Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Inaberler Anzeiger. 
—AX 
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1880. 
M 54. Sonntag den 4. April 
Deutsches Reich. 
Der Kaiser hat dem Fürsten Bismarck zu dessen Geburts— 
tag (1. April) Nachmittags einen Gratnlationsbesuch abgestattet. 
Die Capelle des Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiments 
brachte dem Fürsten eine Morgenmusik. Das diplomatische Corps 
und eine große Menge distinguirter Personen gaben ihre Karten 
ab. Aus allen Gegenden Deutschlands liefen eine große Anzahl 
Telegramme und Briefe mit Glückwünschen, sowie Blumenspenden 
und anderen Angebinden ein. Nachmittags concertirte das Musik⸗ 
corps des 2. Garde⸗Regiments. 
Nach einem dem Bundesrath übersandten Präsidialantrage soll 
die Ausprägung von Silbermünzen den Betrag von 12 
(statt der bisherigen 10) Mark pro Kopf der Bevölkerung des 
steiches nicht übersteigen. 
Ausland. 
Die Türkei will jetzt ernstlich daran gehen, die Sache mit 
Montenegro ins Reine zu bringen und hat der Ministerrath 
dem Sultan jetzt eine Vorlage unterbreitet, worin in Betreff des 
Gebietsaustausches fast allen Ansprüchen des Fürsten Nikita will⸗ 
jahrt wird. Wegen Griechenland soll der deutsche Botschafter 
den Großvezier auf die der Türkei drohenden Gefahren aufmerk— 
sam gemacht haben, die aus Verzögerung der Grenzberichtigung 
entstehen, und zugleich bemerkt haben, daß Deutschland in dieser 
Frage mit Frankreich übereinstimme. 
Ueber den Ursprung der revolutionären Partei in Rußland 
oringt das neue Regierungsblatt „Bereg“ eine lange Abhandlung. 
Danach bestanden die bis jetzt ertappten Revolutionäre zu 80 pCi. 
aus Edelleuten, Ofsizieren, Kaufleuten und Ehrenbürgern. Davon 
waren die Adeligen mit 26, die Geistlichen mit 19, die Ehrenbürger 
mit 3 und die Offiziere mit 1 pCt. vertreten. Den Rest bildeten 
Juden und gebildetere Kaufleute. 80 pCt. aller Sozialisten waren 
gebildet, davon 32 pCt. auf der medicochirurgischen Akademie, 14 
vCt. auf dem technologlischen Institut, ebenso viel auf der Petrow'schen 
Akademie, auf der Petersburger ferner 11, auf der Kiew'schen 6, 
auf der Moskauer gleichfalls 6. Nur 20 pCt. der Propagandisten 
haben mittlere oder gar keine Lehranstalten besucht. Schade, daß 
der „Bereg“ uns nicht mittheilt, wie viel Prozent die relegirten 
Studenten und Gymnasiasten zur Partei der Sozialisten gestellt 
haben; ob es viel weniger als 100 Prozent sind? Von 63 verur⸗ 
theilten weiblichen Mitgliedern der Partei waren 39 Prozent 
Schülerinen der höheren Mädchengymnasien, 25 Prozent Hörerinen 
der geburtshilflichen Kurse, 17 Prozent studirten Medizin. Der 
Prozentsatz der betheiligten und festgenommenen Schülerinen anderer 
Anstalten beläuft sich auf nur 19. Man sieht, worauf in Ruß—⸗ 
land die höhere weibliche Bildung hinausläuft. 
Der Schatzsekretär der Vereinigten Staaten Nord-Ameri⸗ 
kas, Sherman, erklärte in einer in Mansfield (Ohio) gehaltenen 
Rede, unter Hinweis auf die bevorstehende Präsidentenwahl, die 
republikanische Partei werde die Wiederaufnahme der Baarzahlungen 
und die Fundirungs⸗-Operationen aufrecht erhalten, sowie die con⸗ 
stitutionellen Amendements mit allen der Bundesregierung zu Ge⸗ 
bot stehenden Mitteln zur Geltung bringen. Waährend des ver⸗ 
gangenen Monats habe sich die Staatsschuld um 14,000,000 Doll. 
vermindert. Es sei dieses eine größere Reduction als in jedem 
—X 
Der Senat der Vereinigten Staaten nahm den Ge— 
setzentwurf betr. die Veranstaltung einer internationalen Ausstellung 
in New⸗-York im Jahr 1883 an. 
Durch die k. Gensdarmerie wurde am vorigen Dienstag der Schuster 
Val. Kiefer von Winzeln eingeliefert, welcher beschuldigt ist, 
dem Wirth Jakob Schimmel von Winzeln eine Summe von 375 
M. mittelst Einbruchs entwendet zu haben. Die Summe wurde 
in einem Dunghaufen vergraben aufgefunden, und soll Kiefer die 
That bereits eingestanden haben. — Einen glücklichen Fang machte 
die k. Gensdarmerie am Ostersonnntag in Ruppertsweiler. 
indem sie einen dortigen Einwohner ertappte, als er einen von ihm 
gewilderten Rehbraten eben verspeisen wollte. Daß ihm der Braten 
gehörig versalzen wurde, kann man sich denken. 
