Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler AAnzeiger. 
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M 155. Donnerstaa, den A. Oktober 1877. 
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Deutsches Reich. 
Augsburg, L1. Oki. Die „Allgem. Zeitung“ schreibt: 
Prinz Arnulf von Bayern hatte den König gebeten, sich zwecks 
miltaͤrischer Studien ins russische Hauptquartier begeben zu dürfen. 
Derselbe hat vorgester die allerhöchste Genehmigung hierzu erhalten, 
nachdem die Zustimmung des Kaisers von Rußland erfolgt war. 
Prinz Arnulf wird von seinem Adjufanten, dem Premierlieutenant 
Lesuire, begleitet sin. 
Maänchen, 2. Okt. Prinz Arnulf von Bahern reist heute 
Abend üb⸗r Wien in das rufsische Haupftquartier. 
Muünchen. In dem Budget für die 14. Finanzperiode 
sind folgende Beträge für Bauten an Erziehungs und Bildungs— 
anstalten der Pfalz vorgesehen: 23,000 Mark für Erdauffüllungen 
und Substructionen an de: Einfriedungsmauern des Gymnastums 
in Kaiserslautern, für Einrichtung der Gasbeleuchtung in mehreren 
Lehrräumlichkeiten duselbst ꝛc.;, 12,600 Mark für den Umbau der 
Ablritte des Schullehrerseminars in Ka'serslautern, für Einlegung 
der Stadtmauern zur Freslegung des Gebäudes, für Neubedachung 
des Schlafdaues ꝛc.; 18,900 Mark für Erwerbung des Gebäudes, 
in welchem die Präpatandenschule in Blieskastel dermalen mieth 
weise untergebracht ist und für Herstellung einet Turnhälle daselbst. 
— Für kechliche Bauten in der Pfalz sind in das Budsget ein— 
gesetzi zur Unterstühung mittelloier kalholischer und protsiaatischer 
GBemeinden für jedes Jahr 10,800 M., im Gaunzen also 21,600 M. 
Das Staatsmimsterium der Justiz beabsichtigt auch im Lauft 
der 14. Fenauzperiode mit der Umwandlung von Assessorstellen bei 
den Bezirksgerichten in Rathsstellen nach dem Maße der durch Weg—⸗ 
fall von Beamten höderer Altersklassen verfügbaren Mittel fortzu 
fahren. Da sich jedoch nach der Natur der Verhältnisse hiebei 
nur eine geringere Zahl von Umwandlungen erreichen taßt, so 
wurde, um dee in soschet Weise eingeleitete Maßregel im Laufe der 
14. Finanzperiode ihrer Vollendung möglichst nahe zu bringen 
nach dem Vorgange bei den Berathungen des Budgets der 14. 
Finanzperiode zum Zwecke der Umwandlang weiterer Assessoren— 
stellen in Rathésstellen der gleiche außerorden liche Bettag von 6800 
M. per Jahr dem Budgetentwurf einverleibt. Bis zum Schluffe 
der 13. Finanzperiode werden 50 von den vorhandenen Assessoren⸗ 
stellen eingezogen sein. 
Berlin, 1. Okt. Am 53. Nobember wird die Kommission 
zusammentreten, die den Eutwurf, über Maßregeln gegen die Ver— 
fälschung der Nahrungsmittel beräth; zu gleicher Zeit soll noch eine 
zweite Kommission gebildet werden, welche fich urter Ansehnung 
an den zu jener Zeil vorhandenen Entwurf mit Abfassung eines 
Normaistatuis füc die Budung städtischer Gefundheitsämter in Ver 
bindung imn t Versuchsstationen zu beschästigen haben wird. — Das 
Scheitern des deuisch österreichischen Handelsvertrages kann so gut 
als gewiß angesehen werden: die in Wien geführten Verhandlangen 
ocziehen sich nun lediglich noch auf die Aufstellung provisorischer 
Bestimmungen. — Nach einer neuen Version hätte die Reichsstem 
pelsteuerkommission folgende fünf Steuern in Vorschlag gebracht: 
eine Steuer auf Lotterteloose, eine auf Spielkarten, eine Börsensteuer, 
welche den Grundzügen nach der im letzten Reichstag eingebrachten 
entspricht, eine Steuer auf gewisse Urkunden und eine Steuer aui 
Quittungen. 
