St. Ingberlter AAnzeiger.
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Der St. Jugberter Auzeiger und das (2 mal wo hentlich) mit dem Hruptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. (Sonntags mit illustrirter Bei—
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1879.
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alten, sowie von der Expedition entgegengenommen.
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ααν
Deutsches Reich.
Mäünchen, 29. Jan. Abgeordnetenkammer. Der Antrag
bon Cränmer, betreffend den dem Bundestath vorliegenden Gesetz⸗
entwurf über die Strafgewalt des Reichsstages wurde bei nament⸗
licher Abstimmung mit 180 gegen 1. Suͤmme (Karl Schmidt)
angenommen. Joͤrg erklärte Namens seiner Partei deren einst'm⸗
migen Auschluß an den Anttag. Minister Pfretzschner erklärte
Namens der baherischen Regierung heute bindende Erklärungen noch
aicht. geben zu können. (Der Antrag Crämer's Lautet, „Die
sammer wolle beschiießen, an Se. Maj. den König mit Bezug
auf Art. 27 der Reschsberfassung die ehrfurchtsvoliste Bitte zu
richten, Allerhöchsiderselbe wolle die Bevollmächtigten Bayerns im
Bundesraih anweisen, dem Gesetzeutwurf, die Strafgewall des Reichs
dages betr. die Zustimmung zu versagen.“)
München, 29. Jan. Abgeordnetenkammer. Die zurück⸗
haltende Erk ärung des Ministerpräsidenten d. Pfretzschner bezüglich
des Crämer'schen Antrages wurde von ihm damit begründet, daß
die Regierung nicht gut hun würde, eine Ansicht üder die Sache
auszusprechen, bevor die Verhandlungen im Bundesrath stattgehabt
hätten, und das um so mehr, da Verhältnisse des Reichstages da⸗
durch berührt würden. Der Abgeordnete st. Schmidt flimmte
deshalb gegen Crämer's Antrag, weil er der Ansicht ist, die Sache
sei ausschließlich durch den Reichstag zu erledigen.
Ueber den Antrag Windthorst's, betr. Wiederherstellnng der
lim Interesse des „Kulturkampfs“) aufgehobenen preuß. Verfas⸗
jungsartikel 15, 16 und 18 ist das Abgeordnetenhaus heute zur
Tagesordnung übergegangen. Für Windthorst stimmten das Cen—
irum, die Polen und die Altconservativen.
Berlin. Die Agitationen für Getreidezölle nehmen einen
immer größeren Umfang an. Jetzt wird von den vornehmsten
häuptern der sog. Landwirthschastspartei eine Untersuchung über
ie Rentabilität des deutschen Getreidebaues verlangt, um mit einiger
Sicher heit feststellen zu lönnen, wie hoch der Getreideeinfuhrzoll de—
nessen werden muß. Nach Ansicht dieser Agrarier ist ein Einfuhr⸗
Werthzoll auf Getreide in Höhe von 15pCt. das geringste, was
die daterlündische Landwirthschaft in dieser Beziehung erlaugen muß.
In einem Circular werden die Gesinnungsgenossen der Landwirth⸗
chaftepartei aufgefordert, in ihren Kreisen entsprechende Gesuche,
verbunden mit Zustimmungsadressen zu dem. „echt nationalen“
Wirthschaftsprogramm des Reichskanzlers, zahlreich und schleunigst
veranlossen zu wollen. Daß es an Massenpelitionen der Agrarier
zeinr Reichstage nicht fehlen wird, leuchtet darnach ein. (Frm 3.)
Berlin. In einer Versammlung von etwa 2000 Wählern
iprach gestern der Abg. Eugen Richier übder Getreidezölle. Er
ührte in seiner Rede aus, der Reichslanzlers wolle nichts als hohe
Steuer Einnahmen, und da ihm diese vom Reichstag stets verweigeit
vürden, so bediene er sich jetzt der Zollpolitik als Mittel, um zu
senem Zweck zu gelangen. Der Kanzler verspreche bei Getreidezöllen
geringere directe Steuern, hoͤhere Bean tengebalte und höheren
Arbeitslohn. Die Wahrheit dieser Versprechung vorausgesetzt, so
ei der höhere Arbeitslohn bei einer Preiserhöhung detr nothwen⸗
igsten Lebensmittel eine Taäuschung. Daßß e6 mit den höheren
amteng halten noch weite Wege habe, darüber sei er als Abge⸗
idneter sehr genau unterrichtet, und ebenso seien die geringeren
dir clen Steuern eine blose Redensart. Daß der Auslander? den
Betreidezoll bezahlen werde, glaube der Kanzler selbst nicht. Der
Ausländer, wie Rußland und Polen, woher Deutschlaud das meiste
Betreide beziehe, werde den an der deutschen Grenze gezahlten Zoll
nicht bloz auf den Preis des Getreides schlagen, er werde sogar
»emüht sein, der Zollplackereien wegen, sein öetteide nach anderen
Aandern zu verkausen. Ferner sei zu erwägen, daß der gidßte
Brod. Consument der arme Mann sei, uud daß, während bei der
„tecten Steuer einer zahlreichen Familie wegen eine Derminderung
des Steuersatzes eintrete, bei der indirecten gerate deshalb die
Steuerleistung sich erhöhe. Daß der Landmann von einem Ge⸗
reidezoll keinen Vortheil habe, würden ihm die vielen anwesenden
Landwirthe bezeugen. Die unaufhörlichen Kriege, die Handel und
Wandel lähmen, eint unendliche Militärmacht erfordern und it zi
gar eine Pest im Gefolge haben, seien die Ursachen des wirth⸗
schaftlichen Nothstandes urd nicht die bisherige Wirthschafkspolitit.
