Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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Ter St. Jugberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblati. (Sonntags mit illustrirter Veie 
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8 139. Donnerstag, den 6. Septenber J . ꝓꝛ 1877. 
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Deutsches Reich. 
Mänchen, 1. Sept. Se. Maj. der König hat genehmigt, 
daß der vom protestant'schen Oberkonsistoriun vorbereitete Eutwurf 
einer Verordnung über Taufe, Konfirmation und kirchliche Trauung 
oie über Führung der Kirchenbücher, der bevorstehenden protestan⸗ 
zuischen Generalsynode in Ausbach in Vorlage gebraͤcht werde. 
Berlin; 1. Sept. Von Seiten der Reichsregierung ist die 
trenge Revision der Maße, Waagen und Gewichte, wie sie in 
Preußen bei den Gewerbetreibenden gehandhabt wird, auch den 
äbrigen Bundesstaaten wiederholt angerathen worden und es hat 
die Vornahme der Revesionen namentlich in den Kleinstaaten zu 
den überraschendsten Resultaten in unerfreulichstem Sinne geführt! 
Die strengste Anwendung der Strafbdestimmungen wird, wie man 
hofft, bald den hervorgetretenen Uebelständen für die Zukunft vor⸗ 
eugen. 
Berin, 3. Sept. Tas vom Reichskanzleramt angewie⸗ 
sene Paufchquantum der Fahrgeldentschädigung der deutschen Privat 
hbahnen, für dꝛe Falherten der Reichstagsabgeordneten in der dritten 
Legislaturperiode vom 14. Februar bis 121. Mai d. J. beträgt 
66,000 M. und ist nach der früher getreffenen Vereinbarung fest⸗ 
zesetzt, nach welcher für den ersten Monat 80,000 M. und für 
jeden angefangenen halben Monat 9000 M. berechnet werden. 
Die 38 betheiligten Privatbahnen vertheilen den Betrag nach 
Berhäliniß der bei ihnen durchfahrenen Kilometerzahl, zu deren Fest⸗ 
stellung jede Benutzung einer Abgeordnetenkarte voin Zugpersonale 
tapportirt werden muß. 
Aus Beilin, 2. Sept., wird der „K. Z3.“ geschrieben: 
Der Telegroph hat uns heute von Neuem bezeugt, daß der Sedan— 
ag nuumehr in ganz Deutschland, zumal in allen seinen königlichen 
ind fürstlichen Hauprstädten, als Nationalfest gefeiert werd — in 
München eben so gut we in Karlsruhe ec. Der allgemeineren Be⸗ 
heiligung aller Siände des Volks, die heute herdorgehoben wird, 
ist wornl auch der Umstand zu Gute gekommen, daß daß Fest dies⸗ 
nal auf einen Sonn'ag fälle. Die Flagge, welche den Berlinern 
die Aswesenheit des Kaisers in seinem Palais verkündet, weht 
heute nicht uber den Linden, seine kaiserlichen Berufspflichten haben 
ihn in die west ichen Reichetheile geführt. Deß das deutsche Fest 
horwaltend ein Fest des Friedens ist und nun immer mehr als 
solches auch äußrlich sich ausgestaltet, bemerlt heute u. A. auch 
die „Nordd. Allg. Ztg.“: „Wir jeiern,“ sagt sie, „unsere Errun—⸗ 
genschaften und daaken der Vorsehung für das solide Gedeihen des 
Deutschen Reiches, welches undekümmert um Neider und unverstän⸗— 
dige Thoren ruhig auf der Bahn der Freiheit und der Ausbildung seiner 
Institulionen fortschreitet, sind aber fern von Groll und Scheelsucht gegen 
den Nachbar, dem wir im Interesse der Civil sation und der allgemeinen 
Wohlfahrt das Beste wunsen, wenn wir auch aus bekannten 
Gründen fort auernd gezwungen sind, die Ereignisse jenseit der 
Vogesen mit gespaunler Aufmerlsamkeit zu verfolgen. Möge es 
der französischen Nation gelingen, von dem ulttamontanen Joche 
sich zu befreien und für fich jene Form des staatlchen Daseins zu 
finden, welche de Parteien zu versöhnen und uur mit dem Gedanken 
an die innere Entwicklung zu erfüllen geeignet ist; ek wäre das 
mit die beste Bürgschast sür den dauernden Frieden mit Deutschland 
und muß der innige Wunsch jedes Menschenfreundes sein.“ 
Ausland. 
Paris, 1. Sept. Der „Francais“ schreibt: „Durch das 
Preßgesetz von 1849 ist es verboten, Berichte über den Proceß 
Gamdetta zu veröffentlichen.“ 
Paris, 2. Sept. Die „Agence Havas? meldet: Der Tag 
der Wahlen füt die Kammer ist auf den 14. Oktober festgefetzt. 
Das betreffende Dekret wird am 20. d. M. erscheinin. 