FIn Sachen der Neustadter Gymnasiumsfrage sollte dieser 
Tage ein Ministerialrath aus München zu näherer Information in 
Neustadt eintreffen. 
4In der Nähe von Waldsee wurde vor einigen Tagen 
die Leiche eines jungen Mannes geländet, die als der Sohn der 
Ackersleute Dewein von Wollmesheim recognoscirt wurde. Wegen 
iner kleinen Züchtigung, die er im elterlichen Hause erlitt, soll 
der junge Mann den Tod gesucht haben. 
IFuIn Lambsheim hat sich am 831. März ein 60 J. 
alter Ackerer, ein fleißiger Mann, in seiner Scheuer erhängt. 
P'In Börrstadt fiel am 30. März ein 2jahriger Knabe 
in einen Eimer voll heißen Wassers und verbrannte sich derart, 
daß andern Tags der Tod eintrat. 
PIn der Nacht von Dienstag auf Mittwoch machte der Tag⸗ 
löhner Franz Reichert in Speyer auf seine Frau einen Mord⸗ 
bersuch. Zuerst suchte er sie zu erdrosseln, und als er dies nicht 
fertig brachte, schlang er ihr einen Sirick um den Hals, um fie 
ufzuhängen. Die Frau wehrte sich jedoch und schrie aus Leibes- 
träften, worauf die Nachbarschaft zu ihrer Hilfe herbei eilte. Der 
Grunde des Mordversuchs ist eine Liebschaft, die der nun in Haft 
befindliche Reichert neben seiner Frau unterhielt. 
Die Spehe rer Gewerbebank hatte im Jahr 1879 einen 
Gesammtumsatz von 16,240,009 Mark 75 Pf. bei einer Mit⸗ 
zliederzahl von 983 gegen 822 im vorhergehenden Jahre. Die 
Stammantheile haben sich von 225.968 Mt. auf 263,600 Mt. 
erhöht. Der Reservefond, welcher am 31. Dezember 1878 24,657 M. 
16 Pf. betragen, war am 31. Dezember 1879 auf 31,776 Mt. 
28 Pff. angewachsen. Die Depositengelder haben um 58,732 M. 
zugenommen und betragen 635,175 Mi. Die Geschäftsunkosten 
zeiaufen sich auf 83330 Mi. 90 Pf. Von dem erzielten Reinge⸗ 
winn 30,306 M. 77 Pf. beschloß die Generalversammlung eine 
Dividende von 9 pCt. zu vertheilen. 
Die Neuigkeit des Tages ist, wie aus Darmstadti be—⸗ 
ichtet wird, daß sich der regierende Graf Eberhard von Erbach⸗ 
Erbach in den ersten Tagen nach Ostern in zweiter (morganatischer) 
khe mit Fräulein Luck, Tochter des Hofgärtners in Bessungen 
Vorstadt), vermählen wird. Der standesamtliche Att, wie die 
irchliche Einsegnung erfolgen in Bessungen. 
FDie Darmstadter Schutzmannschaft verhaftete kürzlich einen 
sraelischen Bettler aus Jerusalem, welcher seine Glaubensgenossen 
dermaßen brandschatzte, daß er, wie bei ihm aufgefundene Postscheine 
hewiesen, das Geld lausendweise in seine Heimath zu senden vermochte. 
FIn den April schicken —über den Ursprung dieses 
cherzhaften Brauches, der am ersten April geübt zu werden pflegt, 
zerlautet Folgendes: Auf dem Reichstag zu Augsburg im 
Jahre 1530, wo man Religionsstreite schlichten und vieles Anderaere, 
was unterblieb, thun wollte, beabsichtigte man auch das MiMünz⸗ 
wvesen zu ordnen. Aber wegen so vieler anderer wichtia⸗gtiger Ange⸗ 
legenheiten kam man nicht dazu, setzte aber einen besononderen Münz⸗ 
lag auf den nächsten ersten April aus. Dieser er J. April wurde 
n vas Ziel dieler und vedeutender Spelulattatjonen, die aber all⸗ 
ins Wasser fielen, weil man eben des Muncunztages weiter nicht gee 
hahhicDie den Schaden hatten, braucauchten für den Spott nicht 
u sorgen und so entstand denn der Ar Ausdrud in den April schicken 
n jener Bedeutung, die sich bis ⸗ auf den heutigen Tag in ganz 
Deuͤtschland erhalten hat. 
Der „Voss. Ztig.“ r wird aus Straßburg i. G. ge⸗ 
chrieben: „Am Vorabendend des Geburtstages des Kaisexs erkonte 
um erften Male vowom Münster herab feierliches Glockengelaute 
Vermischtes. 
f* St. Ingbert. Ein Bursche von hier machte auf der 
Polizei in Frankenthal die Anzeige, er habe vorige Woche den mit 
Heu beladenen Wagen des Maklers Schäfer von Marnheim 
angezündet. (Der Wagen mit seiner Last war auf offener Straße 
in Frankenthal in Brand gerathen und verbrannt.) Da sich her— 
ausstellte, daß der Bursche mit seiner Angabe nur für einige Zeit 
freies Quartier erlangen wollte, so wurde er wieder aus der Haft 
entlassen. 
F Aus Pirmasens wird der „Zw. Zig.“ geschrieben: