Full text: St. Ingberter Anzeiger

J Berlin. Das preußlsche Obertribunal hat durch Er⸗ 
seuntniß vom 81. October ds. Is. ausgesprochen, daß die Belei⸗ 
digung vermitlelst einer Correspondenzkarte steis als eine „öffentlich“ 
Nzejlügte zu betrachten sei, ohne daß es einer Fesistellung bedark, 
zaß ihr Inhalt in Wirklichkeii von einem Dritten gelesen worden. 
Berlin, 24. Nop. Die wegen Theilnahme an einer 
jeheimen Verbindung hier in Haft befindlichen russischen Studenten 
ollen per Schub über die Grenze gebracht und ihnen für immoer 
»er Aufenthalt im deutschen Reiche versagi werden. 
F Flugmaschine. Sagan, 19. Nov. Das Kaiser⸗ 
iche Reichspalentamt in Berlin haf, wie schon erwähnt, Herrn Dr. 
Ackermann hierselbst für die von ihm erfundene Flugmas hine ein 
Patent ertheitt, und es ift zu erwarlen, daß die Ausführung und 
Berwendung schon im nächsten Jahre durch eine Berliner Firma 
rfolgen werde. Als Hauptiheil dieser Flugmaschine wird ein eigen⸗ 
bümlich gestalteter Ballon bezeichnet, der mit Leuchtgas geflillt 
und durch den Passagier durch flügelartige Bewegungen beliebig 
jant Aufsteigen in mäßig hohe Lufisch'chten gebracht und durch 
'inen besonderen Steuerapparat dirigirt werden kann, der eine ge⸗ 
pifse Beweglichkeit und Wendung ermöglicht. Es därfte sich diese 
Flugmaschine möglicherweise gut zu Recognoscirung eignen. Hört 
die bewegende Kraft auf, so wirlt der erwähnte Ballon als 
Fallschirm. (Schles. Zig.) 
FOer Untergang der Pommerania“. Hover 
27. Novd. 109 geretteie Passagiere und Mannschaften der „Pom— 
mnerania“ sfind nach London gegangen. Das Schaff ist innerhalb 
15 Minuten nach dem Zusammensioße gesunken, da es in der 
Steuerbordseite ein großes Voch hatte. Zwei Boole waren durch 
zie Collision zertrümmert, eines wurde beim Herablafsen fortgespült. 
Die Ubrigen 5 Boote nahmen 162 Passagiere und Mannschaften 
auf. Dieselben wurden von dem „Dampfer „Glengarry au Bord 
zenommen. Uls der erste Steuermann Frangen im leßten Boote 
ibstieß, stand der Capilän auf der Breücke und ersuchte isn, mög⸗ 
ichst nahe beim Schiff zu bleiben. Das Boot blieb in einer G⸗ 
ernung von 10 Yards dom Dampfer, aber wen'ge Minute spãter 
zing das Schiff unter. Das Wrack liegt südweftlich, eiwa 12 
Meilen von Foreland eutfernt. Getettet sind von —XL 
Schon, Possumer, Laumann, Bodenweber, Burle, Westphal Sirasse. 
Simon, Jstinsly, Grobe, Ralu, Schmidt, Roffeld mnFrau und 
2 Kindern, Schröder, Schaller, Bloch, Kloß, Samp, Habe, Sad, 
Fura, Mußschappel, Rauch, Paul, Thiel, Luze und einige 80 non 
der Schiffsmanuschaft. Die Cajüten-Passagiere von der „Pomme⸗ 
rania“, Alfred Faber, M. C. Poppenhausen, Fräulein Sophte 
Ohrnstiel, Fräulein Marrrh und Rosa ECiymer sind in Lord⸗Warden⸗ 
Hotel in Dover. 
London, 27. Nov. Unweit Boulogne sind zwei Rettungs⸗ 
»oote der „Pommerania“ aufgefischt und nach Boulogne gebracht. 
