Full text: St. Ingberter Anzeiger

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4 180. — Samstaa— den 17. November *, 1877. 
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Deutsches Reich. 
München, 14. Nov. Der Petitionzausschuß hat mit 
ilen klerikalen hegen die liberalen Stimmen die Petition des 
zayerisshen Volksschullehrer ⸗Vereins um Revisioan des Schuldotations⸗ 
zesetzes nicht geeignet für eine Erörterung im Plenum erklärt. 
seferent war der Abg. Merkle. 
München. Nachdem die Bemühungen der liberalen Kammer⸗ 
raltion, den Frhrn. v. Stauffenberg der Kammer zu erhalten, 
jergeblich geblieben sind, hat sie eine Adresse an denselben gerichtet, 
porin das Bedauern über seinen Austritt kundgegeben, der Dank 
ür die von ihm bisher der liberalen Sache geleisteten Dienste aus 
zjesprochen und zugleich die Hoffnung kundgegeben wird, daß er 
pater wieder eintreten werde. Der Aufenthalt des Frhrnu. v. 
Stauffenberg in Berlin ist vorerst auf ein Jahr festgesetzt. 
München, 14. Nop. Die Schülerzahl der in Bayern 
estehenden 40 Realschulen im Jahr 1877,78 beträat 7685, gegen⸗ 
iber der Zahl am Schluß des Vorjahres um 3018 mehr, wobei 
noch zu bemerken ist, daß die an die Stelle der seitherigen Gewerbe⸗ 
chulen getretenen Realschulen im Schaljahr 1877/78 vorerst nur 
ünf Curse haben und eist im folgenden Jahre zu sechsklassigen 
Schulen erweitert werden lönnen, und daß die Schüler der an 
inzelnen Anstalten für das jetzige Schuljahr noch best henden Vor⸗ 
rurse in die obige Zahl nicht miteingerechnet sind. 
Berlin, 13. Nov. Wie von wohlunterrichter Seite ver⸗ 
autet, beabsichtigt die Reichsregierung mit befonderer Zustimmung 
es Herrn Camphausen, die Erhebung bedeutender Retorsionszölle 
‚egen Oesterreich, die Wiedereinbringung des Retorsionsgesetzes im 
seichstage und die Erhöhung des Weinzolls von 8 auf 0 M. 
Ddiese letztere Maßregel soll jedoch nur vorläufiz gegen Oesterreich 
mgewandt werden. Zu gleicher Zeit wird in Regierungskreisen die 
Frag: der Erhebuug eines Getreide- und Vieh oll 3 lebhaft diskutiet, 
»och ist man noch nicht über die ersten Pouparlers hinausgekommen. 
jest steht nur das eise, daß bis 1. Januar 1878 sowohl das 
zollkartell als auch die zollfreie Leinenausfuhr aus Oeslerreich 
ufhört. 
Berlin, 14. Nov. Der im Reichs⸗-Justizamte ausgearbeitete 
ẽentwurf einer Gerichts Gebühren-Ordnung für das Deutsche Reich 
st nunmehr soweit fertig gestellt, daß in den nächsten Tagen der— 
elbe den Bundesregierungen zur Kenntnißnahme und zur Infor—⸗ 
mirunz ihrer Vertreter im Bundesrathe zugehen wird. 
Wie man hört, stimmten in der Reichsstempelsteuer-Kommission 
ür die in Vors hlag gebrachten Reichsstempelsteuern die Kommissare 
zon Preußen, Bayern, Hessen und Hamburg, während die Kom— 
nissare von Baden, Württemberg und Sachsen die Minderheit bil⸗ 
etlen. Als bemerkenswerih mag erwähnt werden, daß ein süd— 
euischer Kommissar während der Kommissionsberhandlungen erklärt 
aben soll, es sei wohl besser, vorhandene Einnahmequellen des 
deichs ergiebiger zu machen, als neue zu eröffnen. Beispielsweise 
scheine die Tabakssteuer und der Kaff ezoll einer Ethöhung fähig; 
ei der Tabakssteuet lönne eine Mehreinnahme von 22 bis 24 
Millionen M. herbeigeführt werden, und ferner würde die Erhöhung 
es Kaffezolles von 17 M. 5 Pf. auf 21M., neben entsprechender 
krhöhung des Theezolles, sowie die Wiedereinführnug des Zolles 
on 1M. 5 Pf. für Mineralbdle der Reichskasse eine Mehreinnahme 
on 15 Millionen Mark ohne neuen Aufwand zuführen. Die Reichs- 
ommission war nicht in det Lage, auf die von diesem Kommissar 
ngeregte Frage näher einzugehen, weil sie nicht das gesamente 
seichs Finanzwesen zu erörtern, sondern nur zu p üfen hatte, od 
ud in welchem Umfange d'ie Einführupg einer Reichs-Stempel⸗ 
ad Erbschaftssteuer sich prinzipiell empsehle. Was die positiven 
horschläge der Reichs-Stempel neuer-Konmission anlangt, so sind 
ie Vota des Bundesraths hierüher abzuwarten. Die meisten Vor— 
chläge bleiben vermuthlich unberücksichtigt; auch ist wohl die 
Schätzung der finanziellen Ergebnisse der vorgeschlagenen Stempel⸗ 
Abgaben eine ziemlich willkürliche. Wenigstens gingen, wie man 
örf, über diesen Vunkl die Ansichtsen in der Kommission weit qus- 
Reinander. Während beispielsweise ein Kommissar die Erlöse aus 
dem Spielkartenstempel auf 22/3 Millionen Mark schätzte, reduzirte 
ein anderer die Erlöse auf 2 Millionen. Noch augenfälliger ist 
die Verschiedenheit der Schätzung der Wechselprotesi-⸗Erlöse; der 
Angabe, es we de aus den Protesten eine halbe Million zu er⸗ 
zielen sein, steht die andere gegenüber, wonach auf eine Einnahme 
hon 2 Millionen zu rechnen sei. 
