zu Wasser und zu Land erfolgen vird. In Giurgewo ist Alles
dazu vorbereitet. Zwischen Gortschakoff und dem Großfürst Ober⸗
lommandanten fanden lebhafte Erörterungen über die Einbeziehung
Serdiens in das militärische Operationsgebiet statt. Eine mächtige
Partel dringt beim Czaren auf Ignorirung des österreichischen
Widerspruchs, Gortschakoff dagegen betont, daß Oesterreichs freund⸗
liche Neutralitat momentan das Wichtigste sei und um jeden Preis
erhalten werden müsse, sowie daß die Menschenopfer, welche bei
der Umgehung der iürkischen Positionen durh Serbien erspar!
werden könnsen, in keinem Verhältniß ständen zu den Nachtheilen
einer feindlichen Haltung Oesterreichs. Gorlschakoff gab seinen
Ausführungen Nachdruck durch Vorlegung von Depeschen Novikows,
der melder, daß Andrassy ihm erklärt habe, Oesterreich werde
unter keinen Umständen die Ausdehnung des Krieges auf Serbien
dulden.
Die russische Militärverwaltung macht alle Anstrengungen, um
den bei der Intendantur entdeckten Mängeln nachzuforschen. Bei
einer unweit der Station Radelnajo an der Odessa-Bahn statt⸗
gefundenen Untersuchung hat sich nach dem „Golos herausgestellt,
daß gegen 120,000 Pfund Heu fehlten; auch bei dem Korn ist ein
bedemendes Manco vorhaͤnden, so daß man den Gesarimtbetrag
auf 200, 000 Rubel beziffert; unten den Zwiebacken follen sich
gleichfalls groͤßere Partien befinden, die gänzlich unbrauchbar sind;
fie find eniweder von Außen angebrunnt, aber inwendig roh oder
jchmußig, oder mit Asche und dergleichen gemischt. Großes Auf⸗
sehen erregt auch das bedeutende Deficit von 194 Mill. bei der
bom Finanzministerium befonders patronisirten Gesellschaft des gegen⸗
seitigen Credits, welche sogar eine Zeit laug den Gouverneur der
Bani, Herrn Zamansty, zum Direktor hatte. Die Untersuchung
ist eingeieitet. Die Gerüchte vom Rücktritte des russischen Finanz⸗
ministers Reuterer erneuern sich. Die Concurse mehren sich in
Rußland in geradezu schreckenerregender Weise.
Vermischtes.
4 Wie der „P. Anz.“ meldet, findet die projeltirie Gewerbe—
und Indnstrie-Ausfiellung in Pirmasens wegen Mansel an
Betheiligung in diesem Jahre nicht statt.
7 Speyer. Die k. Regierung der Pfalz hat dem zwölf—
jährigen Sohn des Händlers Theodor Brode sser in Frankenthal,
welcher am 26. v. M. den sechsjahrigen Knaben Adam Neeser
unter eigener Lebensgefahr aus dem hochangeschwollenen Rheine rettete,
die offemliche Anerkennung ausgesprochen. (Pf. 3.)
FMünchen, 11. Juli. Ein eutsetzlicher Unglücksfall hat
sich heute Morgen 624 Uhr ereignet. An der Heßstraße stürzte das
dem Privatier Joseph Bauer gehörige neu erbaute und bis auf den
nneren Ausbau vollendente Haus Nr. 66. an der freistehenden
Westseite zur Hälfle zusammen, schlug das Kellergewölbe durch und
heßrub unter den Trümmern vier arbeitende Frauenspersonen, wovon
—A einen Mann. Der bedrohlich
niedethängende Dachstuhl, dessen Herabstürzen jeden Angenblick u
befürchten war, hielt anfänglich die Arbeiter zurück, sich der Unglücks
städte zu nahen. Erst nach 9 Uhr wurde er zum Fall gebracht
und stuͤrzte in tausend Stoͤcken zerschellend donnernd nieder. Nan
hegann das Wegräumen der Trümmer, aber erst nah sechsstündiger
strenger Arbeit gelang es — fünf Leichen herauszuziehen. Daß
jeichnsinnige Baufuͤhrurg das große Unalüd herbe sührte, ist außer
Zweifel.