Die Barke „Moel Elian“, so heißt das Schiff, welches mit der 
Pommerania“ zusammengeftoden, ist so erustuͤch beschädigt, daß 
zre Reparatur in Dover sich als unmöglich herausstellt. Mit der 
Pommerania“ giugen 20 000 Dollars verloren, die verschiedenen 
Bassagieren gehörten. Die Nanen der in Plymouth gelandeten 
Zzersonen sind noch nicht ermittelt. Die deutsche Post ist verloren 
—X 
Hamburg, 27. Novb. Ein Telegramm des „Llcyd“ aus 
Maasluis meldet die daselbst erfolgie Ankunft des Dampfers City“ 
ff Amsterdam“ mit dem Captän der „Pommerania,“ —Schwensen, 
in Bord. Schwenfen sagt aus, daß noch ein anderer Dampfer in 
)er Nähe der Stelle des Zusarimenstoßes gewesen wäre, welcher, 
vie er glaube, etwa 60 Personen gerettet habe. 
Berlhin, 28. Nov. Von dem deutschen Generalconsul 
zojanowski wurden die Namen von 74 geretteten Passagieren und 
4 geretteten Peannschaften gemeldet. 
osa Sander gestorben.) Einer der „Pepulärsten“ der alten 
ingarischen Räubergilde, Rosa Sander, ist gestorber. Die Roman—⸗ 
it hat schon vor Dezennien einen Kranz von Sagen und Legenden 
im feinen Ramen gewunden und stimmungsvolle Gemüther erklärten 
hn sogar für einen braven Mann, der das edle Banditen:Hand⸗ 
oerl nur zu dem Zwecke treide, um armen, aber redlichen Leusen aus 
hrer Noth zu helfen. Thatsächlich war Rosa Sander einer der 
erwegensten und kühnsten Räuber, der viele Jahre hindurch fast 
nter den Augen der zu seiner Verfolgung ausgesandten Sicher⸗ 
eitsorga ie seine Heldenthaien ausführte und denselben ost ein 
ochnippchen schlug. Gelanz es endlich, seiner habhaft zu werden, 
Zdurfte man darauf rechnen, bald wieder seinen Spuren in den⸗ 
Jakonyer Wäldern zu begegnen; denn so oft er in den Kerler ge⸗ 
norfen war, so ost gelang es ihm wieder aus demselben zu ent⸗ 
sringen, und dies galt schon als Regel. Auf den Kopf des Räu⸗ 
ets wurden unzähligemal hohe Preise gesetzt. Kaner wollte an 
in Jum Verräther werden. Endlich im Jahre 1856, fand fich 
er Verrather. Im Frltzliag des genannlen Jahres lag Ltosa, 
oll des füßen Wrines, im Kukuruzfelde neben seinem Gevatter 
tiß. Ploͤtzlich sieht er sich umgingell und aufs Korn genommen. 
Rosa dergreift eine Pistole, schoß seiten Gebailer nieder und über 
leferte sich sodann ruhig den Soldalen. Der Gevatter war auch 
virklich der Verräther. Drei Jahre hindurch währte der Proceß. 
stosa! wurde zum Tode durch den Strang verurthellt, jedoch zu 
ebenslänglichem Kerker begnadigt. Rosa kam auf die Festumg Kuf— 
dein. Acht Jahre blieb er hier, dann schlug ihm die Stunde der 
Befreiung; er wurde gelegentlich einer allgemeinen Amnest'e frei⸗ 
zelasfen. Rosa kam in fein Vaterland zurück. Nicht lange liit 
es den allen Räuber im Hause. Am 8. December 1868 fiel Ro⸗ 
ja mit einigen Genossen den Eisenbahnzug bei Felegyhaza an. 
Die ungarische Regierung entsandte den Grafen Gedeon Raday, 
damit er dem Räuber-Unwesen ein Ende mache. Rosa wurde am 
14. November 1868 in die Szegediner Festung gelockt und — 
bier Jahre später — im December 1872 stand Rosa abermals vor 
einen Richtern. Wie erinnerlich, wurden in die Strafverhandlung 
lStadthauptmann, 2 Stublrichler, 4 Fiskale und 46 Sicherheits⸗ 
lommissäre als Mitschaldige verwicklt! Rozsa wurde zum Tode ver⸗ 
urtheint: das Todesurtheil wucde abermals in lebenslänglichen Ker⸗ 
ler umgewandelt. Im Keiker ist der alle Räuber nun auch gestor⸗ 
den. Zahlreiche Portraits existiren von ihm, weit mehr und weit 
vessere Pottraits, als von so manchem anderen Manne, der wohl 
auch „berühmt“, aber freilich kein Räuberhauptmann gewesen ist. 
