mit
pelcher Ruͤhe und Sicherheit, ohne jede Ueberstürzung der russische
Beneralstab zu Werle geht; nur die Verproviantirung der Armee
zietet sehr große Schwierigleten dar. Ein neues russisches Armee⸗
rorps, bestehend aus der 1., 2. und 8 Grenadierdivision und der
14. Cavaleriedivision, steht zum Einmarsch in Rumänien bereit
hat ihn vielmehr schon begonnen), ein weiteres Armeccorps soll
demselben auf dem Fuße fsolgee. GEr. 3.)
Aussand.
Wien, 28. Juni. (Abgeordnetenhaus.) Der Miuister⸗
Präfident Fürst Auersperg deantwortete die vom Abg. Hoffer und
Sen. eingebrachte Interpellalion dahin, daß weder eine Anregung
eitens Deutschlande zu einem Schutze und Trutzbündniß mit Oester⸗
reich aubcegangen, noch überhaupt etwas Aehnliches erfolgt sei, und
daß demnach auch eine Ablehnung nicht habe Statt finden können.
Die Regierung sehe auch heute keinen Grund, aus ihrer Neutralität
mn irgend einer Richtung berauszutreten. Auch bis heute seien ihre
Beziehungen zu den auswärtigen Mächten dieselben geblieben, und
zb diege lein Grund vor, die Wehrkraft des Reichs zu mobilisiren.
Sollten indß Ereignisse eintreten, welche eine Verslärkung der
Truppen an den Grenzen det Monarchie als nothwendig erscheinen
lassen würden, so behalte sich die Regierung, nicht im Widerspruch
mit ihrer früheren Erklärung, sondern in deren Ausführung, vor,
auch innerhalh der Grenzen der Neutralität jene Maßregeln zu
treffen, die der Schutz der unmittelbaren Interessen der Monarchie
in deren Grenze erheische. Der Umstand, daß die Regierung diese
Maßregeln bisher als unndthig betrachtet habe und dieselben mit
Berucksichtigung der finanziellen Verhältnisse auch in diesem Augen⸗
zlick noch zu entbehren vermöze, sei eine Bürgschaft dafür, daß sie
dieselben weder vorzeitig, noch in einem größeren Ausmaße ergreifen
werde, als die Nothwendigkeit erfordere: „Nicht mehr und nicht
veniger.“ In diesem Sinne erkläte die Regierung, daß der Kaiser
iich bis jetzt nicht bewogen gesunden habe, militärische Maßregeln
anjuordnen. (Lebhofter Beifall.)
Wien, 28. Juni. Dem ‚Tageblatt“ wird gemeldet: Aus
Bukarest: Die Türken raumen Czernawoda und Medschidje (Dobtud-
scha). — Aus Rustschuk: Nikopolis steht in Fiammen. Der
gestrige Uebergang des Großfürsten Nilolaus ersolate in der Nähe
der Insel Rardin.
Wien, 28. Juüni. Die Politische Correspondenz“ meldeh:
Sämmiliche noch in der Herzegowinag befindlichen regulären türlischen
Truppen, einschließlich der bei Metkovich steheunden, erhielten Ordre,
aach Albanien abzurücken, wohin auch sämmtlichet Proviant aus
den Magazinen von Bie.kovich bis Mostar gebracht wurde. — Die⸗
jelbe Cotrespondenz meldet aus Bukarest von heute: In diesem
Uugenblicke ist das vierte russische Armeecorpß über Volgrad im
cinmarsche nach Rumanien begriffen; auch andere große russische
Truppeanachschübe bewegen sich seit einigen Tagen über Plojesti
nach Slauina und Giurgewo.
Bukarest, 28. Juni. Die „‚Presse! fordert, der Fürst möge
nus eigener Initiatibe die angeklagten Eximinister vor den Kafsations
hof slellen, da die Kammer auseinanderging, ohne einen bezüglichen
Beschluß zu fassen. — Man behauptet, Prinz Napoleon werde ein⸗
rreffen, um am Feldzuge theilzunehmen. (Ist wohl, wenn über⸗
haupt wahr, Prinz Lulu gemeint und nicht sein pulverscheuer Oheim
Prinz Jerome).