feLandshut, 5. Juli. Auf dem gestrigen Wochenmarkte
dahier hat beim Auszahlen der Berkaufssumme ein Oqse seinem
ihn treuios verlassenden bisherigen Besißer, einem Bauern, eine
Hundertmarknote verzehrt.
f Aus Baden, 8. Juli. Juwel er Goldschmidt von Mann⸗
heim hat an dem Fabrikanten J- C. Wolf in Pforzheim einen
Nachfolger“ bekommen, indem derselbe am 27./28 vor. Mts. nach
ẽntdeckung mehrfacher Betrügereien aus Pforzheim flüchtig gegangen
nb viele Goldwaaren mitgenommen hat. Auf Ansuchen der Pforz
heimer Gerichtsbehötde wurde Wolf aber in Rotterdam, wo er sich
schon etwas zu früh für sicher hielt, festgenommen und behufs der
Erlangung feiner Auslieferung nunmehr das gesetzliche Verfahren
eingeleitet. Die von Wolf mitgenommenen Goldwaaren sollen in
Bremen angehalten jsein.
pSaarbrücken, 11. Juli. Gestern wurden vier Bursche
aus Fischbach bei Dudweiler ins hiesige Justizarresthaus eingeliefert,
welche dir Theilnahme an einer Messeraffaire beschuldigt sind, der
dort'in der Racht vom letzten Montaq auf Dienstag ein Menschen⸗
leben zum Opfer fiel. (Saarbr. Ztig.
f In Frankfurt schlug ein Stallknecht den Affen feines
Prinzipas mit der Reilpeitsche. Dieser verstand die Neckerei unrecht,
riß sich von seiner Ketle los, sprang seinem Quäler auf den Kopf
und zerkrahzte ihn derartig, daß die Wunden nicht unbedenklich sind;
gleichzeitig biß er ihm in den Arm, wodurch eine solche Verletzung
nent, daß die Aufnahme ins Hospital erfolgen mußte.
f Die groke Eisenfirma C. F. Buderus in Neuwied ha
fich gerdthigt gesehen, ihre Zahlungen zu suspendiren. Die Firme
nahm eine sehr bedeutende Stellung ein, sie war Besitzerin großer
düttenwerke und unterhielt ausgedehnte Beziehungen, denen ent.
pprechend die jezige Zahlungsstockung auch ziemlich weite Kreise in
Pritleidenschafi zieht. Als betheiligt werden vornehme Kolner Häuser
und Institute bezeichnet, ferner die Mitteldeutsche Creditbank zu Mei⸗
ningen. Die insolvente Firma hat bei ihren Gläubigern ein
Moratorium nachgesucht. Es finden gegenwärtig unter den Gläubigern
Verhandlungen statt, von deren Ausfall es abhängt, ob dat
Moratorium bewilligt wird oder nicht. (Fr. J.)
— Ein einzelner Lehrerverein, der zu Kafssel, hat sich kürzlich
die Müte nicht verdrießen lassen, eine Tabelle zusammenzustellen
nus der die Gehalter der Volksschullehrer in den haupisuchl chsen
zeutschen Städten ersichtlich sind. Die größten Städte, wie Berlin
und Hamburg, zahlen die höchsten Besoldungen, verlangen aber auch
dem entsprechend die besten Leistungen. In Berlin steigt das Gehait
hon 2235 bis 3240 M., in Hamburg beginnt der junge Lehrer
nit 2250 M., das Maximum, welches er erreichen kann, ist leider
nicht angegeben. Franlfurt a. M. zahlt 2150 bis 3500 M., dat
Maͤrximum ist in 20 Dienstjahren erreicht, und die Peusionsver,
zältnisse sind besonders günstig. Die sächsfischen Städte Leipig
und Chemnitz zablen 1650 bie 8000 M., Bremen 1500 bis
2700, Mainz 1828 bis 2814, Freiburg 1946 bis 2776, München
1927 bis 2593 Mark, außerdem baierische Staatszulage von 94
his 564 M. Verhältnißmäßig am schlechtesten scheinen die Lehre
in einzelnen rheinischen Industriestädten zu stehen. So ist z. B
in der Tabelle für Duisburg ein Minimum von 1200 und ein
Maximum von 2400 M. angegeben. Die ländlichen Gemeinden
ind nicht berücksichtigt, wäre das geschehen, so würden sich noch
veit groͤßere Differenzen ergeben haben. Die schlechten Landschul
bter Gehalter gelten übrigens nicht allein für die armen Gegenden
der östlichen Provinzen Preußens. Wie wir aus einer der jungften
Berhandlungen des Gothaischen Landtags ersehen, betragen in dem
leineswegs unbemittelten Herzogthum die Besoldungen der Volksschulb—
—E
ind 1050 M. und steigen nach 51 Dienstjahren auf 1030
1260 und 1650 M., Wohnung inbegriffen.