Paris, 4. Sept. Der Tod Thiers' erfolgte gestern Abend 
um 6 Uhr 10 Min. durch einen Schlaganfall, nachdem er Morgens 
aoch in destem Wohlsein spazieren gegangen war und sich mit 
seiner Umgebung über die bevorstehenden Wahlen lebhaft unterhalten 
. RF 23 I 1411 
hatle. Nach dem Frühstück irat ein sich fortwährend steigerndes 
Inwohlsein ein. —F 
Die Wiener „Presse“ meldet aus Sistowa vom 3. d.: Rus⸗ 
ische Cavalerie (Vorhut der bei Korabia über die Donau gegangenen 
umänischen Truppen) nahm gestern bei Gornje Dabnik einen tür⸗ 
ischen Provianttransport von 80 Wagen. Die rumänischen Trup⸗ 
jen bilden den äußersten rechten Flügel der russischen Aufstellung; 
ieselben haben die Bestimmung, die Verbindung von Plewna gegen 
Westen und Südwesten abzuschneiden (woraus hervorgeht, daß es 
»en Russen, troß aller gegentheiligen Behaupungen, bisher doch 
ioch nicht geluugen war, Osmann Pascha's Verbindung mit Sophia 
ꝛbzuschneiden). — Geuneral Depp, welcher die befestiglen Stellungen 
»on Tirnowa bis zum Schipka⸗Paß besichtigt hat, meldet, daß alle 
Punkte mit Proviant sowie Munition reichlich versehen, und daß 
Tirnowa und der Schipka-Paß vor einem directen türkischen Au⸗ 
griffe gefichert seien. J ne 
Bukarest, 3. Sepki. Vor einigen Tagen trafen sämmtliche 
»eim Großfürsten Nikolaus akkreditirter fremden Offiziere hier ein, 
im sich für die bevorstehende Winterkampagne auszurüsten. Die— 
elben sind gestern nach Gornii Studen zurückgekehrt. Man schließt 
daraus auf emen bewegten Wintecfeldzug. 
Nach einem amtlichen Telegramm aus dem russischen Haupti⸗ 
quartier hätten die Generäle Imeretinsky und Stobeleff am 8. 
September Lowatsch erstürmt. Genauere Angaben fehlen. 9 
Sistowa, 2. Sept. Wie erst heute bekannt wird, haben der 
hier im Lazareth liegende Major Villaume und Graf Wedell, die 
heiden deutschen Generalstabsoffiziere im russuchen Hauptquartier von 
Zornit Studen am 18. August, als dem Tage von Gravelotte, 
vom Großfürsten den Wladimir Orden erhalten, eine hohe Aus⸗ 
eichnung, die mit Rücksicht auf die Wahl des Tages ganz beson⸗ 
deres Aufsehen erriglt. 
Konstantinopel, 83. Sept. Die Pforte notificirte deu 
Mächten, daß sie, wenn Serbien wieder losschlage, dasseibe bei'm 
Friedensschluß nicht so behandeln werde wie im letzten Jahre. 
. (A. 3). 
Konstantinopel, 3. Sept. Die türkischen Truppen 
zaben jetzt auch Suchum-Kale verlassen und gleichzeitig 3000 Be⸗ 
vohner des Kaukasus, welche auswandern, nach der Türkei über⸗ 
zesührt. Suchum⸗Kale war det einzige Punkt, den die Türken 
noch au der Küste von Abchasien festüehalten hatten, bis es mög⸗ 
lich war, auch ihre letzten Truppen einzuschiffen. 
Vermisqtes. 
F St. Ingbert, 4. Sept. Wir haben in der letzten 
stummer unseres Blattes eine gedrängte Darstellung des Verlaufes 
der hiesigen Sedanfeier gegeben. Nachtraglich ist uns eine aus— 
ührtichere Besprechung derselben zugekommen, wir wollen sie in 
tücksiht darauf, daß diefes Fest in diesem Jahre, gigenüber den 
Vorjahren, in größerem Umfange gefeiert wurde, unseren Lesern 
nicht vorenthalten. 
Am Vorabende verkündeten gegen 7 Uhr über die Siadt 
hin donnernde Böllerschüsse den Beginn des Festes. Kurz nach 8 
Ahr vewegte sich unter den rauschenden Klängen der hiesigen Berg— 
apelle von dem Vereinslokale des Kriegervereines aus ein impo⸗ 
janter Fackelzug durch die Sttaßen der Stadt nach dem Kirchhof 
an die Gräber der Gefallenen. Dort gedäachte der Vorstand bes 
seriegerveteins Hert Fisscher mit wenigen, aber ergreifenden Worten 
den auf dem Felde der Ehre gefall nen und dort ruhenden Kriegern, 
owie der barmherzigen Schwestern, die ihrem edlen Beruse, der 
pPflege det Berwundeten, zum Opfer gefallen waren. Nahdem der 
Musilverein ein altdeutsches Grublied von Silcher gesanzen und 
die Musik einen Trauerchotal intonirt halte, begab sich der Zug 
zurück nach dem Bierleller von Grewenig, woselbsi die Theilnehmer 
—A— 
Der eigentliche Festtag des 2. September wurde mit Tagre⸗ 
veille und Bölletschießen, das den ganzen Tag über fortdauerle.