St. Ingberler AAnzeiger.
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M 190. Sonntag, den 28. November 1880.
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Deutsches Reich.
Das General-Komite des landwirthschaftlichen Vereins in
Bayern, berieth über den Entwurf einer Instruktion zum Voll—
zuge des Reichsgesetzes, betreffend die Abwehr und Unterdrückung
von Viehseuchen. Das Komite begutachtete wesentliche Abänder—
ungen des Entwurfes. So soll z. B. die Anordnung und Durch—⸗
führung der gesetzlichen Schutzmaßregeln den Ortspolizei-Beboͤcrden
zugewiesen werden.
Der Steuergesetz⸗ Ausschuß der bayerischen Abgeordnetenkam⸗
mer hat am 25. ds. von den neulich erwähnten Modifikations-Anträgen
zu Art. 2 des Gesetz-Entwurfes über die Kapitalrentensteuer
einen modifizirten Antrag des Abgeordneten Walter angenommen
wonach die Kapitalrentensteuer in folgender Weise anzulegen ist:
mit 1* Prozent bei einer Jahresrente von über 40 bis 300 M.;
mit 2 Prozent von über 300 bis 600 M.; mit 2 Prozent von
über 600 bis 1000 M.; mit 3 Prozent von über 1000 bis 3000
M. und mit 32 Prozent bei einer Jahresrente von über's000 M.
Aus der weiteren Berathung ist noch hervorzuheben, daß der zweite
Absatz des Art. 9, welcher lautete: „Bayerische Staatsangehörige
welche, ohne einen Wohnsitz in Bayern zu haben, sich dauernd im
Ausland aufhalten, sind der Kapitalrentensteuer nicht unterworfen“,
gestrichen wurde.
Bekanntlich hat die Thronrede bei Eröffnung des preußischen
Abgeordnetenhauses die frohe Botschaft verkündet, daß dem Lande
aus den Ueberschüssen der Einnahmen ein Steuernachlaß von 14
Millionen zu Theil werden sollte. Der hinkende Bote kam aber
sosort nach, indem für die Beseitigung des Nothstandes in Ober—
schlesien 30 Millionen gefordert wurden, welche durch ein Anlehen
zu decken sein würde. Jetzt verlautet in Abgeordnetenkreisen gar
noch, daß die Matrikularbeiträge für das kmmende Jahr um 13 -15
Millionen erhöht werden müßten. Für den Steuererlaß bliebe dann
nichts mehr übrig, es sei denn, daß man die Mehrforderung an
Matrikularbeiträgen auch noch durch eine Anleihe decken will, was
jedenfalls eine höchst merkwürdige Finanzwirthschaft wäre.
Der „Reichsanzeiger“ meldet unterm 25. Nov.: Die Genesung
des Kaisers schreitet fort, jedoch kann er das Zimmer noch nichs
oerlassen.
Die „Elsaß⸗Lothr. Zeitung“ meldet amtlich, daß auf Grund
taiserlicher Ermächtzgung der Statthalter eine Kommission eingesetzt
hat zur Prüfung der Staatsangehörigkeit derjenigen Personen,
welche von den Befugnissen, die Art. 2 des Friedensvertrages oder
Art. 1 der Zusatzkonvention vom 11. Dezember 1871 einräumte,
Hebrauch gemacht oder Elsaßz⸗Lothringen bis zum 28. Januar
1873* ohne vorherige Optionserklärung verlassen und seitdem die
deuische Staatsangehörigkeit weder ausdrücklich noch durch Stellung
zur Militärpflicht anerkannt haben. Vorsitzender der Kommission,
deren Anträge dem Statthalter zur Entscheidung zu unterbreiten
iind, ist Unterstaatssekretär v. Puitkamer, Beisitzende die Ministerial—
cäthe Dursy, Hoseus, v. d. Goltz, Staatsrath Klein, Architekt E.
Petiti sen.
