St. Ingberker Anzeiger.
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M 176. Samstaga- den 10. November 1877.
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Deutsches Reich.
Mänchen, 2. November. Seowohl bei den früheren
Schießversuchen mit dem „Mauserkarabiner“ als bei dem jetzt statt⸗
sindenden Belehrungsschießen mit dem „Mausergewehr“, welches
zald die ganze hiesige Garnison (1. Division) in Händen hat, ist
man mit den erreichten Resultaten äußerst zuftieden. Gegenüber
den Klagen im Norden über viele Versager klommen bei uns äußerst
wenig vor. Doch ist zu bemerlen, daß die im hiesigen königlichen
Laboratorium gearbeitete Munition sehr sorgfältig fabticirt vurde,
was, wie es scheint, im Norden bei Privatlieferungen in großer
Masse nicht leicht mönlich war. Bis Neujahr er nartet man mehr⸗
jache Personalveränderungen in den höheren Chargen der Generale
and Regiments⸗Kommandeuce, vielleicht steht auch eine zeitgemäße
Regeneration des Sanitäls-Corps in Aussicht. Bei der eunergischen
HZaltung des Kriegsministers, welcher persönlich den Manövern bei⸗
wohnt und stets im Kontakte mit der Armee bleibt, darf man
ohnedies nur der eingehendsten Beachtung für die Schlagfertigkeit
des Heeres sicher sein.
Ueber das Referat des Abgeordneten Hauck („Patriot“) den
Berwallungsger'chtshof betr, meldet die „Augsb. Postztg.“ aus
sicherer Quelle:
Das Referat nimmt den VerwaltungsGerichtshof an, jedoch
Anter der Voraussetzung einer gründlichen Reorganisation der ze⸗
ammten bayerischen Verwaltung. Minderung der Stellen, so der
reisregierungen auf de Hälfte, der Bezirksämter um ein ganz er⸗
hebliches Daß, Minderung des Personals von den Bejzirksamts⸗
ichreibern bis hinauf zu den Räthen des Ministeriums des Innern
und des Kultus auf 2 Drittheile des jetzigen Standes. Dafür,
zaß der Verwaltungsgerichtshof nur zugleich mit der Reorzanisation
der Verwaltung eingeführt werden könne und nicht für sich allein,
it besondere Vorsorge getroffen ...
Nach den Wünschen Hauck's sollen die Kreisregierungen im
rechtsrheinischen Bahern auf drei reducirt werden: 1. Oberbayern
und Schwaben mit dem Sitze in München; 2. Niederbahern und
Oberpfalz mit dem Sitze in Regensburg; 8. die drei Franken mit
dem Sitze in Würzburg oder Ansbach. Die Bezirksamter sollen
aim 25—30 vermindert und jedes Bezirksant mit einem Vorstande
und nur einem Nebenbeamten besetzt werden. Außerdem beantragt
Dauck die Aushebung des Sltaatscaths, welcher durch den Verwal⸗
ungsgerichtshof überflüssig werde.
NAusland.
Versailles, 7. Nov. In der heute zusammengetretenen
geugewählten Deputirtenkammer übernahm der Depatirte Desseaux
den Vorsitz, indem er darauf hinwies, daß ihm in Folge der Un—⸗
zäßlichkeit von Raspail und des Todes von Thiers die Ehre des
Alterspräsidenten zu Teeil werde. Derselbe zollte sodann dem
Andenken von Thiers ehrende Worte, indem er hervorhob, daß
erselbe sich um das Vaterland verdient gemacht habe (lebhafter
Zeifall), betheuerte, daß die gegenwärtige Kammer gleich ihrer Vor⸗
zängerin an der Befestigung der Republik zu arbeiten beflissen sein
uind dieselbe gegen jeden Angriff, woher er auch lomme, veitheidigen
verde und schloß mit dem Rufe: „Es lebe die Republik! Es lebe
»er Friede!“ (Lebhafter Beifall. Die Kamner ging hierauf zur
Wahl des provisorischen Bureaus über und wählte mit 290 gegen
170 Stimmzetiel, die unbeschrieben abgegeben wurden, Greyy zum
rovisorischen Präsidenten. -Die erste Sitzung des Senats ver⸗
ief ohne erhebliches Interesse.
Eine Anzahl vornehmer Türken hat an den englischen Bot⸗
chaflter Layard eine für England sehr sympathische Adiesse
zerichtet, welche unter Anderm folgende Sätze enthält:
Indem man die Ottomanen alzb Barbaren brandmarkte, siellte
nan sich auf die Seite ihrer Feinde und trat die Rechte der Hohen
Zforte mit Füßen. Es waren diese Vorgänge um so verdaßter
ür die Oltomanen, als die Grundsätze ihrer Religion und ihres natio⸗
nalen Charakters sich geaen die harbarischen Handlungen sträuben,
welche ihnen zur Last gelegt werden. Denn bei uns gilt der Satz:
„Das Schwert darf denjenigen nicht beruhren, der um Vergebung
zittet.“ Die vielen Engländer, wilche durch ihren Aufenthalt im
dande unfere Sitten und Gebräuche studirt haben, werden dafür
Zeugniß ableger. Wenn dagegen in England eine Partei mit Herrn
Bladstone an der Spitze ex stirt, welche der Tarkei feindlich gesinnt
stt, so hat die große Masse der englischen Nation doch and ihren
Meinungen fesigehalten und sich durch die trügerischen Umtriebe
nicht täuschen lassen. Auch haben seindem die Thatfachen klar ge⸗
macht, daß die niederträchtigen Anklagen gegen die Ottomanen
zrundlos waren.