p Seltene Ehrlichkeit. Vor etwa acht Tagen trat i⸗
Themuitz in ein Bankgeschäft eine dem Bürgerstande angehoͤrige
Frau und theilte mit, daß sie den Wunsch hätte, ein früheres Un—
recht gut zu machen, sie habe naämlich dvor 16 Jahren in diesem
Heschaͤfte Slaatspapiere verlauft und, nachdem sie die in Dukaten
rhaltene Summe zu Hause nochmals nachgezählt, gefunden, daß
ije zwei Stücke zu viel erhalten habe; seiner Zeit wäre ihr dieser
Belrag sehr zu Statten gekommen, da sie gerade in Geldverleger⸗
heit, heute wäre sie nun jedoch in der Lage, ihr damaliges Unrecht
wieder gut zu machen. Als ihr hierauf erwidert vurde, daß sie ihr
Geld kuhig wieder mitnehmen solle, da fie im entgegengesetzten Falle
auch nichts herauserhalten hätte, wurde die Frau ganz aufgereg
und bestand nun darauf, daß sogar auf den Betrag der 2 Ducaten
Aso auf 19 M., die Zensen und Zinseszinsen zugerechnet würden
Um die Frau zu deruh'gen, wurde ihr endlich der Wille githan;
ie bezahlte für die 2 Dukaten über 40 M., welcher Betrag vom
Thef des Hauses einer armen Familie zugewandt wurde. Die
Frau aber derleß nunmehr beruhigt das Comptoir.
f Berlin, 10. Juli. In einigen Monaten wird hier tir
wissenschaftlich geleitetes Institut zur Unsersuchung von Nahrungs
miteln auf Fälschung einger'chtet.
Hamburg, 9. Juli. EEine Thomas⸗Kiste in Hamburg.
Zu den unnatürlichen Verbrechen, welche sich neuerdings hier und
anderen großen Städten in erschreckender Weise häufen, isl nur
zei uns auch eine Art Thomas Affaire gekommen, deren Zusammen⸗
zang und Moltive bis zur Stunde noch in ein geheimnißvollet
Duutel gehüllt find. Die uns durch eingezogene Eckundigung be·
annten Details sind allerdings unheimlich und traurig genug, um
— Uhr
and die Frau des Todlengräbers Windwehen auf dem St. Jalobi⸗
dirchhof eine kleine, in Zeilungẽpapier gehüllte Kiste, die von un⸗
hetannter Hand dort hingestellt sein mußte. Vermuthend, daß es
sich hier um den nicht seitenen Fall der Aussetzung eines früh ge⸗
hornen Kindes handle, beordete sie das Dienstmaädchen, die Kiste
nach dem Garlen zu tragen. Bei ihrer Zurückkunst meldete daß
Madchen ihrer Madame, daß auf der Kiste etwas geschrieben stände, wo⸗
rauf Frau Windwehen sich nach dem Garten verfügte. Auf die
diste war ein Zettel geklebt, folgende Juschrift enthaltend: „Lieber
dari! Bei meiner Durchreise übersende ich Dir eine kleine Ueber—
raschung. Brief folgt nach. Dein Heinrich.“ Frau W. rief ihren
2öjährigen Sohn Karl Florenz hinzu, der die Kiste in das Treib⸗
haus nahm, um sie dort zu offaen. Die Kiste war mit einem Tau
irruzweise zusanmengebunden, durch den Deckel und dar linke
Sellenbtett waren zwei große Nägel geschlagen. Der junge Mann,
ichtz Bofes ahnend, loͤsie das Tau von der Kiste, als plotzlich ein—