Full text: St. Ingberter Anzeiger

m den beliden Ufern des Vosporus, die Ueberçobe Gallipolis 
Bulairs, Maschlals, Maktikbis »und die Ueberlassung mehrerer 
Tasernen und Hospitäler. Großfürst Nikolaus betreibt diese 
Forderungen, welche als Ultimatum angefehen werden. Der Sultan 
uind Vifit Pascha sind gegen dieselben. 
London, 4. April. Der „Times“ wird aus Petersburg 
telegraphirt, daß Rußland über die Antwort auf das Circulär 
Sanebuihes noch nicht schlussig sei. Es sei aber Grund zum 
Glaicben vorhanden, Rußland werde das Circulät nicht als Ulti⸗ 
Rannn betrachten. Da die brit sche Regierung sich auf rein nega⸗ 
ube Kriuk beschränkte, dürfte sie vielleicht von Rußland ersunt 
verden selber eine Lösung vorzuschlagen. Uebrigens meint die 
Times“, es seien Zeichen vorhanden, daß nicht allein Oesterreich, 
sondern auch Frarkreich die Ansichten Eaglands über den Bertrag 
heile, demnach scheine es, als ob Rußland und, nicht England isolirt 
sei. Es müsse jetzt der Hauptzweck vder britischen Regierung fein, 
bie allgemeine Eintracht aufrecht zu erhalten. — Falls Rußland 
nicht durch geheinie Pachinationen eine der MRächte von den übrigen 
jrenne, sei ichwer begreiflich, wie es seine gegenwärtige Haltung 
werde behaupten köͤnnen. 
Von der serbisch⸗bulgarischen Grenze wird der Pol. Korresp. 
gemeldet, daß alle nördlich des Balkans stehenden russischen 
Truppen näher an die Donau gezozen, überall von denselben neue 
Defestigungen angelegt und die alten türkischen Befestigungen 
verstaͤrnt werden. Um Sophia werden zahlreiche russische 
Truppenmassen konzentrirt, und es sollen serbdische Truppen⸗ 
körper als Verstärkuugen zu denselben stoßen. Im Süden des 
Haltans herrscht trotz des ungünstigen en Gesundheitszustandes 
unter den Truppen die gleiche Regsamkeit in den Bewe zungen der 
russischen Armee, welche in enge Konzentrirungen einrückt und auch 
hier alle wichtigen Positionen befestigt. 
VBultéoreést, 3. April. Die „Pol. Corr.“ meldet: Zwei 
russische Armeccorps in Bulgarien erhielten Befehl zum Rückmarsch 
nach Rumänten, um zwischen Giurgewo und Bukarest Aufstellung 
su nehmen. Er herrscht die Befürchtung, die Russen möchten so⸗ 
Jann uber ganz Rumünien den Belagerungszustand verhängen. In 
der letzten geheimen Sitzung der rumänischen Kammern haben 
Bhika und Sturdza üher ihre Sendungen berichtet; danach soll 
das Londoner Cabinet Rumänien zum Ausharren auf seintin 
Standpunkte in der Frage der Abtreiung Bessarabiens ermuntert 
haben, während das Wiener Cabinet auf die Noihwendigkeitder 
Kegelung dieser Frage durch europäische Entscheidung verwiesen habe. 
Neichs⸗Gefsetzentwurf m 
über den Verkehr mit Nahrungs⸗ und Genußmitteln sowie 
BGebrauchsgegenständen. 
Der Wortlaut des neuen Gesetzes über den Verkehr mit 
Nahrungsmitteln, SGenußmitteln und Gebrauchsgegenständen liegt 
n vor; der dem Reichstage unterbreitete Entwuif enthält außer 
— —— Motiven die reichsten Mate⸗ 
ralien über die 13 Gruppen der betreffenden Gegenstände, als: 
Hehl, Cond'torwaaren, Zucker, Fleisch und Wurst, Milch, Butter, 
Bier, Wein, Kaffee und Thee, Chocolade, Mineralwasser und 
onstige Gebrauchsgegenstände. Fälschungen, die schon in bestehenden 
Bestetzen vorgesehen find, werden hier vicht vorgetragen. So viel 
jedoch auch über diesen Stoff schon geschrieben worden ist, so stehen 
doch noch zahlreiche neue Fälschungsarten, von denen bei uns nicht 
viel gesprochen wird, in diesem Gesetz, natürlich als straffällig. 