Dit Unteriuchungen über den Untergang des deutschen Han⸗
delsschiffes , Pommerania? sind von dem Hamburger Sceamt gestern
beendet worden. Die Verhandlungen drachten nichts wesentlich
Neues; schließlich beanttagte der Reichskommissär, das Seeamt
volle erllären: der Kapitän und die Oijfiziere der Pommerania“
seien an dem Zusammenstoß schuldlos, daneben aber aussprechen,
daß das Offenhalten leerer Kohlenbehälter ohne zwingende Nolh⸗
vendigkeit für die Zukunft zu vermeiden sei. Die Publikation des
Erlenntnisses wurde ausgesezt.
In der hefsischen Kammer wurde durch den Abgeordne⸗
sen Wasserburg der Gesetzentwurf über die Strafgewalt des Reichs⸗
tages ebenfalls zur Sprache gebracht. Der hJenannte Klerikalde⸗
mokrat hat den Autrag eingebracht, daß auch die hessische Regierung
hren Bundesrathsgesandten dahin instruite, dem Gejetzentwurfe
seine ZukLimmung zu verweigern.
Ausland.
Wien, 29. Jan. Die „Pol't. Corresp.“ meldet aus Kon⸗
tantinopel: Der Adschluß des defiaitiven Ftiedensvrrirages wird
noch immer durch die Schwierigkeit verzo gett, über die Fassung des
Artikels 11 ein Einverftändniß ju erzielen. Auh bezüglich des
Zeitpunltes der Bezahlung der Entschädigung far den Unterhalt der
ürkischen Kriegsgefangenen wurde noch keine Einigung erzielt.
Dagegen soll eine Vereinbarung darüber erzielt worden sein, daß
35 Tage nach der Unterzeichnung des Vertrages die Raͤumung des
aukischen Gebietes seitens der Rassen volsszogen sein muß.
Paris, 30. Jan., Mittags. Die Korrespondenz
„Havas“ meldet: Marschall Mac Mahon verließ
jeute Mittag das Elysée; um 1 Uhr findet Minister⸗
rath in Versailles Statt, dem Mac Mahon präsidirt.
Der Marschall wird demselben ein kurz motivirtes Schrei⸗
den übergeben, worin er seinen Rücktritt als Präsi—
dent der Republik anzeigt. Der Kong reß (Senat und
Deputirtenkammer) wird sogleich zusammentreten. Die
Wahl des Präsidenten der Deputirtenkammer, Grevy,
als Nachfolger Mac Mahon's gilt als gewiß.
Paris, 30. Jan., Nachmittags. Der Rücktritt
Mac Mahon's wird soeben amtlich angezeigt. Der Kon⸗
zreß ist auf heute Abend 6 Uhr zusammenberufen. Di
Wahl Grevy's kann als gesichert betrachtet werden.
London, 29. Jan. die Türkei gab ihre Einwilligung
zur Abtretung Janiaa's an Griechenland. (Fr. 3.)
Rom. Eine vom König eriassene Verordnung bestimmt, daß
alle gus den russischen Häfen des Schwarzen Meeres und des
Asowschen Meeres kommenden Sch'ffe einer zfanitätlichen Revision
und flrengen Desinfeknon zu unterwerfen sind.
Petersburg, 29. Jan. Die aus Aftrachan und von
der Wolga eingeiorderten Berichte sowie Pribatmeldungen lauten
heruhigend. Die Regierung hat für größte Euergie in Ausführung
von Vorsichtsmaßregeln Vorsorge getroffen. Im Gouvernemen
Astrachan sind seit dem 26. Jan, keine epidemischen Kranken mehr
vorhanden.
Bermischtes.
*St. Ingabert. Dem kurzen Berichte über die an
Montag. Abend stattgehabte Generalverjsammlung des Arbeiter—
ildungsvereins lassen wir heute einen Rsdblid auf dee
Wirksamkeit des genannten Vereins im Jahre 1878 folgen.