Die Waldecker halten es nicht länger aus: ihr Vaterland
muß größer sein. Der Vorsitzende des waldeckschen Landtags hat
dem preußischen Abgeordnetenhause eine Denkschrift übermittelt,
worin geradezu die Annexion des Ländchens als das Ziel der leb⸗
haftesten Sehnsucht des gesammten waldedc'schen Volks, als wahre
Erlösung aus den gegenwärtig ganz unleidlichen Verhältnissen ge—
priesen wird.
Ausland.
In dem am Donnerstag Statt gehabten euglischen Ka⸗
binets rath wurde beschlossen, der Dezembersession des Parlaments
keine Zwangsmaßregeln für Irland vorzuschlagen, da eine Noth—
wendigkeit dazu nicht vorliege. Nach Zusammentritt des Parlaments
beabsichtigt die Regierung, die irische Bodenreformbill einzubringen.
Der erst vor einigen Tagen in Petersburg angekommene
bayerische Gesandte v. Rudhart hatte am 24. Nov. einen heftigen
Congestionsanfall, welcher einen Gehirnschlag befürchten ließ; sein
Befinden hat sich jedoch wieder wesentlich gebessert.
Ein Telegramm der „Polit. Korresp.“ aus Cettinje vom
25. Nov. meldet: Die Zusammenkunft von Bedri Bey und Matta⸗
q
novic in Kunja hat heute stattgefunden. Die Türken forderten,
der Einmarsch der Montenegriner in Dulcigno solle morgen Mittag
stattfinden und die versiegelten Häuser seien unberührt zu lassen.
Beide Forderungen wurden angenommen. Die Unierzeichnung der
Militär-Konvention erfolgte heute.
Vermischtes.
* St. Ingbert. Die Petition der hiesigen Hauseigen⸗
khümer an die Abgeordnetenkammer, betreffend Aenderung des Haus⸗
steuer⸗ Modus, ist identisch mit jener von Augsburg und Kaiserslautern
und lautet wie folgt:
Hohe Kammer der Abgeordneten! Die ehrerbietigst unterzeichneten Haus⸗
besitzer St. Ingberts erlauben sich, einer hohen Kammer der Äbgeordneten bei
Belegenheit der Berathung über die Steuer⸗Reformen zum Zwecke der Er⸗
zielung einer gerechten Besteuerung der Reinerträgnisse aus Hausmiethen ꝛc.
mehrere nicht unbedeutende Gründe in Nachstehendem näher zu entwickeln und
vorzutragen: Die Haussteuer wird von der Roheinnahme aus der Miethe
erhoben und also auch berechnet für Beträge, die ein Einkommen des Haus⸗
besitzers nicht bilden, wie z. B. Kosten der Hausunterhaltung, Wiederherstellung
abgenützter Wohnungsräume, Assekuranz, Auslagen für häufig? und oft kosi—
spielige polizeiliche Anordnungen, Reinigungsarbeiten, endlich Miethentgang in
Folge von unvermietheten Räumen und insolventen Miethern u. s. w. Durch
die ohnehin sehr hoch gegriffene Steuerquote der Roheinnahme wird hiebei
diejenige des Reineinlommens außerordentlich erhöht. Die auf den Häusern
ruhenden Hypotheken werden nicht nur von dem Inhaber versteuert, sondern
auch noch von dem Hausbesitzer, der doch um den Betrag der betreffenden
Dypothekzinsen weniger Einkommen hat. Es ergibt sich deßhalb regelmäßig,
daß nicht sehr hoch verschuldete Hausbesitzer viers und mehrmal so viel von
hrem Reineinkommen Steuer bezahlen müssen, als Besitzer anderer fundirter
Einkommen, wobei der Fall der horrenden Hinterziehung der Kapitalsteuer
von Seite des mobilen Kapitales noch gar nicht berückfichtigt ist. Auf Grund
und proportional dieser äußerst unbilligen Veranlagung werden vom Haus⸗
besitzer auch noch die Kreis⸗ und Gemeinde⸗Umlagen erhoben, so daß die
Wirkung dieser Besteuerung eine den Werth der Immobilien außer ordentlich
zerstörende ist Der Fall einer starken Erhöhung aller Steuern in Folge
größerer Nationalunglücke läme einer völligen Zerstörung des Vermögens sehr
pieler Hausbesitzer gleich. Wir erlauben uns weiter darauf aufmerksam zu
machen, daß der Werth der Häuser im Jahre 1878 durch die damals be⸗
chlossene exorbitante Besitzwechsel⸗Gebühr schon wesentlich erniedrigt wurde.
