Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler Anzeiger. 
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M 59. J Samstaa, den 18. Avniii —538 J 1878. 
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Deutsches Reich. 
Berlin, 9. April. Das gestern ber dem Fürsten Reichs⸗ 
kanzlet veranstaltete parlamentarische Diner, zu welchem nicht blos 
Prasid um und Büreau im engeren Sinne, sondern auch die Quä⸗ 
toten und Abeheilungsvorstände des Reichstags geladen waren, 
vird einen Theil der Reichstagsmitglieder bereits mit dem Gedanken⸗ 
zang der heutigen Rede des Kanzlers vertraut gemacht haben. 
Wenn die Mutheilungen richtig sind, welche seit einigen Tagen 
n engeren Kreisen und gestern allaememer laut geworden sind, so 
tände auf den Versuchsselde unserer Wirthschaitspolitik wieder ein⸗ 
nal eine Uehercasching in Aussicht. Statt der angekündieten, 
Enqute Aber die Verhältn sse unserer Eisenindustie soll eine Vor— 
agt wegen Wiedereinführung der Eisenzollee noch in dieser“ 
Session des Reichstags eingebracht werden. Es bedarf keiner be⸗ 
ondecen Propheiengabe, um vorauszusagen, daß dee jetzige Majbrität 
des Parlaments eine sosche Vorlage nicht sanctioniren wirde Ju 
jem regierungsseitig übrigens erwarleten Fall der Adlehnung würde 
panneine Berufung an die Nation-durch Neuwshlen versucht 
verden. Ueber weitere Ptäne des Reichskanzlers verlautet noch, 
—D sich näͤherud, mit der 
Einiührung von Zöllen auf Vieh, Geireide, Petroleum R votzu⸗ 
zehen; berabsig tigt. Was den deurtsch oͤsterreichischen Handelsberirag 
anbetrifft, so ist der Reichskanzler einer Verlängerung desselben 
penig geneigt, er neigt deel nehr auch hier der Unsicht zu, für 
Deutschland einen autonomen Tarif zu Stande zu bringen. Nach 
vie vor erstrebt der Reichslanzler: die Einführneg des Tabaks⸗ 
aronopols, man legt ihm jedoch die Absicht bei, auch zur Monopo⸗ 
isirung des Zucke s schrei:'en zu wollen. .CGerl. 3t3.) * 
Zu dem Gesetz betreffend den Verkehe wit Nahrungs- 
nitteln hat Abtzeordneter Zinn einen Antrag eingebracht, wonach 
det 8 5 folgendermaßen lauten soll: Zum Schutze der Gesundheit 
önner mit Zustimmung des Buudesraths durch ka'rserliche Ver—⸗ 
Irdnung Bestimmungen getroffen werden für das Reich, J. welche 
erbiet/n, II. welche anordren: 1) bestimimte Arten der Herstellung, 
»ie Aufbewahrung und Verpackung von Nahrungg— und Genuß⸗ 
nitteln,, die zum Verkaufe bestinmt sind; 2) das gewerbsmadige 
Berkausen und Feilhalten von Nahrungs- und Genußmitteln von 
iner bestimmien Beschaffenheit, sowie einer der wirk! chen Beschaffen⸗ 
jeit nicht entsprechende Beziehung derselben; 8) das Verlaufen 
und Feilhalten von kranken Thieren zum Zwicke bes Schlachtens; 
4) die Verwendung vestimmter Sioffe und Farben zur Herstellung 
»on Spielwaaren, Tapeten, Eß, Trink- und Kochgeschirten; 5) 
den Verlauf von Petroleum zu Beleuchtungszwecken, welches richt 
ots zu eine m bestimmten Grade gereinigt ist; 6) die Untersuchung 
des Schlachtosehes und des Fleisches. 
„Berzin, 9. Apru. Die Andeutungen in Petersburger 
offiziösen Correspondenjen über eine Urt von Dreitheilung der 
Interessen im Orient sind in Paris in dem Sinne gedeutet worden, 
daß Rurland England wieder duf Ataypten verweisen und dadurch 
ine Spal ung zwischen England und Frankteich he vorrusen wolle. 
Das Mansver joll in französiswen Reglerungskreifen einen ungüu⸗ 
ligen Eindruck gemacht haben. — In' der allgemeinen Lage ist 
eine Veränderung demeikbatr. Man ist noch immer der angeblichen 
Zugeständu sse Ruͤßlands gewärnig. K. 3.) 
B erlin, 10. April. Kaiser Alexander von Rußland hat 
or einigen Tagen ein Schreiben an seinen Oheim, den Deutschen 
alser gerichten. Ueber den Inhalt Etwas zu erfahren, wird na⸗ 
ürlich sowierig sein, doch wind man nuch Lage der Umstände 
aicht febl gehen, wenn man annimmt, daß der Zar die Sorge 
ür die russischen Interessen in di⸗ wohlwolende Hand des Kaisers 
elegt hade. Zu gleicher Zeit erfäühtt man, daß die österreichische 
Regierung, welche die Idee eines Kongresses aufgebracht und bis 
etzt in den Händen gehabt hat, die Sorge fuͤr das Zustande⸗ 
ommen des Kongriffes jetzt der deuischen Rierung überlassen 
jat. Der rumämsche Mimsterpräsident Btatiano weil noch bier. 
