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M —160. Samstag, den 13. Oktober 1877.
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Deutsches Reich.
München, 9. Ott. Die libetale Fraktion der Kammer
hat an den Vorstand der Gegenpartei eine Zuschrift gerichtet, in
velcher sie denselben ersucht, den Austritt Ratz nget's aus der
daummet zu peranlassen, da derselhe durch das Urtheil zweier Ge—
richtshöfe dis Vieincides dringend verdächtig sei.
Münchena, 10. Olt. Die Interpellat'on, welche Abg. Dr.
„. Schauß in der morgigen Kammersitzung an den Finanzminister
tichten wicd, hat in der Hauptsuche den Zweck, zu erfahren, wie
s mit den Vorarbeiten zur Reform der Steuergesetze steht, welche
windernifse in dieser Beziehung obwalten und od die Regierung
die Absicht hat, hinsichtlich der Steuergesez-Reform dem dermaligen
dandtag eine Vorlage zu mahen.
München, 11. Okt. (Abgeordnetenkammer.) Auf die
Anfrage von Schauß wegen der Struergesetzreform aniwortete der
Finanzminister: Die Einleitungen zur Renderung der Steuergesetze
zeiche zurück bis in den Sommer 1874; die Staatsregierung konnie
ich aber hitrüber nicht einigen. Es sollte ein neuer Gesehentwurf
ausgearbeitet werden; da statist sche Erhebungen hierfür in um—
jassender Weise vorzunehmen waren, konnten die Rentämter dieselben
uicht vor dem August 1877 für das Jahr 1876 vornehmen. Die
Arbeiten wurden ununterbrochen fortgeseßt, konnten aber bis jetzt
nicht beendigt werden. Anderswo ersorderte die Erwägung der
Steuerreform ein Decenium, so in Württemberg, in Sachsen. Auch
Oesterreich erhlelt seine Steuergesetz- Vorlage im Jahr 1868, und
naoch ist ihr Ende unbetannt. Bayerns Regicrung muß ihr Augen⸗
merk auch auf die Steuerreform n anderen Läudern richten, muß
auch mit bestimmien Vorgängen in der Gesetzgebung des Deutsehen
Reiches rechnen, wo die Steuerreform als brennende Frage auf der
Tagesordnung steht. Bayern kann eine einjeitige Steuerreform
zegenwättiz gar nicht beginnen, sondern muß sorgsam die Vorgänge
mn der deuischen Gesetzgebung beachten. Auch kann die Regierung
aicht giauben, daß eine derartige Vorlage zugleich mit dem Budget
umgenommen würde, im Gezentheil würde das Jahre lang dauern.
Die Durchführung der Steuerreform schon für 1878 wäre unmöglich.
Die Resierung erachtet es übrigens ais ihre dringende Obliegenheit,
)en Abschluß der dazu gehörigen statistischen Arbeiten nach Möglich—
eit zu sördern.
Munchen. Der Prakt kant im Ministerium des Aeußeren,
durt Frhe. v. d. Pfordten, wurde zum Legat!onssecretär bei der
naherischen Gesandtschaft in Berlin ernannt. (A. Z.)
Berlin, 10. Ott. De Dfferenzen zwischen dem Fürsten
Bismarck und dem Handelsminister follen in einer Sonntag Nach—
nittag stattgefundenen Besprechung beigelegt worden jein. In dem
Bestande des Ministeriums tritt voridufig keine Aenderung ein.
die Meldungen von erneuten Friktionen zwischen dem Reichskanzler
ind dem Gensral Stosch werden als grundlos bezeichnet.
Dresden, 8. Okt. Die trüsen Verhälmisse, unter deuen
nun schon so lanc Haundel und Gewerbe allgemein zu leiden haben,
gachen sich auch im Königreich Sachsen bemerklich. Die sächsischen
Staatsbahaen haben im vorigen Jahre 4 Millionen, die Forsten
WMillionen weniger Reinertrag geliefert, auch die Emnahmen
uus den fi calischen Kohlen und Er,bergwerken sind hinter de. Er—
eartungen zurückzeblieben, die Enkommensteuer hat ebenfalls nicht
den gehofflen Erttag gedracht, und zu alledem sind die Reichs—
aatricalarbeilräge um mehrere Hunderttausende gestiegen. In Folge
essen macht sich auch in Sachsen für die Finanzper:ode 1878/79
ine Erhöhung der direkten Steuern nötlbig. U. 3.)
Die Zahl der socialdenokrat'schen 3 eitungen in Deutsch⸗
and hat sich mit dem 1. Ottober d. J. um 11 dermehrt.
Ausland.
