Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

Ss. Ingberler AAnzeiger. 
Der St. Jugberter Auzeiger und das (2 mal wöchentlich? mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt. Sonntags mit illustrirter Bei⸗ 
lage) ericheint wöchentlich viermal: Dienstag, Dounnerstag, Samstag und Sonntag. Der Abonnementspreis betragt vierteljährlich 
A 40 B einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1I AM 60 H, erischließlich 40 4 Zustellgeblhr. Anzeigen werden mit 10 4, von Auswaͤrtk 
mit 15 — fuür die viergespaltene Zeile Blatischrift oder deren Naum, Reclamen mit 30 4 pro Zeile berechnet. 
A 86. 
Sonntag, den 30. Mai 
1880. 
Deutsches Neich. 
Die beiden Kammern des bayerischen Landtages werden 
im Laufe des Juli versammelt sein, mithin wenige Wochen vor 
der Feier des siebenhundertjährigen Jubiläums unseres Fürsten⸗ 
jauses, die allenthalben im Laud mit der Feier des Geburts⸗ und 
Namenstages Sr. Maj. des Königs vereinigt werden wird. Den 
Gesinnungen des gesammten bayerischen Volkes Ausdruck zu geben, 
steht vorzugsweise seinen Vertretern zu, und es wird denn auch dem 
Vernehmen nach in beiden Kammern eine der Jubiläumsfeier ent⸗ 
sprechende Beschlußfassung in Anregung gebracht werden. — An 
Stelle des kürzlich verlebten rusischen Gesandten in München, 
Hrn. v. Ozeroff, ist, wie man vernimmt, Graf von Osten-Sacken, 
bisher in Darmstadt, zum Gesandten an unserem kgl. Hof er⸗ 
nannt worden. 
Das Landeskomite für die WittelsbacherLan— 
Nesst if dun g hat in seiner Sizung vom 25. Mai in Muͤnchen 
solgende Beschluͤsse gefaßt: Die für den Zweck der Stiftung ver—⸗ 
ügbaren Renten sind zu verwenden zur Heranbildung tüchtiger 
handwerker, und zwar vornehmlich: a. zur Prämiirung von Lehr⸗ 
ingen, welche sich während ihrer Lehrzeit durch Talent, Strebsam⸗ 
keit und Führung ausgezeichnet und durch hervorragende Leistungen 
erprobt haben; b. durch Slipendien an wohlerprobte Handwerks⸗ 
gehilfen zum Besuche von Fachschulen, zur Erlangung don Arbeit 
in berühmten Wertstätten, zum Besuche von Gewerbes, insbesondere 
Fachausstellungen und Drgl.; c. zur Auszeichnung von Meistern 
ür herorragende Leistungen auf dem Gewerbegebiet, insbesondere 
ür Ausbildung einer Mehrzahl von tüchtigen Lehrlingen; d. zu 
Beiträgen für Errichtung und. Unterhaltung von Handwerker⸗Fach⸗ 
chulen, für Veranstaltnng von Fachausstellungen und für Förder⸗ 
ing sonstiger für den im Eingang erwähnten Zweck ersprießlicher 
nternehmungen. Die näheren Bedingungen, unter welchen diese 
Verwendungen stattzufinden haben, werden von denjenigen Stiftungs⸗ 
organen festgesetzt und bekannt gegeben werden, welche mit der 
Berfügung über die hiefür bestimmten Mittel betraut find. Der 
dönig behält sich und seinen Nachfolgern das Recht vor, diese 
Zwecke nach einbernommenem Gutachten den Zeitverhältnissen eni— 
prechend zu erweitern und zu ändern. Das Landeskomite erachtet 
es für seine Pflicht, bei der definitiven Berathung des Statuts in's 
Auge zu fassen, daß mindestens zwei Drittel der Renten des Stif⸗ 
ungsvermögens den Stistungsorganen in den einzelnen Regierungs- 
bezirken nach Verhältniß der in den letzteren geleisteten Beitraͤge 
zur selbständigen Verwaltung überlassen werden. Das definitive 
Landeslomité erllärt den nochmaligen Zusammentritt zur Berathung 
des Gesammt- Entwurfes für nothwendig. Damit einerseits bei 
dem wiederholten Zusammentritt das Ergebniß der Sammlungen 
xelannt sei und andererseits der Entwurf so rechtzeitig vorgelegt 
verde, daß er beim Erlasse des Stiftungsstatuts durch den König 
aoch berücksichtigt werden tönne, einigte man sich dahin, den nächsten 
Zusammentritt in der ersten Hälfte des Monats Juli stattfinden 
zu lassen. 
