Full text: St. Ingberter Anzeiger (1880)

St. Ingberker AAnzeiger. 
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A IOG. — 
Samstag, den 3. Juli 
1880. 
Deutsches Neich. 
Die bayer. General-Zolladministration hat im Amisblatt 
Nr. 25 das vom Bundesrath genehmigte Regulativ für Privat⸗ 
transitlager von den in Nr. 9 des Zolltarifs aufgeführten Waaren 
(Getreide ꝛc.) ohne Mitverschluß der Zollbehörde sammt den Be— 
stimmungen über Gewährung einer Zollerleichterung bei der Aus— 
fuhr von Mühlenfabrikaten, welche aus ausländischem Getreide her— 
gestellt sind, zur Verständigung der betheiligten Kreise des Handels⸗ 
und Gewerbestandes bekannt gegeben. Hierbei wird Folgendes 
bemerkt: 1) Zu dem Regulativ. Zu 8 10. Als inländisch nach—⸗ 
gewiesene Säcke unterliegen bei der Entfernung vom Lager in leerem 
Zustande der Verzollung nicht. Zu 8 14. Unter benachbarten 
Ortschaften sind nur solche zu verstehen, die miteinander in un— 
mittelbarem Zusammenhange stehen. Zu 8 14-20. Juristische 
Personen, Corporationen, Actiengesellschaften u. dgl., welche im 
Besitze von Getreidelagerhäusern sind, sind den im Regulativ auf⸗ 
geführten „Gewerbetreibenden, Großhändlern“ gleich zu achten. 
2) Zu den Bestimmungen. Die Regelung des kleinen Grenzverkehrs 
wird von den Bestimmungen nicht betroffen. 
Die Kirchengesetze«Commission des preußischen Herrenhauses 
hat am Mittwoch mit 11 gegen 2 Stimmen den Gesetzentwurf 
in der aus der dritten Lesung des Abgeordnetenhauses hervorge⸗ 
gangenen Fassung angenommen. 
Im Reichsjustizamt werden die Vorarbeiten zur Revision 
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ob es möglich sein wird, bei der Schwierigkeit der Materie, ein 
solches Gesetz in der nächsten Zeit schon dem Reichssstage vor⸗ 
legen zu können. 
Der deutsche Kronprinz wird einem Gerüchte zufolge 
in diesem Sommer das Bad Alexandersbad bei Wunsiedel im 
Fichtelgebirg besuchen. 
Die „Nordd. Allg. Z.“ ist zu der Mittheilung ermächtigt, daß 
Fürst Bismarck sich in Friedrichsruhe aller nicht dringlichen 
Dienstgeschäfte enthalten werde; Privatgesuche an ihn würden saͤmmt⸗ 
lich unbeantwortet bleiben. 
Wie man dem „Echo der Gegenwart“ aus Ems telegraphirt, 
wird das Fest der Vollendung des Kölner Domes definitiv am 
tb. September im Beisein des deutschen Kaisers stattfinden. An 
sämmtliche deutsche Fürsten sollen Einladungen ergehen. 
Es bestätigt sich, das die kaiserliche Tabakmanufaktur Straß— 
burg im Elsaß in Berlin wie in anderen großen deutschen Städte Fili⸗ 
alen für ihre Regietabake errichten wird. Man hört, daß für 
Berlin nicht eine, sondern mehrere Verkaufsstellen der Tabakmanu— 
faktur in Aussicht genommen sind. Es wird jedenfalls im Reichs⸗ 
tage diese neue Geschäftsthätigkeit der Straßburger Tabakmanufactur, 
die jetzt unter der Leitung eines anerkannten Vorkämpfers für das 
Tabaksmonopol steht, zur Sprache kommen. 
Ausland. 
Ungefähr 35 französische Richter und Staatsanwölte haben 
bis zum 29. Juni ihre Stellen aufgegeben, weil sie die Decrete 
vom 29. März nicht ausführen wollten. Der Minister hat sofor' 
Nachfolger ernannt. 
Nach Berichten aus den französischen Departements haben 
die Jesuiten am 80. Juni überall ihre Niederlassungen geräumt 
unter der Erklärung, der Gewalt zu weichen. Es sind keinerlei 
Gewaltthätigkeiten und Unordnungen vorgekommen. In Bordeautr 
verlangten die Jesuiten, man solle sie an dem Arm packen, damu 
io der individuelle Zwang festgestellt werde. Ihr Oberer übergab 
einen Protest gegen Verletzung des Hausrechts. In Avignon drohlen 
die bei den Jesuiten anwesenden hervorragendsten Rohalisten dem 
Staatskommissar mit Stochschlagen. Die Jesuiten in Lyon nahmen 
ein Protokoll auf; im Namen der bez. bürgerlichen Gesellschaft ift 
an den Präfekten und Kommissar gerichtliche Vorladung zum Frei⸗ 
tag ergangen. In Marseille wollten einige Individuen unter Ge⸗ 
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der Staatskommissär ließ die Straße freimachen. Der Kommissar 
in Angers ließ die Thür des Jesuiten⸗Instituts erbrechen; Bischol 
Freppel protestirte mit der Erklärung, nur der Gewalt zu weichen 
Hes ließen sich die Rufe hören: Es lebe Freppel! Es leben die Je— 
suiten! andererseits aber auch: Es lebe die Republik! In Nantes 
aotifizirten die Jesuiten einen Protest gegen die Verletzung des 
Hausrechtes und der Personen und gegen den Angriff auf' das 
Eigenthum. 