Noch immer erregen die türkische Grausamkeiten
die lebhafteste Aufmerlsamkeit der Mächte. Brieflichen Nachrichten
ius Konstantinopel entnehmen wir, daß die europäische Diplomalie
jegen die brutale Art, in der die Hinrichtung von Bulgaren auf
ꝛen belebtesten Plätzen der Hauptstadt vorgenommen wird, Einsprache
rhoben hat. Insbesondere soll Priaz Reuß harte Worte gebraucht haben
iber diese Methode der Exekutionen, die nur zu bezwecken scheint, den Fa⸗
atsmus dermuselmännischen Bevölkerung von Neuem aufzustacheln..
ks ist nicht bekannt, ob diese Reklamationen irgend welchen Erfoig hatten
Vohl aber wird mitgetheilt, daß auf Befehl der Pforte die Hin⸗
ichtung von Bulgaren in Philippopel eingeftellt und mehreren ein⸗
zekerlerten Bulgaren die Freiheit geschenkt worden ist. . *
Der ruffisch⸗türkische Krieg.
Europadischer Kriegsschauplaßz. Vor Plewna
nichts Neues. Die Nachrichten aus dem russischen und rumänischen
dauptquartier lauten fortgesetzt günstig. Der Geist der Truppen,
»ie gestern und vorgestern vom Fürsten Karl inspizirt wurden, ist
in ausgezeichneter. Die Hoffnung, daß die Entscheidung unmittei⸗
ar bevorstehe, läßt sie, wie es in einer Depesche des Fürsten an
eine Gemahlin heißt, alle Entbehrungen und Strapazen leicht er—
ragen. — Türkische Soldaten, die sich, durch Hunger getrieben,
jefangen nehmen ließen, sagen aus, daß Pioviant und Munition
eine acht Tage mehr reichen werden (). Mehrere Redonen follen
interminirt seit. Da man steis auf einen Versuch Osman's, die
Lernirungslinie zu durchbrechen, gefaßt sein muß, ist der Dienst der
Belagerungs⸗Armee ein ungemein anflrengender,
Kaiser Alex nder beritt am 4. d. di⸗ russischen Positionen
enseits des Widflusses; der Empfang des Kaisers durch die Truppen
var ein enthusiastischer. Teteben wurde am 31. Oktober durch den
Flügeladiutanten Oberst Oclow genommen. Der Sturm iostete
den Russen nur 1 Todten, 4 Verwundetle und 14 Kontusionirte.
ẽ s wurde nur eine die Stellung beherrschende Redoute genommen,
die übrigen wurden von den Türken ohne Kampf geräumt. Die
Türken flohen auf den Gebirgspfaden nach Karlowo und Orkhanie.
Zie zählten 600 Mann reqgulärer Infanterie, 150 Mann regulärer
davallerie und verloren 100 Mann an Todten. Ihre Verwundeten
ührten sie auf 100 Wagen mit sich.
Aus Schumla wird von türkischer Quelle gemeldet: Due Türken
unternahmen am Sonnabend von Stareka aus gegen Bebrowa eine
stelognoszirung und zwangen die Russen zum Rüchzuge auf Elena.
— Wie gerüchtweise verlautet, sollen die Kussen Phrgos geräumt
jaben. — Es wird nun klar, warum die Russen von Plewna aus
o weit in den letzten Tagen ausgeschwärmt sind, waram sie sich in
vestlicher Richtung dem Balkan genäheri haben. Von Orkhanie,
ꝛer Position, die der mehrmals geschlagene Scheftet Pascha noch
ält, ist Sofia etwa acht Meilen entfernt. Von Ak-Palanka nach
Zofia zählt man etwa fünfzehn Meilen. Das Norrücken eines
erbischen Korps auf der Straße von Al Palanka gegen Sofia be⸗
roht die Vertheidiger von Orkhanie und des betreffenden Balkan⸗
leberganges mit einem Angriffe im Rucken. Die Russen rechnen
unmehr mit Sicherheit auf die serbische Diversion, sie haben ihre
zewegungen darnach eingerichtet, sie erwarten mit Ungeduld die
dachricht, daß die Serbien sich aus ihren Grenzgebirgen gegen Al⸗
Balanka herausgewunden baben und dann wird lener Sspk ue