Obgleich wohl alle Blaͤlter berichten, daß er wiederholt Unterredungen 
nit den Reichskanzler gehabt habe, bat er big jetzt den Fürsten 
Hismarck noch nicht gefehen. Ind⸗fsen hat er um eine Zusammen⸗ 
unft gebeten und wird sie vielleicht heute Abend erlangen. 
Die ministerielle „Probinzial⸗ Korrespondenz schreibt: . Die 
»olitifwe Spannung in Betreff der Orientfrage hat sich in den 
ezien acht' Tagen weniastens nicht verichärft, bielmehrritt allseittz 
»er Wunsch und das Bemuhen auf Erhaltung des europuischen 
Friedens wieder bestimmier herpor.“* 
Aus Berlin erhält der „Standard“ die Meldung, daß 
Sortschakoff mit den einzelnen Mächten ein Einvernehmen zu er⸗ 
eichen suche: erst dann solle der Vertrag von San Stefand dem 
kongreß vorgelegte werden. Rußland se jetzt 'orne Zweifek ente 
chloffen, den Krongreß unter den englischen Bedingungen anzu⸗ 
ehmen. — Den⸗,Times“ schreibt man aus Beiliu, Desterreich 
emũhe sich, Reßßland zu bestimmen, die englischen und osterreich schen 
doten dergestalt zu beanworten, daß die Hoffnung auf eine daldige 
Jersammlung der Konferenz wieder möglich werde. — 
m aAustand. —— 
Wicen, 10. April. Die „Pressen. meldet qgus Konstau⸗ 
inopel: Die Pfo te ist entschlossen, im Falle eines engliich⸗russischen 
drieges weder den Engländern noch den Russen den Zutr un mach 
konstaminapel und den Bosporus zu gestatten.. Die Turken be⸗ 
est gen ihre Verthe digungslinie bis Bujuldere. — Ein rujsi cher Armee⸗ 
efehl verb'eten den russischen Offizieren das Betreten Konstantinopels. 
Paris, 8. April. Der Berliner Barquier Mendelsfohn 
ꝛerließ heute Paris, ohne diß es ibm gel ingen war, eine Auleihe, 
on 890 Millionen füt Rußland zu Slande zu deing⸗ne G. 3 
Konstautäanopel,, 10. April, Den englischen Bot⸗ 
hafter Ar. Lapyard ist es gelungen . die russischen Bemuhungen 
im die Freundschaft der Piorte vorläufjz wieden zu patolysiren. 
hestern fanden succesive auf der Pfotie eine lange Conferenzj Mr. 
ayard's mit Achmed Vefik und Safpet Pascha uund sobann eint 
benso lanne Beiprechunu des englischen Botschefters mu Reouf und 
IRsinan Pascha statt. Dieser leßleren Uoterredung init diesen für 
en Augeublick maßgeblichsten wilitärischen Persönlichkeiuen in der, 
Fürkei wird all emein in Konstanlinopel im Hindlicke auf die 
ündlich wachseude Spannung zwis en England und Rußland die 
ößte Sedeutung beigelegt. Viehemed Alt“in desinstv zum Com⸗ 
naudanten der in Makrikidi konzentrirten türiischen Sireutrafte 
ernannt worden. W 
Konstantinopel, 10. April. Der Min slerratb zog 
jeute die aus dem Rundschreiben Saisburhz refultirende Lage in 
krwägung. Die Mehrthreit des Cousens sol sich der engtijchen 
Pouenk günstig gezeigt haben. Großfürst Nikolaus ist pach Zoustan⸗ 
inopel zurüchgekehrt. 
In der russischen „Börsenzeilung“ finden wit die finanziellen 
Opfer aufgezählt, welche dem Coare zeich der lezte Krie, auferlegt 
zat. Danoch hätte Rußlaud im November 1876 drei nnere 
ule hen auf 350 Millionen Rubel und eine auswärtige auf 934 
Villionen Rube! Meiall oder 123 Veillionen Rudel Papier ab⸗ 
zeschlossen. Außerdem habe die Reichsscener von der Reichtbank 
noch einen Vorschuß von un esäht 288 Nallonen Rudel Erspar⸗ 
nisse aus dem Budget verflossenet Jadre deraus jabt. Im Ganzen 
ilso hätten Vor ereilung und Führung des Kriegt 800 Peillionen 
ekostet. Zum Rücktransport der Truppen in die Heimath würden 
iberdies noch 50 Mallzouen verwendet werden müssen. Die Amor⸗ 
isation und Verünsung dieser Summe bon 830 Villionen betrage 
ährlich 45 Meillonen, und da nach dem Budzet von 1877 die 
Ausgaben füt die Reichssould 108. Mllionen ausmachten, so 
zrgebe es sich, daß durch den Krieg die russisbe Staaisschuld fast 
im die Halite vermehri wurde. Falls die Türkei gemäß dem 
Friedensvertrage von San Stefano die ihr aufecdlecten 300 Mil— 
onen zahlen würde, so jänken die Kriegsaus. aben auf eine halbe 
Misliaide, die jäh lichen Ziusen und Amortisalionen auf 30 Mil⸗ 
ionen herab. Ein Krieg gegen Eugland wuͤrde dem Clarenreiche 
inzweifelhaft noch iheuret zuů stehen kommen