Batkacrest, 28. Juni. Ein Telegramm deß Großfürsten
Nicolaus vom 27. d. meldet: Heute, den 27. Juni, dei Tages⸗
minbruch ist das 8. Armeecorps, welchem die 14. Division voraus⸗
zezogen war, bei Simnißa (gegenüber vom Sistowa) über die
Donau gesetzt. Die Schlacht dauert fort. Nilblis, von uns bom⸗
ardirt, dreunt. — Die Trupzen des Generals Zimmermann find
nszesammt bei Galatz über die Donau geganges und halten Ifalt⸗
cha, Tultscha und Hirsowa besetzz. —
Giurgewo, 28. Juni. Nach zuverlässigen Angaben find
zis jetzt drei Divisionen an den bekannten Punkten bei Simnitza
n der Nähe der Infel Wardin, also östlich von Simnißa⸗-Sistowa,
jzber die Donau gegangen. Der Großfürst Nitolaus perjsonliqh
eitete den Uebergang. Der Czar hat sich nach Turnmagurelli
westlich von Simnitza) begeben, man dat dort den nächsten Ueber⸗
jang zu erwarten. Darauf deutet auch bereits das Bombardement
von Nikopoli. .47
Dem Uebergang der Russen bei Simnitza ging in aller Frühe
eine Kanonade längs der ganzen Donaulinie zwischen Turnu⸗
Maqurelli, Flamunda und Simnitza voraus. Bei Flamunda und
Turnu⸗Magurelli, wo der Czar zugegen war, mißlang der Versuch
des Uebergangs; dagegen gelang er bei Simnitza, wo zuerst die 14.
Division in Schiffen übersetzte. Bei Flamunda sollen die Russen
roße Verlufte erlitien habe. — Nachdem nun dieser zweite Ueber⸗
sang der Russen über die Donau gelungen ist, werden sie mit ihrer
Zzauptmacht sowohl von der Dobrudscha wie von Sifiowa her gegen
zas Festungsbiereck vorrücken, während ihr rechter Flügel die Auf-
jabe erhäll, Oemann Pascha in Widdin im Schach zu halten.
Petersburg, 29. Juni. Telegramm des Obercomman⸗
irenden der Südar nee aus Dratsch 23. Jani: Die schwie rige
AJufgabe des Donauubergangs ist vollzogen, Sistowa und die um⸗
ebenden Höhen sind in unseren Händen. Zuerst setzte die Division
es Generals Dragonuroff mit Gebirgsartilletie üͤber. Am 27.
Ibends befanden sich bereiis jenseits der Donau das 8. Corpt und
zie 4. Schüteenbrigade. Jetzt überschreitet die 838. Division den
Strom. 9
Athhen, 29. Juni. Die „Agence Habas“ meldet: Die
riechische Regierung legte auf Ersuchen des russischen Gesandten
93 in Corsu ausgeladene Kisten mit Munition, die für Prevesa
estimmt waren, mit Beschlag.Der turkische Gesandte protestirte
agegen und ertlärte, ein fürlisches Kriegsschiff werde nach Corfu
ehen, um die Munition zu holen. Die griechischen Panzerschiffe
Georg“ und „Olga? erhielten den Befehl, sofort den Piraeus zu
erlassen und sich nach Corfu zu begeben, um die Neuttali at dieses
Zebietes zu vertheidigen.
Wermischtes.
Si. Ingbert, 30. Juni. Gestern Abend wollte Joh.
Pauli von Oberwürzbach die Deichsel eines mit Heu beladenen und
m Wege stehenden Wagens des Leonh. Schnebel von dorten auf
zie Seite drücknn, damit der Großvater des Pauli vorbeifahren
önne, wobei der Wagen des Schnebel, der an einer bergaufwärts
ehenden Stelle stand, in Gang kam und dem 224 Jahre alten
Zoͤhnchen des Schmelzarbeiters Joh. Grill von Oberwürzbach üiber
Zrust und Kopf ging, daß dasselbe augenblicklich odt war.
7 Der 12jahrige Sohn des Viktualienhändlers Brodesser
n Frankenthal hat am 26. Juni den Glährigen Knaben des
Tünchers Rösel, der in den Kanal gefallen war,: unter eigener
debensgefahr aus dem Wasser gezogen.
P'InSchifferstadit zing am 26. Juni früh 11 Uhr die
Mutter von drei Kindern aus dem Hause, um ihrem an der Eisen⸗
zahn arbeitenden Mann das Mittagessen zu bringen. Die drei
dinder waren unterdessen sich selbst überlassen. Gegen /212 Uhr hörte
er Nachbar plötzlich den herzzerreißenden Ruf: „Vaterle, Vaterle,
ilf,“ und kurz darauf lief ein dreijähriges Mädchen çanz in
Flammen eingehüllt, unter Weheklagen auf die Straße, Hilfe juchend.
die Kleider waren schon saumt und sonders verbrannt bis auf die
gindchen des wollenen Hemdes, das noch zugekndpft war. Das
dind hatte trotz rascher Hilfe bereits schwere Braudwunden erlitten
ind stard nach fünfstündiger Qual.
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