Sl. Ingberle
Ingberler Anzeiger.
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AMS 202.
Dienstag, den 25. Dezember 1877.
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Die Expedition.
Deutsches Reich.
München, 22. Dez. In einer unter dem Vorsitze des
Prinzen Luitpold d'esen Mittag abgehalten Sitzung des Staats-⸗
rathes gelangte der in den letzten Tagen mit den Lcammern ver—
einharte Gesetzentwurf bezüglich der Tax, und Stempelgebühren zur
verfassungsmäßigen Erledigung.
Berlin, 20. Dez. Wie immer vor We'hnachten haben
zuletzt die Herren Volksverireter sich einer so meisterhaften Kürze
befleißigt, daß das wegen der entgegenstehenden Interessen so überaus
schwierige Gesetz betreffend die Errichtung der Landgerichte und
Oberlandesgerichte heute bis 11 Uhr auch in dritter Berathung
absolvirt war. Die gestrige zweite Berathung jenes Gesetzes war
nur ein Schaustück fsür die Wähler in der Probinz. Nachdem vor⸗
gestern von sämmtlichen Fraktionen der Antrag auf Enbloc Annahme
der Kommissionsbeschlüsse gefaßt war, wurden Anträge lediglich
deßhalb eingebracht, um sich vor den Wählern den Schein zu geben,
als ob man noch ein Aeußerstes versucht habe, um dem Wahlkreise
seinen Odbergerichts- oder Landgerichtswunsch zur Erfüllung zu
bringen. Heute hielt der Abg. Lasker eine längere allsestig gut
aufßgenommene Rede für die von der Kommission vorgeschlagene
Resolntion, wodurch die Reglerung aufgefordert wird, mit den be⸗
nachbarten Bundesstaaten zu vperhandein, um unter Vereinigung
bdundesstaatlicher Gebiethztheile zu einheitlichen Gerichtsbezirken
oͤrtlich zusammenhängende und den Organisationszwecken volllommen
entsprechende Landgerichte und Oberlandesgerichte herzustellen. Las⸗
ketr's Wort „Die Völker sollen nicht leiden unter dem Streit der
Fürsten!“ mag in dieser Anwendung etwas übertrieben klingen,
da ein eigentlicher Streit der Fürsten, ganz abgesehen von den
rbenfalls betheiligten Senaten und Vürgermeistern von Ham—
burg, Bremen, Lübeck, kaum vorliegt, fondern höchstens
die Eifersucht der Vundesregierungen, an ihrer territorialen Just'z.
Joheit nichts oder möglichst wenig einzubüßen; immerhin wäre es
beklagenswerth, wenn es zu den von Lasker erwähnten Mißbildungen
in Folge mangelnder Einigung der Regierungen kommen sohlte.
Freilich muß Preußen mit qgutem Beispiele vorangehen und schleu—
nigst sein Landgericht Hechingen mit kaum 68,000 Seelen den
Würtembergern zur Justiz Annexion anbielen. So lange Dies nicht
zeschehen ist, wird man die Vermuthung aufrecht erhalten müssen,
daß die preußtsche Regierung nicht schuldlos ist, wenn die Ver—
einigung bundesstaatlicher Gebietslheile zu passenden Gerichtsbezirken
unlerbleibt.
Berlin, 22. Dez. In hohen militärischen Kreisen erregt
s besondere Genugthuung, daß Bay'rn nun seinen Widerstand
zegen die einheitliche Deutsche Handfeuerwaffe aufgegeben hat. Es
jandelt sich um die Einführung des Maufergewehres, mit welchem
eit Ende Oktober das Bayerische Leibregiment ausgerüstet ist und
das bis Ende nächsten Jahres in allen Bayerischen Infanterie ⸗Regi⸗
mentern und Jäger-Bataillonen zur Annahine gelangen soll. Bei
dieser Gelegenheit sollen sich die Patrohen aus dem Münchener
*
Hauptlaboratorium anlaͤßlich eines Versuchsschießens so vortrefflich
bewähr: haben, daß sogar die Preußische Militär⸗Verwaltung für
Preußische Rechnung 60,000 dieser Bayerischen Musterbaltronen in
München in Bestellung gegeben hat.
Der Vertrag zwischen Bremen und dem Zollverein,
der Ende dieses Monats außer Kraft trelen sollte, ist nach der
„Wes. Itg.“ bis Ende 1878 verlängert worden.
