St. Ingberler Anzeiger.
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Sonntag, den 190. Oktober
Deutsches Reich.
Mängqhen, 15. Ott. Wegen der heute erfolgten Abreise
des Ministers v. Pfretßschner nach Berlfn bicitt die Be⸗
rathung des Eisenbahngefetzentwurfes im Ausschuß der Reichsraths⸗
ammer ausgesetzt bis nach der Rüdkehr des Ministers. Daß fich
derfelbe jetzt, da seine Anwesenheit hier erforderlich ist. nach Berlin
begab, daraus will man schließen, daß im Bundesrath nächster
Tage Gegenstände bon wichtiger und dringlicher Natur zur Berath⸗
ung gelangen; man vermuihei, daß es sich um Fragen handelt, die
nit dem brojetlirten Handelsdertrag mit Oesterreich in Verbdindung
schen .
München, 17. Olt. Die Nammer der Abgeordneten hat
nach langer, lebhafter Debatte den Artikel 2 des Malzaufschlag⸗
Besetzentwurfs8 Erhöhuug des Malzaufschlags auf 6 Mart vbro
Hektoliter des zur Bierbereitung bestimmien Malzes) nebst dem An⸗
rag Vaillant mit bedeutender Majorilt und ebenso die ubrigen
Artikel angenommen. Der Antrag Vaillant lautet betanullich dahin,
daß die Erhöhung blos bis 1. Januar 1882 gilt; alsdann wird,
ialls mittlerweile dicht eine anber gesetliche Bestimmung zu Stande
kommt, wieder der seitherige Satz von 4 Mart in Kraft treten.
Berlin, 16. Ott. Der Kaiser hat seinen Aufenthalt in
Baden⸗ Baden um zwei Tage verlangert, und trifft erst am Mittwoch
den 22. Olt., Vormittags 108.4 UÜhr, von dori in Berlin ein.
nAussand.
Aus den Vereinigten Staaten kommt die Nach⸗
acht, daß die Republilaner im Staate Ohio bei den Staats⸗
vahlen mit einer Vehrheit von 23,000 Siimmen gefiegt baben.
In dem Unionsstaate Jowa fieglen sie mit einer Mehrheit von
30. 000 Stimmen. Fuͤr die ruhige Entwicklung der Union sind
as sehr erfreuliche Ereigniß⸗.
ermischteg. ⸗
St. Jugbert, 18. Ol. Das neue Gerichtsverfahren
zringt eine jehr tief in die bücgerlichen Verhältnisse dringende
Neuerung mit sich, mit welcher sich das Publkum nicht zeitig ge⸗
zug bekannt machen kann, namlich die sogenannten Zahlungsbefehie.
ks verhalt sich folgendermaßen damit: Wenn Jemand einen sau⸗
nigen Schuldner hat, so kunn er in Zukunft zu dem Amisrichter
jehen und beantragen, daß der Schuldner Befehl erhalte, zu be⸗
ahlen. Dieser Befehl wird sogleich ausgefertigt und dem Schuld ·
jer aufgegeben, innerhalb zweier Wochen entweder zu zahlen oder
Widerspruch zu exheben. Thut ir Beides nicht, so wird ein Voll⸗
tredungsbesehi erlassen auf Grund dessen dann der Schuldner ohne
veiteren Aufenthalt gepfuͤndet wird. — Da es auf die Höhe der
Zumme nicht ankommt, so kann der Zahlungsbefehl aͤuf eine
Million Matk erlassen werden. — Der Amtsrichter ertheilt den
Zahlungsbefehl jedoch nur daunn, wenn der Gläubiger wirkiich Geld
jergegeden eder bestellte Waaren wirllich geliefert hal. — Nur das
Amisgericht erlaͤßt Zahlungsbefehle. Dißhalb hat der Glaͤubiger
zuuch kleinen Anwalt nöthig. Der Gläubiger muß sich an das Amis⸗
zericht wenden, in welchem der Schuldner seinen Wohnsitz hat oder
ich aufbalt.“ Hat ein Gläͤukiger mehrere Schuldner, so lann er sie
leich miteinander in dem einen Gesuche aufführen, d. h. gegen sie
Zahlungsbeiehl beantragen. Der Amtsrichter kann das Gesuch
urückweisen, wenn der Anspruch im Inhalte des Gesuches überhaupt
»der zur Zeit nicht begründet itt. Der Glaäubiger muß dann sei⸗
nen Anspruch im Wege gewöhnlicher Klage berfoigen. Nimmt der
Amitsrichter das Gesuch an— „so erläßt er den Zahlungebefehl, wel⸗
der natürlich nicht umsonst ertheilt wird.Der Gerichisschreiber
ertigt hievon eine Abschrift und Ubergiebt sie dem Gerichtsvollzieher,
endet dem Schuldner den Zahlungsbefehl per Post oder sucht ihn
n der Wohnung auf. Laßt sich der Schuldner nicht treffen, so
vird der Zahlungsbefehl an die Thüre seiner Wohnung geheftet
der dem Hausmeister, der Koͤchin, dem Gehilfen in der Wetrkstan
ibergeben. An Sonntagen datf der Gerichisdollzieher fich 4
icht auf den Weg machen. Wenn nun der Schuldnet Wider tuch
chebt, — was müundlich durch den Gerichtsschteiber oder ichtifilich
aurch die Erkllärung: „Ich erhebe Widerspruch“, geschehen lann,
7 o wird der Zahlungsbefebl dinfällig. Das Amäisgericht ver⸗
ändigt den Gläubiger von dem Widerspruch, das Mahnberfahren
st damit zu Ende, und der Gläubiger muß nun den Schulbner
ur mündlichen Verhandlung bor das Amtsgericht laden lassen.