Die Siegelanlegung an der Pariser Jesuiten-Kapelle ist am 
29. Juni Abends und die Räumung des Klosters am 30. Juni 
Morgens 4 Uhr ohne Störung erfolgt., 
Der „Moniteur belge“ bestätigt den definitiven Abbruch der 
iplomatischen Beziehungen Belgiens zu dem Vatican und be— 
Ainnt bie Veröffentlichung von diplomatischen Actenstücken, worin 
Froͤre Orban (belgischer Minister) u. A. unabwendbare Repressalien 
zegen den Klerus anzeigt, sofern derselbe fortfährt, gegen die Siaats 
zesetzen zu wühlen. Der belgische Gefandte erhiell am 5. Juni 
die Anweisung, Rom zu verlassen. 
F Nach einem in Eondon circulirenden Gerüchte sollen die 
Russen zweimal von den Chinesen mit Verlust von Proviant und 
Munition besiegt worden sein. (7) 
Die englische Regierung hat beunruhigende Berichte über 
die Lage in Afghanistan und die Stimmung des indischen Heeres 
erhalten. 
Vermischtes. 
*St. Ingbert, 2. Juli. Gestern und heute unlerzog 
der kgl. Studienrektor Herr Dr. Autenrieth von Zweibrücken die 
hiesige Lateinschule einer Visitation. 
Aus dem Blies gau. Zu unserm Bedauern ist bei 
den Ausgrabungen der Alterthümer in Erfweiler, die all— 
eitiges Interesse geweckt hatten, Stillstand eingetreten. Wenig⸗ 
stens sahen wir bei einem Besuche dorten nichts, was auf eine 
Fortsetzung der mit großem Fleiße begonnenen Ausgrabungen deu⸗ 
ten ließe. Es ist dies leicht jedenfalls dahin zu erklären, daß der 
Besitzer der Wiese, auf der die Ausgrabungen stattfinden, zwar 
vom Alterthumsverein 100 Mark für seine Arbeiten bekam, für 
dieses Geld aber viele Wochen gearbeitei hat und nun auf eigene 
Kosten nicht mehr weiter vorgehen will. Es läge aber sehr im 
öffentlichen Interesse, wenn die Alterthümer, herrührend von einem 
römischen Bade, völlig frei gelegt würden, theils wegen der son⸗ 
derbaren, sehr soliden früheren Bauart, theils wegen der mannig⸗ 
achen Funde in Münzen und Geräthschaften, die für den Alter- 
thumsfreund einen ungemeinen Reiz haben. Zu meiner Freude 
höre ich nun auch, daß nach der Heuernte die Arbeiten fortgesetzt 
verden sollen. Wünschen wir den besten Erfolg! 
F Vom J. Juli ds. Is. ab werden Paquele ohne Werthan⸗ 
gabe im Gewicht bis 5 kg nach der Schweiz nur frankirjt 
befördert. Die Tare für ein solches frankirtes Paquet beträgt 80 Pf. 
x. In Folge einer Einladung des Bürgermeisteramis tagten 
am Mittwoch im Stadtrathssaale zu Zweibrücken die Spitzen 
der sämmtlichen dortigen Behörden ꝛc. und Vereine, um sich wegen 
Begehung der Jubelseier der 700jährigen Verbindung des bayerischen 
Bolkes mit der Wittelsbacher Dynastie zu besprechen. Behufs Fest— 
jetzung des Programms wurde aus der Mitte der Versammlung 
ein aus 14 Herren bestehendes Comite gewählt. 
F Dr. Zinn, Reichstagsabgeordneter für Kaisers lau— 
tern soll in Kissingen, wo derselbe sich zur Zeit als Kurgast be— 
findet, nicht unerheblich erkrankt sen. Auf das dringende Gebot 
seines Arztes mußte er schon seit längerer Zeit alle Anstrengungen 
— ADD— 
um seine erschütterte Gesundheit zu stärken. 
F In Münchweiler ist am 28. Juni wieder eine Kuh 
an Milzbrand gefallen. 
FDie Gemeinden des Bezirksamtes Bergzab ern haben 
beschlossen, ihrem füheren Bezirksamtmann, Herr Regierungsrath 
Späth, als Andenken und als Zeichen der Dankbarkeit ein Photo— 
graphie⸗Album zu verehren. Eine Deputation wird dasselbe am 
3. Juli, also heute, überreichen. 
Aus Frankenthaal berichtet die „Pf. Volksz.“: Das 
Heschäft in neuen Kartoffeln hat begonnen. Die Handlung H. 
Kraußer hat schon größere Quantitäten auf dem Acker gekauft und