Dem Bundesrathe sind zugegangen die preußische und 
die baierische Uebersicht über die Ergebnisse des Heeresergünzungs⸗ 
zeschäfts im Jahre 1879. Hiernach wurden bei den 15unter 
preußischer Verwaltung stehenden Armeecorps 1,135,292 Mann 
geführt. Davon sind 114,529 ausgehoben; wegen unerlaubter 
Auswanderung wirden verurtheilt 12,780, während noch gegen 
11,820 die Untersuchung schwebt. In Boaiern sind geführt 
103,368 Mann, ausgehoben 17,059, wegen unerlaubter Auswan⸗ 
Don verurtheilt 190, während gegen 472 die Untersuchung noch 
chwebt. 
Unzweifelhaft das wichtigste Ereigniß der Woche ist jedenfalls 
die mit auf die im preußß. Ubg.e Haus eröffnete Kirchengesetz 
Berathung berechnete Veroffentlichung eines Erlasses des Fuͤrsten 
Bismarck an den deutschen Botschafter in Wien. Der Letztere 
jutte von demselben dem päpstlichen Pronuncius Jacobini,mit 
velchem als Bevollméöchtigtem der Kurie die jüngsten Verhand⸗ 
ungen gepflogen worden sind, Kenntniß zu geben.“ Die Sprache, 
velche Bismarck in seinem Erlaß führt, bedarf keiner erklärenden 
Bemerlungen; sie ist so deutlich. daß sie jedes Mißverständniß 
ausschließt. Im Großen und Ganzen hört sie sich an wie ein 
larer Wiederhall des schneidigen Kanzlerwortes.Nach Canossa 
gehen wir nicht! 
Pfälzisches Schwurgericht. 
Vor die am Montag, den 7. Juni nächsthin unter dem Vorsitz des 
igl. Oberlandesgerichtsrathes Schmidt beginnende Session des pfaälzischen 
Schwurgerichts fuͤr das zweite Quartal 1880 sind folgende Fälle zur Ab⸗ 
irtheilung verwiesen: 
1) Montag, 7. Juni, Vormittag 82/5 Uhr: Verhandlung gegen Joseph 
dimmel, 82 Jahr alt, lediger Schie ferdecker zu Käferthal, zuleßt in Neu 
tadt a. H., weßen Nothzuchtversuchs. Staatsanwall Petri, Vertheidiger 
Rechtscandidat Meyer. 
2) Dienstag, 8. Juni, Vormittags 8 /a Uhr: Verhandlung gegen 
darl Klein, 20 Jahre alt, lediger Tagner von Wiesenthalerhof (bei Kaisers 
autern), wegen Vornahme unzüchtiger Handlungen mit Gewait. Staals⸗ 
inwalt Kieffer, Vertheidiger Rechtscandidaͤt K. Schuler. 
8) Am selben Tag, Nachmittags 8 Uhr, sowie am 9., 10., 11. und 12. 
zuni: Verhandlung gegen: Michael Tilliuann „45 Jahr alt, Bierbrauer 
ind Wirth in Schifferstadt, Karl Tillmann, 42 Jahre alt, Bierbrauer und 
Jekonom allda, Franzisca Krembel, Ehefrau des Erstgenannten, Frie rich 
dermann Fischer, 34 Jahre alt, Kaufmann von Kirchheim bolanden, behei— 
nathet in Speyer, zuleßt Hopfenagent in Kaiserslautern, wegen betrügerischen 
Zanquerotts und Urkundenfalschung bezw. Theilnahme daran. Staalsanwali 
ODr. Krell, Vertheidiger die Rechtsanwälte Schmidt, Gebhart, Gink. 