Nach einer Mittheilung der „Magd. Ztg.“ ist Dr. Fried—⸗
berg, der Präsident des Reichsjastizamts zu Ende voriger Woche
in Varzin gewesen, um dem Reichskanzler über die Rechtsverhält⸗
aisse in ElsaßeLothringen Vortrag zu halten. Dr. Friedberg war
»ekanntlich vor einiger Zeit in den Reichslanden, um an Orf und
Stelle wahrzunehmen, wie weit bisher die neuen Institutionen sich
bewährt haben. Im Weiteren kam es dem Reichskanzler darauf
an, den Präsidenten Friedberg über die bis jetzt getroffenen Ein—
leilungen zur Durchführung der deutschen Justizreform zu hören.
Ausland.
Witen, 22. Dez. Der „Presse“ wird aus Sistowa ge⸗
neldet: Die Armee der Großfürsten⸗Thronfolger hat den Lom über⸗
chritien; der linke Flügel hat die Straße von Rustschuk aach Pi⸗
anza besetzt. -Die Eisenbahnverbindung zwischen Rustschuk und
Harna ist durch Kosaken unterbrochen worden
Paris, 20. Dez. Die Ernennung Lepere's zum Unter⸗
taatssekreiär im Ministerium des Innern wird als eine Bürgschaft
ür eine lLängere Dauer dieses Ministeriums angesehen. Lepere
wvar Vizepräsident der Kammer und eines der einflußreichsten Mit⸗
Mieder der republikenischen Union, des Vereins von Gambeita.
Die wichtige Partei der Linken ist sonach im wichtigsten politishen
Ministerium vertreten, was die Erwartung berechtigt erscheinen läßt,
)aß sie die Regierung unterstüßen wird. — Der „Telegraphe“ be—
Jauptet, das englische Kabinet stehe im Begriff, Frankreich wichtige
Mittheilungen Beireffs der orientalischen Krisis zu machen. Der
eue Mivister des Aeußern, Waddington, soll aber gerade kein
Begner Rußlands sein.
Paris, 21. Dez. Die Generalräthe sind heute zusammen⸗
zetreten. Unter 44 bisher bekannten Prasidentenwahlen befinden
ich 25 Präsidenten, welche der republikanischen und 19 Präsidenten,
velche der konservativen Partei angehören. Die Republikaner haben
5 Sitze gewonnen, einen verloren. Der Unterrichtsminister Bardoux,
Präsident des Generalrathes von Clermont, hielt eine Ansprache,
n welcher er hervorhob, daß die jüngste Krisis durch den Patrio⸗
ismus des Präsidenten der Republik gelöst worden sei. Der Minister
jügte hinzu, unsere parlamentarische Repudlik ist wie Frankreich,
qroßmüthig und offen, und wir Alle haben guten Willen,
Die großen Veränderungen im Persona der franzoͤsischen Ver⸗
valtung sind nun ienn „Journal officiell“ veröffentlicht morden. 83
Departements werden davon betroffen. Nur dier Präfekten behielten
ihre Stelle, die Prafelten der Seine, des Aveyron, der Oise und
des Calvados; über die drei Prä'ekten in Algerien wurde noch
lein Beschluß gefaßt, die Gefammtheit der Amtsentsetzungen belrägt
45; die übrigen Präfekten haben ihre Entlassung eingereicht, sind
zur Disposition gestellt oder pensionirt. Nur dine Versetzung er⸗
olgte: der Präfelt der Marne wurde zum Präfekten des Morbihan
ernannt. Bon den neuen Präfekten waären 48 früher bereits Prä⸗
jekten, 18 früher Unter-Präfekten und 8 früher General⸗Sekretäre
und nur 7 dienten noch nicht in der Verwaltung.
Der Minister des öffentlichen Unterrichts sandte ein Rund⸗
chreiben an die Präfekten, das die Wiedereinsetzung aller wegen
»olitischer Gründe abgesetzten Schullehrer in ihr Amt anbefichlt.
London, 22. Vez. Die „Times“ empfiehlt der Regierung,
)ie lürkische Circularnote zum Ausgangspunkt zu machen, um die
Pforle über die wirkliche Lage und ihre Aussichten aufzuklären.
kine klare und unumwundene Darstellung der englischen Regierung
yürfte die Türkei nothigen, die gebieterische Nolhwendigkeit zu be—
zreifen und Unkerbandlungen anzuknüpfen.