Wien, 10. Olt. Telegramme des „N. W. Tagbl.“ Aus
harna: Hobart Pascha hat Befehl erhalten, die Doncumündung zu
orciren und die daselbst befindlichen Verkehrshindecnisse zu beseiti⸗
en. — Aus Belgrad: Serdien hat sich verpflichtet, 40,000 Kom⸗
zattanten zu slellen. Die Hauptkraäfte sollen gegen Nisch dirigirt
werden. Die Grenibrigaden sind bereits abmarschirt, die Belgrader
grigade geht am 15. d. nach Alexinatz ab. Dem Vernehmen nach
oll Achmed Ejub Pascha die Truppen in Altserbien, Mehemed
Uli Pascha die Truppen bei Nisch kommandiren. — Eine hier ein⸗
zegangene Note der Pforte verlangt Aufklärung über die Rüstungen
ind die Verhandlungen Serbiens mit Rußland und Numänien,
owie über die Anwesjenheit des russischen Konsuls. Wenn die Aus⸗
unit der serbischen Regierung nicht befriedigend sei, werde dtie
Zforte zur Wahrung ihrer Suzeränetätsrechte einen Spezialkom⸗
nissir nach Belgrad senden. Die Pforte bereitet dem Vernehmen
nach auch eine Beschwerdenote an die Mächte vor, weil Rußland
ich benühe, Secbien und Griechenland in die Altion zu ver⸗
vickIn.
Das „Neue Wiener Tageblatt“ bestätigt abermals, daß die
Berhandlungen zwischen Oesterreich und Deutschland bezüglich Er⸗
neuerung des Handelsvertrages zu keinem Resuliate führen werden.
xs entsteht dadurch, fährt dasselbe fort, eine Siluation , welche die
Schaffung eines Probisoriums nothwendig macht. Ein Uebergangs⸗
tadium ist nöthig, da beispielsweise die Beziehungen, die sich aus
»em App eeturversahren entwickelten, nicht mit einem Schlage zer⸗
issen werden können. Man hat daher die Vorlage eines Gesetz⸗
nuwurfs an den österreichischen Reichsrath und den ungarischen
Neichstag in Ausficht genommen, in welchem ein einjähriges Provi⸗
orium festgestellt werden soll, um den Uebergang zu erleichtern.
Man hofft dadurch auch die Ausgleichsverhandlungen selbst wesentlich
ereiafachen zu können, da die zollpolitischen Fragen nunmehr nichi
u so hefligen Reibungen führen dürften.
Ganz im Gegensatz hierzu, und sicherlich ohne Vegründung
ementert der „Hon“ die Nachrichten von einer neuerdings einge⸗
cetenen Stockung der Zollverhandlangen mit Deutschland und fügt
inzu, daß sämmiliche Zollfätze durchberathen seien und daß die
eutschen Delegirten einige Zollsätze ad reforendum genommen
jätten. Hasselbach werde sich in dieser Angelegenheit am 9. nach
ßerlin begeben. Die Frage hdinsichtlich des Appretur-Verfahrens
st dem, Hou“ zufolge erledigt. Schwierigkeiten biele nicht der Zoll
iuf Leder, sondern der Zoll auf Wein, welchen die deutschen Dele⸗
zirten nicht zu einem Satze des Vertrages machen wollen. Finanz⸗
ösle kommen Deulschland degenüber gar nicht zur Geltung. Die
zollsäßze haben den schußzöllnerischen Charakter ganz abgestreift,
o daß die geplanien und die bereits angenommenen Zollsätze gün⸗
tiger erscheinen, als die in der englischen Zusutzkonvention enthal⸗
enen; sie seien kaum höher, als jene in der Condention von 1869.
Die Sache stede weder schlecht, noch bedenklich, wenn keine ungün⸗
tige Wendung eintrele. Daß solche von den koutrahirenden Par⸗
eien jetzt nicht befücchtet werde, beweise schon der Umstand, daß
dumand von einem Provisorium spreche. Nur einige Blaͤtter
tzten solche Nachrichten in Umlauf.
Wie Fürst Bismarck zu seinen Kohlfeldern, so geht Graf An⸗
rassy auf seine heimischen Stoppeln, uͤm der Jagd zu pflegen.
Ddie hohe oder hoseste Politid hat demnach ihre Herbstpause ange⸗
reten und auf dem Kriegsthealer kann die Kanbae zunächst ihr
Bort weiter reden, — wenn es der Himmel, d. i. Wind und
Better, erla bt. Aus Wien wird gemeldet: Graf Andrassy soll
deute einen längeren Urlaub antreten. Er begibt sich, wenn nichts
de onderes da wischen kommt, auf seine Güter in Ungarn und be—
bbsichtigt eist im nächsten Monat noch Wien zurückzukehren. Nur
janz unvorhergesehene Ereignisse sollen nach dem bisher geltenden
Beschlusse im Stande sein, unseren Minister des Actußeren vor
nehreren Wochen von seinen Gütern wegzulocen.
Paris, 9. Olt. In der Versammlung im Cirque de
chateau d'Eau hielt heute Gambetta eine anderhalbstündige Rede
or 7000 Zuhsrern und unter ungeheurem Beifall. Die größte
Irdnung herrschte dabei. Gambelta sagle u. A Thiers' Begräb⸗
nig sei eine Manifestation des allgemeinen Stimmrechts gewesen,
velches durch die Regierung gefährdet werde. Er lobt Thiers und
Brépy; er selbst sei nur ein Diener der Demekratie, V hona⸗