4) Montag, 14. Juni, Vormittags 81/3 Uhr: Verhandlung gegen 
Bhilipp Altherr, 30 Jahre alt, Schneider von Durkheim, wegen Tödtuͤngs⸗ 
versuchs. Staatsanwalt Petri, Vertheidiger Rechtsanwalt Giessen. 
5) Dienstag. 15. Juni, Vormittags 82 Uhr: Verhandlung gegen 
beter Hoock, 49 Jahre alt, Fabrikarbeiter in Neckarau, wegen Meineids. 
Ztaatsanwalt Dr. Krell, Vertiheidiger Rechtsanwalt Kieffer. 
6) Am selben Tag, Nachinittags 8 Uhr: Verhandlung gegen Jacob 
dolb, 34 Jahre alt, Tagner bon Sippersfeld, wegen Körperverlehung durch 
Bift. Staatsanwali Kieffer, Vertheidiger Rechtscandidat Meyer. 
7) Mittwoch, 16. Juni: Verhandlung gezen Philipp Neurohr, 28 
Jahre alt, Tagner von Münchweiler, wegen Vornahme unzüchtiger Hand⸗ 
ungen mit Gewalt. Staatsanwalt Petri, Vertheidiger Rechtscandidat Schuck. 
8) Am selben Tag, Nachmittags 8 Uhr, und am folgenden Tag Ver— 
sandlung gegen Johann Schach, 62 Jahre alt, Aderer, und Anna Marga⸗ 
etha Schach, 56 Jahre ait, ledig, beide von Dreisen, wegen Meineids. 
7taatsanwalt Petri, Vertheidiger Rechtsanwall Kieffer. 
9) Freitag den 18. Juni, Vormittags halb 9 Uhr: Verhandlung ge⸗ 
en Franz Reichert, 51 Jahre alt, Tagner von Speyer, wegen Mordverfuchs. 
*taatsanwalt Vetri. Veriheidiger Rechtsanwali Gießen! 
BWw—5 
Vermischtes. 
F.Land stuhl. Ein Auswanderungslustiger, der es sehr 
chnell bereute, sein trautes Heim verlassen zu haben, kam am 
yerflossenen Sonntage wieder wohlbehalten hier aͤn, nachdem er 
erst vor 6 Wocheu von hier abgereisi war. um jenseits des Oceans 
ein Glück zu suchen. 
FIn Fischbach-Petersbächel ist am Mittwoch das 
Zchulhaus abgebrannt. Sämmtliche inicht versicherle) Mobilien 
)es Lehrers sind mitverbrannt. 
. In Trippstadit sind Halsbräune und Scharlach, 'die 
dort bekanntlich viele Opfer gefordert haben, nunmehr erloschen. 
Sonntag, den 13. Juni, werden die Herren Leopold 
Sonnemann aus Frankfurt a. M., Dr. Faas und Dr. Herz aus 
Mannheim im Kaiserslaute rer Fruchthallsaale öffentich über 
»as Programm der deutschen Volkspartei (demokratisch) sprechen. 
f In Lambsheim wird als Curiosität ein kürzlich aus⸗ 
jebrutetes Hühnchen mit 4 Füßen gezeigt. Dem „F. T.“ zufolge 
st dies abnorme Geschöpf recht munter. 
In Oberndorf bei Gollheim verbrannie ein vierjähriges 
dind, welches man allein zu Hause gelassen hatte, an einem Feuer, 
velches es durch Spielen mit Zundholzchen angefacht hatte. 
F In Groß niedesheim bei Frankenthal hat am 25. dss. 
ein dem Trunke ergebener Schneidergeselle die Vertilgung eines 
zroßen Quantums Schnaps augenblicklich mit dem Leben büßen 
müssen. 
F In Speyer hat am 27. ds. M. die protestantisch⸗theo⸗ 
logische Anstellungsprüfung begonnen. 
.München. Eine im vorigen Jahre in Berlin stattge⸗ 
Jabte Ausstellung von Militär-Fußbekleidungen und daraufhin ange⸗ 
tellte Proben haben ergeben, daß der bisherige Reitstiefel der be⸗ 
rittenen Truppen mit Schaft bis ans Knie vollkommen entspricht; 
ür die Fußtruppen wurde ein langschaftiger Stiefel (Schaftlange