NAussland. 
Die von der „Montags-Revue“ aufgezählten Bedingungen, 
velche Rußland angeblich siellen wolle, wenn die Friedensfrage 
nuf die Tagesordnung kommen sollte, als: Abtretung des Paschaliks 
»on Erzerum, Vergrößerung Serbiens, Räumung der buigarischen 
restungen ?tc., werden, wie aus Wien berichtet wird, selbst in rus— 
schen und russenfreundlichen Kreisen desavouirt. So große Trauben 
rscheinen selbst diesen doch zu hoch zu hängen und deshalb sehr 
auer zu sein. — Von anderer Seite wird versichert, daß nach 
tzieltem Erfolge bei Plewna der Czar direkt sich an erster Stelle 
in seine zwei kaiserlichen Verbündeten wenden und seiner Geneigt— 
seit, einen Frieden schluß zu ermöglichen, klaren Ausdruck geben 
verde. Die „gut Informirten“ wollen wissen, daß Alexander der 
zweite eine „Mäßigkeit“ bekunden werde, die Jedermann in Er— 
taunen setzen werde. Auch Graf Schuwalow soll in den letzten 
Tagen neuerlich V.ranlossung genommen haben, den Grafen Derby 
»ezüglich Armeniens durch Versicherungen zu beruhigen, daß Ruß— 
and nicht d'e Absicht habe, in Asien eine Hallung anzunchmen, 
velche Besorgnisse wegen der englischen asiatischen Interessen ein⸗ 
lößen könnte, — dagegen sucht man in den Blättern, welche rus⸗ 
sischen Informationen zugänglich sind, fortgesetzt darauf vorzubereiten, 
daß die Freiheit der Dardanellen und des Bosporus eine Haupi⸗ 
fraze bei den Friedensverhandlungen bilden werde. 
Die „Pairie“ will über die handelspolitische Stellung Frank⸗— 
reichs zu Deutschland, welche in Folge der Krisis, in die die deutsch⸗ 
zsterreichsschen wirthschaftlichen Beziehungen gerathen sind, dem nächst 
in den Vordergrund der Tagesfragen lreten muß, folgende Einzei— 
heiten erfahren haben, die, wenn wahr, uns auch einen Zollkrieg 
mit Frankteich in Aussicht stellen, da die Wünsche Fraukreichs den 
Absichten des Fürsten Bismarck, soweit solche bis jetzt bekannt sind, 
»iametral entgegenlaufen: „Frankreich verlangt egenseitigkeit der 
Zölle oder eine entsprechende Herabsetzung des Tarifs, den es gegen⸗ 
wärtig für zu hoch normirt erachtet. Es verlangt, daß die deulschen 
und elsäßischelothringischen Weine, welche letzteren nach dem Tarif 
»on 30 Centimes pro Hettoliter in bedeutenden Quantität in den 
Grenzdepartements Absatz fiuden, höheren Zollen unterliegen odet 
daß die Zölle für französische Weine nach Deutschland erheblich 
jerahgesetzt werden. Es muß bemerkt werden, daß Deutschland sich 
chon zweimal zu einer namhaften Redultion dieser Zolle verstanden 
Jat; sie wurden von 60 Francz im Jahre 1868 auf 45 und im 
Jahre 1866 auf 20 Francs herabgesetzt. Da ElsaßLolhringen 
ind die wenigen sonstigen Weingegenden Deuischlands für eine Be 
»ölkerung von 45 Millionen Ein nohnern im Durdhschaitt nur 
1,800,000 Helioriter Wein jährlich erzeugen, während Frankreich 
»einahe 60 Millionen hervorbringt, so sollite man meinen, daß 
unsere Weine, die in Deutschland sehr geschätzt sind, der Bevölkerung 
ju mäßigeren Preisen dargeboten uud daß die Weinzölle ohne allzü 
zroßen Schaden für die einheimischen Produzenten von 24 auf 8 
»der 10 Fraucs pro Hektol ter herabgesetzt werden könnten, wo— 
gegen Fraukreich die mit jedem Jahre zunehmende Einfuhr deutscher 
und elsaßlothringischer Biere begünstigen könnte.“ 
—A 
Gorlschakoff's inspirirter Artikel einer hiesigen Zeitung erklärh, daß 
die Enthaltsamkeitsworte des Kaisers Alixauder (daß er keine Er— 
oberungen wolle) vor dem Krieg nur gesprochen worden seien, um 
anderen Mächten den Wunsch gach Frieden nahezulegen. Ra ch 
»em Krieg und dessen Opfern werde Rußland nicht mehr gebunden 
sein. Trotz Enaland und allem werde es beim Friedensschluß uu—