St. Ingberler Anzeiger.
——
— —— —
—ü—üü———————
der St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal wöchentlich) mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaliungsblatt, Sonntags mit illustrirter Bei⸗
lage), erscheint wöchentlich viermal: Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abounementspreis beträgt. vierteljahrlich
1 Mark 20 R.⸗Pfg. Anzeigen werden mit 10 Pfg., von Auswärts mit 15 Pfg. fur die viergespaltene Zeile Blattschrift oder deren Raum. Reclgen en
mit 30 Pfg. pro Zeile berechnet.
M 3. Sonuntag, den 7. Januar * 1877.
—
Deutsches Reich.
Muünchen, 5. Jan. In der gestern hier stattgebabten
Versammlung der liberalen Partei rechtfertigte Frhr. v. Siauffen-
bderg in zweistündiger Rede seine Abstimmung für die Justizgesete
und schloß mit den Wotten: „Richt Indemnität erbitte ich, sondern
ch stehe vor Ihnen im Gefühl treuer Pflichterfüllung.“ (Enthusia-
rischer Zuruf; schließlich dreimaliges stürmisches Hoch auf den Can ·
didaten) Unter einstimmiger Anerkennung feiner bisherigen Man⸗
datsausübung trennte sich die Versammlung.
NReunkirchen, 4. Jan. Die neueste Nummer der „Saar—⸗
u. Blies«Ztg. enthält Folgendes: V
Dffenes Schteiben an den Landgerichtsrath Hr. Dr. Carl Schmidt
in Colmar.
Sie haben mir am vorigen Sonntag kurz vor dem Zusammen—
tritt der h'er stattgehabten ulttramontauen Parteibersammtung die
Aufforderung zugehen lJassen, derselben beizuwohnen, obwohl sie von
nir selbst erfahren haben, deß ich zu derselben Zeit in O tweiler
hor meinen Wählern sprechen würde. Ih es Ihneu in der That
darum zu thun, die gegen mich geschleuderten Verleumdungen Auge
Auge mir gegenüber zu vertheidigen, wanen Sie es wirklich.
Ihre auf Schwächung der nationalen Wehrkraft gerichteten Ab⸗
sichten mit Ihrer angeblichen Treue gegen Kaiser und Reich in
Finllang zu fetzen, so fordere ich Sie hiermit auf, in der am
Sonntag, den 7. Januar, um 83 Uht in Standernheim statifindenden
Wählerversam⸗ Jung zu erscheinen, von deren Einberufung ich Ihnen
beteils vor mehe als acht Tagen Keuntniß gegeben hatte.
Neuntirchen, den 8. Januar 1877.
C. Stumm.
Berlin, 4. Jan. Die Beslimmungen der Gewerbeordnuug
aber Wanderlager und Wonderauttionen sind schon seit langer Zeit
der Punkt, aus den die Gewerbetre beuden ihre Angriffe richten.
Eine große Anzahl Petitionen, die während der letzten Session
beim Reichstage eingelaufen, fuchten die schwere Schädigung nachzu⸗
weifen, de aus jenen Abarten eines soliden Gewerbebetriebs ent⸗
dehen müßten, und wurden denn aurch nah einer sehr eingehenden
Debalte dem Reschskanzler mit dem Ersuchen überwiesen, bei der
Revision der Gewerbeordnung auch diesen Punkt berücksichtigen zu
wollen. Wie wir hören, ist man im Reichskanzleramte wohl ge⸗
neigt, den Wünschen der Petenten entgegen zu kommen, doch nur
nsoweit dies geschehen kann, ohne die Freiheit des Gewerbelriebs
zu beeinträcht gen. Es werd bei Regelung der Angelegenheit die
Frage iun Beltacht kommen, ob die bestehenden Steuergeseße den
Anforderungen einer ausreichenden und gleichmäßigen Besteuerung
des Hausitgewerbes entsprechen. Wann mag jedoch im Reichskanzler—
amt zu einer wirklichen Rebision der Bewerbeordnung schteiten wird,;
äßt sich heute noch gar nicht absehen. Die nach harten und schweren
aͤmpfen zu Stande gekom nene Gewerbeordnung ist noch zu kurze
Zeit in Geltung, als daß man den gewagten Vetsuch, der für jetzt
doch nur auf 'ein Erperiment ohne sichern Erfoig hinauslaufen
wütde, unt rnehmen dürfte, auf's Geradewohl Aenderungen zu
beschließen.
Wie der „Koln. Zig.“ aus Berlin geschrieben wird, hätte der
russische Kaiser dem deutschen Feldmarschall von Manteuffel den An⸗
trag gemacht, den Oberbefehl des russischen Heeres in der Türkei
——
abgewiesen haben, haͤtte aber in Berlin die Etfahrung machen müssen,
daß die Gunst, in der er bei Hofe stebt, nicht so weit gehe, um
ihm ohne Weitenes eine solche kleine Extratour zu gestatten, die in
zanz Europa viel, von sich reden machen würde. Vielmehrr sei ihm
bedeutet wotden, es stände ja bei ihm, den ehreuvollen Antrag des
saisers von Rußland anzunehmen. doch müsse er in diesem Fall
aus dei Verbaad der deutschen Armee und auch aus vem preus—⸗
ischen Unterthaneuverbande scheiden. Diese Antwort, welche man
icherlich als eine cotrecte bezeichnen mußte, soll. auch allen denjenigen
Offizieren ertheilt worden sein, die sich nach det Mözligkeit erkundigten,
russische Dienste unter Manteuffel anzunehmen.
nAussand.