Ferner liegen dem genannten Gesetze bei: die fremden Gesetzgeburgen 
iber diese Verfälschungen, nanrentlich die englischen Bestimmungen, 
36 Großquartblätter stark. Im eigentlichen Gesetz finden wir (ab⸗ 
zesehen von der Einziehung der betreffenden Gegenstände und den 
Kosten sowie Veröffentlichung des Urtheils) Strafen ausgesprochen, 
hie wir im Auszug mittheilen wollen, wie folgt: 
g 9. Mit Gefängniß bis zu sechs Monaten und mit Geld⸗ 
qrafen dis zu 1600 Mark oder mit einer dieser Strafen wird be⸗ 
straft: 1) wer zum Zwed der Täuschung im Handel und Verkehr 
Nahrungs⸗ und Genußmitel nachmacht, oder mit dem Schein einer 
desseren Beschaffenheit versieht, oder dadurch verschlechtert, daß er 
sie mittelst Enin⸗hmens oder Zusetzens vow Stoffen oder in anderer 
Weise verfaͤlscht; 2) wer wissentlich Nahrungs⸗ oder Genußmittel, 
welche verdorben oder nachgemacht oder fälschlich mit dem Schein 
riner besseren Deschaffenheit dersehen oder durch Verfälschung ver⸗ 
schlechtert sind, unter Verschweigung dieses Umstandes verkauft oder 
unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung feilhält. 
8 10. Ist die in 8 9 Nr. 2 bezeichnete Handlung aus Fahr⸗ 
läsfigkit begangen worden, so hitt Geldstrase bis zu einhundert- 
sünfgig Mark odet Haft ein. 
g I Mit Gasangniß, neben welchem auch auf Verlust der 
bütgerlichen Ehrenrechte etlanrt werden kann, wird bestraft: 1) 
wer vorsätzlich Gegenstände, welche bestimmt sind, andern als Rah⸗ 
rungs⸗ und Genußmittel zu dienen, derart herstellt, daß der Genuß 
derfelben die menschliche Gesundheit zu schädigen geeignet ist; in⸗ 
gleichen, wer wissentlich Gegenstände, deren Genuß die menschliche 
“ 
Besundheit zu schädigen geeignet ist, als Nahrungs⸗ und Genuß— 
mittel verkauft, feilhält oder in Verlehr bringt; 2) wer vorsäßlich 
zur Haushaltung, häuslichen Einrichtung, Geschäftseinrichtung oder 
zur Kleidung bestimmie Gegenstände oder Spielwaaren derart her— 
tellt, daß der bestimmungsgemäße oder vorauszusehende Gebrauch 
serselben die menschliche Gesundhei! zu schädigen getignet ist, in— 
leichen wer wissentlich solche Gegenstände verkauft, feilhält oder 
onst in Verkehr bringt. — Versuch ist strafbar. Ilt durch die 
zandlung eine schwere Körperverletzung oder der Tod eines Menfchen 
jerursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren ein. 
8 12. War in den Fällen des 8 11 der Genuß oder Ge⸗ 
zrauch des Gegenstandes die menschliche Gesundheit zu zerftören 
zeeignet, so tritt Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren und, wenn 
urch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, 
Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Zucht- 
jausstrafe ein. U 
8 13. Neben den nach den Vorschriften der 88 11 und 12 
rkannten Strafen kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erdannt 
verden. 
8 14. Ist eine der in den 88 12 und 11 bezeichneten Hand⸗ 
rungen aus Faährlässigkeit begangen worden, so ist auf Geldstrafe 
zis zu eintausend Mark oder Gefängnißstrafe bis zu sechs Monaten 
uind, wenn durch die Handlung ein Schaden an der Geisundheit 
eines Menschen verursacht worden ist, auf Gefängnißstrafe bis zu 
inem Jahr, wenn aber der Tod eines Menschen verursacht worden 
st auf Gefängnißstrafe von einem Monat biz zu drei Jahren zu 
rlennen. 
Vermischtes. 