Die Reichs-Maaß- und Gewichts⸗Ordnung 
von 1868 joll wieder abgeändert werden. Man will zunächst die 
deutschen Giößenbeze chnungen wie Scheffel, Schoppen, Centner, 
Pfund, Loth u. j. w. beseirigen. Sodann sollen die mit dem 
Decimal Maaß nicht übereinstimmenden Maaß- und Gewichtsgrößen, 
vie Einachtel, Einbeertel, ein halber Centner, ein halbes Pfund u. s. w. 
von der Aichung und vom Verkehr ausgeschlossen werden. Endlich 
joll außer den bisherigen Regressen Maßnahmen noch eine amtliche 
Berificalion der Aichung nach einer bestimmten Frist eitgeführt — 
werden. Zuvorderst haben aber die Landesbehorden das Bedürfnißk Vermischtes. 
dieser Abänderungen jür den Verkehr zu prüfen. F Zweibrücken, 1. Oct. Der Beginn des pfälzischen 
Beim ReisbsaAesundheitsamte sind mehrere Peti⸗Schwurgerichts für das letzie Vierleljaht 1877 ist auf Montag 
lionen eingelroffen, in welchen die Nothwendigkeit dargeleat wird 
in jeder größeren Stadt, oder wenigstens in der Hauptstadt eines 
kreises eine Stelle zu errichten, welche die chemische Untersuchung 
der eingesandten angeblich verfälschten Lebensmittel zu übernehmen 
jat. Diese Stelle brauchte, um den Kommunen keine Ausgaben 
zu verursachen, gar nicht fest dotirt zu werden; vie!mehr konnten 
die duich Untersuchung erwachsenen Kosten entweder durch den Auf—⸗ 
sraggeber oder von dem verurtheilten Fälscher oder Verkäufer gedeckt 
werden. Die Namen der Letzteren müßten bei wiederholtem Rück⸗ 
falle seitens der Behörden in den Tagesblättern veröffentlicht werden. 
NAusland. 
Paris, 2. Okt. Das republikanische Wahlkomite für die 
Kandidatur Grevy's im neunten Arrondissement von Paris unker 
dem Vocsitz Gambelta's hat ein Schreiben veröffentlicht, in welchem 
s das Vertrauen und die Sympathie der ripublikanischen Partei 
ür Grevy ausspricht und ihn formell als denjenigen bezeichnet, der 
vürdig sei, den Rang und die Stelle Thiers' an der Spitze der 
ranzösischen Demokratie und die Führung der Maiorität der 3683 
u üdernehmen, 
Petersgburg, 27. Sept. Ueber die Slellung 
Deutschiands zu Rußland und unter den übrigen Mächten enthält 
der „Golos“ folgende Hauptmomente: 
„Weder Oeßerreich noch Frankreich“, führt das russische Blatt 
zus, „sind im Stande, dem überwiegenden Einfluß des deutschen 
Reichs auf die internationalen Beziehungen zu widerstehen. Deuisch⸗ 
and erfreut sich der größten nationalen Einheit, verfügt über die 
zrößte Streitmacht, zählt an der Spetze seiner Regierung den weit⸗ 
eheudsten in seinen Unternehmungen glücklichsten Staatsmaun. Als 
de einzige Macht, die demnächst im Stande war, in — * 
Bolink selbstständig zu ver'ahren und Deutschland das Gegengew'cht 
u halten, wurde Rußland angesehen. Aber wie immer Rußland 
rus dem Kriege hervorgehe, sagen die Poumker, es wird immerhin 
)urch den Krieg geschwächt sein, und Veutschland dann als der 
vebieter in aller Politik allein nachbleiben. Dieser Gedanke ist 
8, der die politischen Köpfe in Esgland beschäftigt, und obgleich 
derselbe Frankreich am unangenehmsien ist, so ist dieses Land doch 
von der äußtzeren Politk durch die Fragen seiner inneren zurück⸗ 
jehalten. England fürchtet die sich immer fester knüpfende Freund⸗ 
chaft zwischen Deutschland und Rußland, die eine Folge des Ge⸗ 
»ahrens Englands in der Orien!politik ist, deren friedliche Lösung 
Englands Eigensinn allein verhinderte. Politiker, die weiter sehen, 
als die Turtophilen, begreifen, daß Rußland im Vereine mit 
Deutichland auch nach dem Kriege keine geringe Macht sein wird, 
chon durch die im Kriege gewo nene politische und militärische Er⸗ 
ahrung. England erkennt, daß es einem russisch deuischen Bündniß 
eine Koalition gegenüber zu stellen hat. Oesterreich müßte zu 
demselben stehen, weil es in den Ungarn eine Stütze zu finden 
aicht hoffen kann. Italien ist in seinem Verhältniß zum päpstlichen 
Stuhl gleichfalls auf Deu:schland verwiesen und Frankceich wird, 
nur mit England im Bunde, nichts gegen Europa unternehmen, 
äch auch erinnern wollen, daß England seine Bundesgenossen leicht 
aufgiebt. Diese Gedanken find es, die England bdeschäftigen, wo 
das Streben, die erste Rolle in Europa zu spielen, mit dem Tory-⸗ 
Pinifterium sehr viel stärker geworden ist. Darum bemüdt sich die 
englesche Presse, und nicht nur die turkophile, einen Schatten auf 
das Verhältniß Deutschlands zu Rußland zu werfen. 
Das russische Blatt „Noroja Vremia“ hat es richt'g heraus— 
gebracht, daß Fürst Bismarck ein Theilungsprojekt 
mit nach Salzburg brachte, und zwar sollten sich Oesterreich und 
RXußland in die Türkei theilen. Da aber die Nürabetger auch 
keinen hängen, sie hätten ihn denn zuvor, so mußte von dem 
Plaue voriäufig abgeaangen werden.