Als Kuriosum sei erwähnt, daß der berüchtigte Räuber auch der 
Titelheld eineß vor mehreren Jahren in einem Wiener Theater 
nujgeführten „Volksschauspieles“ war. Dies ist ihm also noch bel 
Lebzeiten nicht erspart geblieben. 
Paris, 25. Nov. Die Gazetie des Etrangers meldet 
den Tod des weiland viel besprochenen Regnier, welcher die bekannte 
Rolle bei dem Marschall Bazaine spielte und zu den Missionen bei 
her drutschen Armee benuzt wurde. Regnier soll über diese Ver— 
handlungen Memoiren hinterlassen haben, die in Lelipzig gedruckt 
verden. 
PIn Paris ist 64 Jahr alt der polnische General Mie⸗ 
roblawski am 2383. Nov. gestorben. Welch eine Fülle von 
krinnerungen wedt der Name dieses halbverschollenen Revolufionärs, 
der innerhalb der polnischen Emigration, im Gegensatz zu der ari— 
dokratischen Partei der Czartoryski's, das demokratische Element 
vertrat. Eine Art moderner Landsknechtsführer der Freiheit“, 
veihte er seinen Degen der Sache aller „unterdrückten Vöiker“, 
inen Degen freilich, der Jedem Unglück brachte, für den er ihn 
og. So der Revolution in Baden, so dem Auffstand in Sizilien, 
o der Empörung in Großpolen vom Jahre 1868. Immer wat 
Mieroslawski, der gelehrte Stratege der Freiheit, bei der Hand und 
mmer wurde er geischlagen, sobald er seine fein ausgeklügelten 
driegspläne zur Ausführung zu bringen versuchte. In ihm ver—⸗ 
rperte sich gewissermaßen das Geschick Polens selber. Wie seir 
Vaterland, ermudele er nicht in aus sichtslosen Kämpfen für nationale 
Selbsiständigkeit und Befreiung aber die Mitlel, die ihm zu Gebote 
tauden, blieben stis gleich unzulänglich. So ist der alte Kämpfer 
enn gestotben, ohne das Morgenroth anbrechen zu sehen, das seiner 
deimath die ersehnte Freiheit bringen sollte, und wenn wir auch 
auf anderem politischen Standpunkte stehen, als der General, so 
o rlennen wir doh nicht den idealistischen Zug, der ihn verklärte 
und ihn sympathisch machte, bei aller Proklischen Unmöglichkeit 
seiner Bestrebungen. 
F In der Bergsection der Central⸗Pacificbahn ist nunmehr 
dus Telephon zur Einführung gelangt. Jeder Streckenaufseher 
sl verpflichtet, dem Hauptbureau durch das Telephon, welches je in 
Entfernungen von nur wenigen Kilometer aufgestellt ist, zu herich⸗ 
en, so oft er nach Osten oder nach Westen geht. Die Ordnung, 
velche erreicht worden, soll die beste sein, die sich auf einer Eijen⸗ 
zahn herstellen läßt. Die Jastrumenlen arbeiten vorzüglich. 
FGWiederum Weltausste llung.) Das Project 
ner im Jahre 1889 in New York abzuhaltenden Weltausftellung 
vutde in einer am 31. Ociober abgehaltenen Versammlung hervor⸗ 
sagender Bürger New NYorks bisprochen. Es wurde die Ernennung 
eines Zehnerkomitees beschlossen, welches die nöthigen Schritte thun 
osl, um seitens der Stadt New-Hork an olle Staaten die officielle 
kinladung ergehen zu lassen, Abgeordnete zu einer Besprechung 
zes Projekts, in New-Nork eine Weltausstellung zur hundertjähri⸗ 
jen Feier des Regietungsankritts Washingtons abzuhalten, nach 
New⸗-Nork zu senden, woselbst am 30. Aptil 1879, dem 90. Jah⸗ 
zestag Inauguration George Washingtons, die Delegatensitzung er⸗ 
iffnet werden soll. 
FGur Statistik der Atlentale.) Seit dem ersten 
Drittel dieses Jahrhunderts wurden auf gekrönte Haͤupter und Prä⸗ 
identen von Republiken 81 Attentate berübt. Blos in2 Fällen 
Lincoln, Herzog von Parma) führte das Attentat den Tor des 
Ungefallenen herbei. Von den übrigen 29 Altentaten hallen nur 
ehr wenige schwere, einige leichte und die übtigen gar keine Ver⸗ 
vundungen zur Folge.