Der Amtsrichter beraumt die Verhandlung für die nächsten Tage
an, und es beginnt nun der gewöhnliche Vrozeß (Rechtsstreit) Die
Frist ist im ganzen Versahren fehr kurz. Es ist daher für den
Zchuldner unter allen Umftänden große Eile nöthig, sonst sieht er
ich gepfändet. ehe er recht an den Zahlungsbefehl glauben will.
F Seit 1. Okt. ds. unterliegen oͤffentliche Versteigerungen bon
eweglichen Sachen und von Nutzungen, welche nicht den Mobitien
leich zu achten sind — also Mobiliarversteigerungen — insbesondere
nuch Waarenauktionen, dann Holzversteigerungen, Weinversteigerungen,
Zersteigerungen von Grasnutzungen, sowie überhaupt von Früchten
uuf der Wurzel u. s. w. einct Gebühr zu 1 vom Hundert des er⸗
ielten Gesammterldses. Hiebei macht es keinen Unterschied, ob die
dersteigerung von einem Notar, einem Gerichtsvollzieher oder einer
Brivatherfon⸗ vorgenommen wird, Besteht der Preis in jährlich
vlederlehrenden Leistungen, wie 3. B. bei Grasversteigerungen auf
nehrere Jahre, so dildet der Betrag des einjährigen Preiseg mullti⸗
lizirt mit der Zahl der Jahre und, wenn der 25fache Betrag ge⸗
inger ist, dieser Betrag die Gegenstandssumme, aus welcher die
Zebühr zu entrichten ist. Privatpersonen, welche kine gebühren pflich⸗
ige Versteigerung vornehmen wolen, haben spatestens zwei Tage
vor deren Beginn dem Rentamte jchriftlich Anzeige zu erstatten.
FQuittungs gebühren. Da vielfach Unkenniniß be⸗
üglich der Quittungsgebůhren besteht, so soll hier auß die Artifel
229 und 230 des Gebührengeseßes aufmerksam gemacht werden.
Dieselben lauten: Art. 229. Besoldungs⸗ Pensions⸗ und alle
abrigen Quittungen und Bescheinigungen über Zahlungen und Natural
dergütungen, welche aus Hof⸗, Staais⸗ Gemeindes, Stiftungs- oder
andern oͤffentlichen Kassen geieiffet werden, unterlie gen der derhau—
ußmaßigen Gebühr. Dieselbe ist von dem Quittungsaussteller zu
ragen.“ Art. 230. „Die Gebühr des Art. 229 derechnet sich aus
der abquittirten Summe oder dem Gesammigeldwerthe der Nalural.
ergütung jedes einzelnen Geldempfängers und beträgt von Summen
u 5-2199 M. einschlüssig 20 Pf., 200 —499 M. 50 Pf., 500 —
99 M. 1 M., 1000- 1999 M. 2 M. „2000 - 2999 M. 4
M. und so fort von jedem Tausend Mart 2 M. mehr dergestalt,
»aß jedes angefangene Tausend für voll gerechnet wird.“ Diese
Bßebühren find laut allerhöchster Verordnung vom 12. September
879 durch Verwendung von Gebühren Stempel⸗) Marken zu
entrichten.
Die Berufung des Handelsmannes Eduard Ledi von Pier⸗
masens gegen das Urtheil des k. Zuch tpotizeigerichts dahier vom
3. Sept. abhin, wodurch derselbe wegen einfachen Bankermis zu 5
Jahren Gefängniß und fünfjährigem Ehrenverluste derurtheilt worden
ist, wu rde durch das k. Appellationsgericht dahier unterm Heutigen
als unbegründet verworfen. —
7Der elfte deutsche Frauentag in Heidek⸗
herg. Die ersie öffentliche Versammlung fand am 5. Ociober,
stachmittags 6 Uhr, im großen Saale des Museums statt. Ein
ehr zahlreiches Publikum fullte den Raum, selbst die Gallerieen
varen dicht besetzt. Frau Dr. Goldschmidt aus Leipzig hielt den
rsten Vortrag. „Die Frauenfrage eine Culturfrage“, in welchem
ie in llarer, einsacher und bestimmter Weise darlegte, daß die
eutigen Cullucverhaitnisse unabweis bar verlangen, daß der Frau
ie Moͤglichkeit gegeben werde, die ihr von der Natur verliehenen
drte so gut in ehrlicher ürbein su verwerthen wie der Mann.
Iuf statistischer Grundlage wies sie nach, daß nicht nur die Ehe⸗
ofigkeit in erschteckender Weise zunimmt, sondern auch, daß die Be⸗
odilerung Deutschlands, mit welchem Land wir es hier vorzugs⸗
veise zu thun haben, in zwei sehr ungleiche Haͤlften getheili sei,
vovon der weitaus größere Theil auf das weibliche Geschlecht
alle. Daß es unler solchen Umsianden dringend geboten sei, durch
die Etziehung dem wiezblichen Geschiech das Bewußtsein seiner
drafte, seiner Pflichten und seinet Rechte zu geben, das legte am
weiten Tage Fraul. Marie Calm aus Castet einem den ganze⸗