Die bei der letzten Haussteuer-Revision vorgenommene Abänderung der alten
Besteuerung hit eine weitere Schädigung verursacht, so daß der Besit eines
Hauses sehr häufig statt Rente nur Vermögensverlust verursacht. Endlich
erlauben wir uns noch, darauf hinzuweisen, daß durch diese exorbitante Be⸗
lastung der Hausmiethe-Reinerträgnisse auch die natürliche Entwickelung des
Häuserbaues gehindert und damit eine große Schädigung aller Gewerbe, ins⸗
besondere der Baugewerbe, bewirkt wird. Es wird also in unserer arbeits⸗
losen Zeit die Arbeitslosigkeit künstlich vermehrt. Das Kapital wählt nämlich
lieber die Form der mobilen Werthe, in der es sich leicht selbst der einfachen
Besteuerung entziehen kann, während es in der Anlage eines Hauses einer
unerträglichen Belastung unterliegt. Die ergebenst unterzeichneten Hausbesitzer
stellen nun im Hinblicke auf das Vorgetragene die geziemende Bitte: Eine
hohe Kammer wolle bei der Berathung der Steuerreform darauf hinwirken,
1) daß bei der Berechnung der Haussteuer von der Roheinnahme der Miethen
ein billiger Prozentsatz für die oben erwähnten Ausfälle außer Ansaz bleibe,
2) daß diejenige Steuerquote, die der Hausrente enispricht, welche an den
dypothekeninhaber bezahlt wird, an der Steuer des Hausbesitzers in Abzug
gebracht werden kann. Einer gütigen Würdigung vertrauend, empfehlen sich
hochachtungsvollst einer hohen Kammer ergebenste (olgen die Unterschriften).“
* Wir machen darauf aufmerksam, daß vom 1. Dezember
nächsthin ab diehiesige Eisenbahnstation auch für den
Privat-Depeschen-Verkehr eröffnet ist.
F (GPatent⸗Anmeldung.) 37,059 Karl Schmidt Zwe i—⸗
brücken. Kartoffel⸗-Sortirchlinder.
In Kaiserslautern feierte am 25. 28. das Ehepaar
Entzer seine goldene und dessen Sohn am gleichen Tage seine sil⸗
berne Hochzeit.
Die Verhandlungen des Stadtraihes von Dürkheim
nit einer französischen Gründer⸗Gesellschaft bezüglich der Erwerbung
des dortigen Bades haben sich, wie man der „Pf. 3.“ mittheilt,
„ollständig zerschlagen. An das Zustandekommen dieses Geschäftes
hatte man in Dürkheim große Hoffnungen geknüpft.
— Eine Merkwürdigkeit der internationalen Ausstellung zu
Sidney war ein aus Papiermasse hergestelltes und mit demselben
Stoff gänzlich möblirtes Haus von Stockhohe. Allerdings war
das Gerüst desselben aus Holz gezimmert, die Außenwände dagegen
bestanden aus Steinpappe (Cartonpierre) und waren durch Fül⸗
lungen mit Papierspähnen von den inneren Wänden getrennt. Diese
eigien die reizendsten Arabesken und Stukkaturnachahmungen in
charfen Reliefs und waren entsprechend bemalt. Thüren, Fenster⸗