Full text: St. Ingberter Anzeiger

Stb. Ingberler Anzeiger. 
— — 
—B3ò? 
Ler St. Ingberter Anzeiger und das (2 mal woͤchentlich) mit dem Haupiblatte verbundene Unterhaltungksblatt. (Sonntagt mit illustrixter Vei⸗ 
lage). erscheint woͤchentlich viermalz Dienstag⸗ Donneréetag, Samstag and Sounntag. Der Abonne ment svreis beträgt vierteljahrlich 
Marl 20 R.⸗Pfg. Anzeigen werden mit 10 vfa., von Auswärts mit 15 Pfg. fur die viergespaltene Zeile Blattschrist oder derer Rac. Neclamen 
mit 30 Pfg. pro Zeile berechnet. 
— — 
M 195. Donnerstag, den 138. Dezeuber U —— 1877. 
— — * 
— 
— — — 
Deutsches Reich. 
München, 11. Dec. Der Monister v. Piretzschner brachte 
in heutiger Sitzung der Abgeordneieukammer einen Geietzentwurf 
betreffend die Erweiterung des Eisenbahnnetzes nebst Motiven ein 
und flellte den Antrag, den Entwurf einem Ausschusse zu überweisen. 
Ausland. 
Die „Köln. Zig.“ schreibt: Dem Vernehmen nach hat der 
Marschall Mac Mahon, als er Herrn Dufanre die btannten drei 
Ministerien verweigerte, eiuen besonderen Nachdruck daraaf gelegt, 
daß er das Vertrauem der europäischen Regierungen genieße und 
daß er den Republikanern nicht gestauten konne, die günstigen Ge⸗ 
sinnunzen, welche die Kabinete süt das mac⸗· mahonische Frankre ch 
hegten, durch ihre Werkzeuge in Gefahr zu bringen. Uns ist keint 
Thatsache dekannt, welche auf eine beso dere Zuneigung der euro⸗ 
paischen Regerungen zu dem augenbl clichen P. asidenten der Republik 
Frankreich schl'eßen ließe; und wenn wir uns gerade jetzt in der 
oͤffentlichen Meinung Europas umsehen, so müssen wir belennen, 
daß uns nie eine so eiustimmige Veruriheilung vorgekommen ist, 
wie die, welche das Verfagren Mac Mahons gegen die französüche 
Tandesvertreiung erfährt. Es hat dieses Veefahren nicht blos j den 
Blauben an seine siaatsmänische Befähigung zu Nichte gemacht, 
sondern geradezu den Ruf seiner Rechischaffenheit unheilbar ge⸗ 
chädigt.“ 
Wenn es wahr ist, daß die sogenannten Konstitutionellen im 
sranzösischen Senat, das „rechte Zentrum“, dem belanntlich auch 
der nach Dufaute mit der Neubildung des Kabinets beauftragte 
Batbie angehört, eher auf den Rücktritt Mac Mahons eingehen, 
als eine zweite Auflösung der Deputirtenkammer bew lligen wollen, 
und wenn, was glerchfalls als sicher gilt, Dufaure einen adermaligen 
Fabinerdildungsversuch ablehnt, dann stehi der französische Staats⸗ 
chef jetzt in der That zwisch n dem Rücktrutt und dem Staaisstreich. 
Es siellt sich jetzt heraus, daß mit Dufuure ein unredliches 
Spiel in Scene geseßzt wurde, als Mac Mahon ihm die Reu⸗ 
bildung des Kabinets aufttug. Man gab sich im Eiysee der Hoff · 
nung bin, die Linle werde sith durch dieses Manöver zur Bewil⸗ 
igung des Budgeis stimmen iassen. Als sich diese Hoffnung als 
cel erwies, rückte der Marschall mit der bekannten Bedingung 
hderaus, die Ministerien des Krieges, der Marine und des Aeußern 
nach eigenem Gusdünken besetzen zu du:fen, damit dieselben der 
parlamentarisch n Strömung entrückt blieben. Hierauf konnte 
iich Dufaure, dem Mac Mahon freie Hand zu lassen erklärt hate, 
Jalüctich nicht einlassen. Dannt war denn der Schwindel zu Eude. 
Paris,“10. Dez. Nach einer Mittheilung des 
Temps“ wurde der Senatspräsident Herzog v. Audiffret⸗ 
hasquier, als er bei der ihm heute Mittag vom Marschall- 
Prasidenten ertheilten Audienz kaum einige Worte gesprochen 
hatte, von letterem mit den Worten unterbrochen: „Es 
—IILVO Senatspräsident über diesen Gegenstand 
noch ein Wort zu verlieren, mein Entschluß ist gefaßt, das 
Ministerium ist gebildet, ich will weder Transaktion noch 
Versoöhnung, ich gehe bis an's Ende.“ Der Herzog von 
Audiffret ⸗ Pasquier habe sehr bewegt darauf geantwortet: 
Herr Marschall, ich beklage tief die Worte, welche Sie 
eben gesprochen haben. Ich war Namens meiner Freunde, 
ich köͤnnte sagen im Namen des Senats zu Ihnen gesandt 
worden; um Sie zum letzten Male zu beschworen, dem 
dande die Leiden zu ersparen, womit es bedroht ist. Ich 
gehe, verzweifelt zu sehen, daß diese Mahnung nicht Gehör 
findet und ich schaudere ob der —XI— 
lelt, mit der Sie Sich belasten.“ 
Die Wiener „Ptesse“ meldet aus Sistowa vom 9.: ‚Gestecn 
raf eln Patlameniär von Osman Pascha mit einem Schreiben an 
den Großfürsten Nilolaus ein. Letzterer erdffnete das Schreiben 
nicht, sondern wies den Parlamentär an den mominell · n Comman⸗ 
eur der Belagerungsarmee, Fuürsten Kail von Rumänien. — In 
der vergungenen Woche marschirten über die vier Donaudrücken 
36 000 Mann nach Bulgarien, außerdem wurden 20 Mill. Pa⸗ 
ronen über dieselben transportirt. 