Wien, 3. Jan. Fur morgen wird d'e Auflösung der Con⸗
erenz erwartet. Die türkischen Vorschläge sind: okligatorische Er⸗
jennung eines christlichen Gouverneurs für Bulgarien, nicht obli⸗
atorisch für Bossnien! keinerlei militärische Occupation; Erlaubniß
des Waffentragens für Muselmanner und Christen, die Drina als
ßrenze Serbiens, aber Schleifung aller serbischen Festungen und
driegsentschädigung; Vergrößerung Montenegro's und Einräumung
»es Hafens von Spizza an diesselbe, aber als Vafallenstagt der
Pforte. Der Großvezier schloß den Ministertath mit der Erklärung;
rx ziehe einen Krieg eirem Aufstande der Mohammedaner vor.
Wien, 4. Jan. Privatlberichte aus Konstantinopel melden,
daß Ignatieff und Salisbury einen gemeinsamen Schritt deim Sul⸗
an geihan haden, um den Sturz Midhat Pascha's herbeizuföhren.
Der Sultan entgegnete: Die Absetzung des Großveziers ist leicht,
die Beseitigung Midhat Paschas ist unmöglich!“ Man glaubt
dayer eine ungünstige Entscheidung der heutigen Konferenz⸗ Sitzung
vorhersehen zu müssen. —77
Wien, 4. Jan. Die russische Yacht „Erikli“ ist hier ein⸗
getcoffer, um. Ignatieff für den Fall der Abreise zur Disposition
zu stehen. I
Pest, 4. Jan. Fur den Fall einer Mobilisirung wurden
deben die Kommandeure der einzelnen Militärbezirke-mit geheimen,
drentirenden Spezial-Instruktionen versehen. Man schließt, daraus,
daß eine theilweife Mobilisirung der österreichisch ungarischen Armee
ür den Fall des Kriezsausbruchs zwischen Pforte und Rußland
in Aussicht genommen' sei, da, für die allgemeing Mobilmachung
bereits lange vorbereitete General⸗Noxrmen bestehen, die nicht erst
yersendet zu werden brauchen.
London, 4. Jan. Die meisten Morgenhblätter bezweifeln
ine friedti ve Lösung der orientalischen Frage. „Timesspricht
»ie Ansicht aus, daß die Hoffnung auf Frieden nicht aufgegeben
u werden hrauche, selbst wenn die Konferenz ohne Ergebniß aus—
inandergehe; die Pforte würde in d'iesem Falle, eben den Frieden
heuerer erkaufen müssen, als jetzt. .*
Londionz 5. Jan. Renter's Bureau meldet aus Konstan⸗
inopel vom heutigen: In dver gestrigen Conferenzsitzung verlas
zavfet Pascha eine Denkschrift, worin die Gegenyorschläge der
Zforte begründet wurden. Die Forderungen der Conferenze Bevoll⸗
nächt gien, sagte er, verletzen die Integrikät und Unahhängigkeit
ver Türkei, insbesondere die verlangte Einsetzung christlicher Gou⸗
zerneure in den aufständischen Provinzen. Die vächste Sitzung, ist
m Montag.
Rustsschuk, 4. Jan. Man hat hier Kunde von neuen
Umtrieben bulgarischer Agitatsons ⸗Komitees, welche die Prokla⸗
nirung des russischen Großfürsten Nikolaus zum König von Bul—
jarien füt den Augenblick vorbereiten, in welchem die russische
Urmee balgarischen Boden betriti.
Vermischte.
Den Bemühungen des Herrn Bürgermeisters Schul ß von
derrheinm ist es gelungen, die aus etwa 170 Morgen des
esten Ackerlandes bestehenden ehemaligen Pfartgütet gegen unerheb⸗
iche Bergütung von der, Eigenthümerin Madame Bourdeau in
Straßburg für die Gemeinde zum Geschenk zu erhalten. Außerdem
vill Madame Bourdeau noch ein großes Krankenhaus in Herxheim
rrichten, zu welchen bereits ein Theil des Grund urd Bodens
ingekauft und mit den Erdarbeiten bereis begonnen ist. Das
drankenhaus soll nach den Ableben der Eigenthümerin an die Ge⸗
neinde Heixheim übergehen.
4In Speier ist ein Kind in Folge Genusses von grün⸗
emaltem Confect schwer erkrankt. —
7 Passau, 31. Dez. Vorgestern wurde dahier der Schlosser⸗
geselle Math. Sintecz aus Ungarn als Verausgeber von falfchen