F Grünstadt, 1. April. Großes Aufsehen erregt dahier 
das Falliment des Kaufmannes Isaac Kahnweiler. Am Donners- 
tag Mitlag war ein förmlicher Auflauf vor dessen Laden, da ver— 
ucht wurde, Waaren rasch 'und zu außerordenllich billigen Preisen 
zbzusetzeu, welche Nachrich: eine Masse Menschen herbeilockte. In 
Folge dessen wurde noch un demselben Abend auf Antrag eines 
zläubigers Vorsichtsverfügung getroffen. Man spricht von ungefähr 
M. 60 - 80,000 Passiven, theils in Waarenschniden, theils in 
aufenden Wechseln bestehend, eine für das kleine Geschäft Kahn⸗ 
veilers ungeheuere Summe. Auffallend ist, daß in der letzten Zeit 
jehr viele Aufragen üher die Creditfähigkeit Kabhnweilers für hohe 
Zeträge hierher gelangten, sowie daß derselbe allein in den letzten 
Wochen eine große Menge Waaren im Betrage von M. 10 - 12,000 
zrößtentheils per Eilgut bezogen hat. Man vermuthet auch, daß 
ie Beschlagnahme der Waare bereits etwas verspätet gesch h. Kahn⸗ 
ptiler galt allgemein für einen soliden Geschäftsmang und ist die 
nufregung jetzt um so größer. (N. W.) 
7 Duͤrkheim, 3. April. Die gestrige Weinversteigerung 
son Joh. Bapt. Kimich Wwe. und Erben war nicht so zahlreich 
esacht, wie man es erwartete, daran mögen wohl die jetzigen Zeit⸗ 
erhältnisse die Schuld tragen. Was die Qualität der ausgebot⸗enen 
Weine anlangt, war sicher nichts zu wünschen übrig und stand 
»cnselben eine vorzügliche Kellerbehandlung zur Seite. Folgende 
Breise wurden per 1000 Liter erzielt: 1875.0 Deidesheimer Mark 
»20 bis 950, Straße und Erdner M. 1000, Maushöhle M. 
070 und 1700, Schloß und Kirschgacten M. 1390, Untergrain 
M. 1410, Hosstuck M. 1510, Traminer M. 1490, Forster Straße 
M. 1710, Welnbach M. 1600, Kies⸗lberg und Kalkofen M. 1710, 
AUntergtain M. 1600, Geheu M. 1670 und 2400, Leinhöhle M. 
2000, Ruppertsberger M. 690 und 970, streu; M. 1070, Reu⸗ 
herpfad M. 1360, Spies M. 1100, Achtmorgen M. 1560, 
Weißlich M. 1830, Spies Traminer M. 1770, Forster Granich 
ind Pechstein 3310. 1870er Deidesheimer Kieselberg M. 1280. 
1874er Deidesheimer Renpfad M. 1210, Leinhöhle M. 1470, 
Ruppertsberger Spies Mart 1800. 1876er Deidesheimer Geheu 
M. 1020, Langenmorgen M. 1210, Rennpfad M. 1090, Aus⸗- 
zruch M. 3200. Bei den feineren Weinen wurde mehreres zurück⸗ 
senommen, indem sich dafür keine Liebhaber fanden. Die 1877er 
lamen nicht zum Ausgebot. 
München, 2. Apsil. Wie wir zu unserem Bedauern 
ydren, ist der Commandeur der J. bayerischen Infanteriedibvifion, 
szenerallieutenont NRitser v. Täuffenboch zestern Abend vom Schlag 
getroffen worden; fein Zustand soll leider wenig Hoffnung darbieten. 
Nach einem soben eingetroffenen Telegramm wurde gestern 
Abend bei einer Streife der berüchtigte Rauber Sattler von der 
gendarmerie erschossen. Derselbe södtete vorher noch einen Gen⸗ 
armen. 
fBerlhin, 1. April. Ueber eine durch das „Verbrecher⸗ 
Album“ bewirkte Verhaftung dreier berüchtigter Bauernfänger 
verden folgeude interessante Umstände mitgetheilt. Der eine der⸗ 
elben führt in det Verbrechetwiit den Ramen Napoleon III., der 
stoßen Aehnlichkeit wegen, die er mit diesem hatte. Die beiden 
indern neanen sich Kaufleute. Dieses Kleeblatt, welches die Ma⸗ 
lieren der feinen Welt vortrefflich nachzuahmen veesteht, reiste vou 
Zerlin nach Crossen und stieg dort im ersten Hotel ab. Sie gaben