Die Agence Havas“ meldet: Osman Pascha hat sich ergeben; 
Plewna ist im Bentz der rusfijch rumänischen Armee. — Die 
Agence russe“ bestänigt dles und fügt hinzu, Osman Pascha sei 
derwundet, seine Truppen durch Hunger und Kälte erschöpf!?:. 
Pesth, 11. Dez. Hiesige ojfizielle Kreise betrachten den 
Fall Plewna's nicht als Vorboien des Friedens, da de Türken sich 
dei Adrianopel concentriren. 
Amtlich wird aus den russischen Haupequörtier Bogot vom 
10. ds. gemeldet: „Heute Morgen 7* Uhr griff die gesammte 
UIrmee Osman Paschas unser Grenadiercorps an, um unsere Cer⸗ 
rungslünie am linten User des Wid zu durchbrechen. Dec Angriff 
rfolgie mit verzweifelter Eaergie; ein Theil der Türken drang so⸗ 
ar in unsere Trancheen und Batterien. Alle Versuche jedoch, die 
Ztellungen der Grenadiere zu durchbrechen, waren vergeblich. X 
inem funfstündigen Kampfe wurden die Türken geworfen. Von 
allen Seiten umzingelt, ergab sich der tapfere Veriheidiger von 
ewne mit seiner ganzen Armee. Die Anzahl der Gesangenen 
ind die Trophaͤen genou anzugeben, ist unmöalich. Jedoch Alles, 
vas in Plewna ist, befiadet sich in unseren Hünden. Unsere Ver⸗ 
uste find im Verhältnisse zu dem Eriolge nicht groß.“ 
In Wisen eiugeiausene Nachrichten über die Katastrophe bei 
Plewna schitdern die türkische Tapferleit als über alle Zweifel 
chaben; Osman Pascha ertang anfangs bedeutende Erfolge und 
ist nach seiner Verwundung wurde die Schlacht zu Ungunsten der 
Fürken enischieden. — Der Cjar reist nächstens über Bukarest nach 
Hetetsburg. — Das Gros der russischen Armee wird sofort gegen 
Zopha operiren. (Fr. 3.) 
Nach dem „Evening Standard“ erbeutelen die Russen bei 
Plewna 400, Kanonen und machten 40,000 Gefangene. Plewna 
st absolut ohne Nahrung. J V 
Petersbur'g, 11. Dez. Die „Agence Russe“ bemerkt 
inderweitigen Gerüchten gegenüber, ducch den Fall von Plewna 
verde, selbst wenn der Beginn von Verhandlungen zw schen der 
Bforte und Rußland eintrete, die Fortsetzung der Feindselgkeiten 
uicht aufgehalten. 
Vermischtes. 
*Sit. Ingbert, 12. Dez. Am verfloss⸗ nen Sonntage 
ielt im Lehnernschen Saale Hr. Prosessor Schlisdk seinen Schluß⸗ 
vortrag Üüber das Thema „Vermögens-Erwerb.“ Es hatte sich eine 
dvöne Anzahl Zuhörer eingefunden; doch haben wir den beherzi⸗ 
enswerthen Worten des Vortragenden noch mehr solcher gewündcht. 
Im ersten Theile seines Vortrages begründete Ht. Schlick den Satz: 
Das Eigenthum ist als Resustat der Arbeit berechtigt, es ist 
r1Ugemein und bleibend im Princip, aber wechseln d 
u der Person des Inhabers. Die Wahrheit des Letzteren wurde 
namentlich durch eine Reihe von Beispielen aus Geschichte und 
hegenwart nachgewiesen. „Der Geldsack und der Bettelsack liegen 
nicht hundert Jehr vor einer Thüre.“ Die Beispiele seien übrigens 
zliener, duß Menschen in einem Lebensalter zu großem Reichthum 
elangen; häufiger gelangen sie zu Woulstand. Die verschiedenen 
Zzpartassen bezeugen, daß Handwerker und Ardeiter durch Fleiß 
ind Sparsamlent zu Wohlstand,“ zu Kapitolien gelangen. Die 
Arbeit sei die Schöpferin des Kapitals und das Großlapital Ein⸗ 
elner sei das Lebenselement der Arbeit. „Kapital ist das Werk⸗ 
seug der Arbeit, welches sie selbst in mancherlei Form geschaffen 
hat.“ Das Kop'ital mache sark, frei und scoh. Es sei 
zarum der Wunsch des Menschen noch Vermögen gerechtfertigt und 
in Jeder solle nach Besitzthum sireben. Wer das Erworbene aber 
hehalten will, der befleißege sich vor allen Dingen der Spat⸗