ðÿVBl. Juhberter Atzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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A 191.
Politische Uebersicht. 4
De”eutjiches Reich.
Bayer. Abgeordnetenkammer. Der in
„er Miitwochssitzung bei Berathung des Luthardt—
chen Antrages betr. die Bestrafung des Concubinats
„on dem Abg. Marquardsen Namens der Linken
ingebrachte und von der Kammer einstimmig an⸗
senommene Antrag auf motivirte Tagesordnung
autete: „In Erwaͤgung, daß die Staatsregierung
ich bereit erklärte, in der Richtung des 8 95 des
Polizeistrafgesetzbduches von 1861 sei im Wege der
Reichs⸗ oder Landesgesetzgebung eine Strafbestim⸗
nung zu erlassen, geht die Kammer über den An⸗
rag Luthardt zur Tagesordnung über.“ Nächste
Sitßzung am Dienstag; Gegenstand: Malzaufschlag.
Muͤnchen, 16. Nov. Der Gewerbebetrieb im
Umherziehen.) Das Staatsministerim des Innern
nat eine Anweisung (32 Paragraphen enthaltend),
um Vollzuge der Bestimmung über den Gewerbe⸗
etrieb im Umherziehen erlassen, die gesetzlichen und
erordnungsmäßigen Vorschriften in Erinnerung ge⸗
racht und die früher ergangen Vollzugsanweisungen
heils erneuert, theils ergänzt und verschärft. Im
Interesse des schutzbedürftigen Kleingewerbestandes
vie im Interesse des Publikums überhaupt und
der gefährdeten öffentlichen Sicherheit, wird den
Distrikts- und Gemeindebehörden zur Pflicht ge—
nacht, diese Anweisungen auf das Gewissenhafteste
zu vollziehen und insbesondere stets im Auge zu
behalten, daß den Muñkanten, Budenbesitzern und
dergleichen, sowie die Ausländer gegenüber die
Bedürfnißfrage strengstens und zwar für jeden Be—
zirk speziell gewürdigt werde, daß ferner Indivi—
duen, die sich über ihre Person nicht genügend aus—
zuweisen vermögen, sowie den Ausländern, welche
das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
inbedingt zurückzuweisen sind, und daß des Weiteren
ulen Inländern gegenüber, welchen der Legitima—
ionsschein nach der gesetzlichen Bestimmung ver—⸗
iagt werden kann, von dieser Befugniß Gebrauch
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teitsgründe eine Ausnahme rechtfertigen und daß
endlich Kinder unter 14 Jahren beim Gewerbebe—
trieb im Umherziehen überhaupt nicht mitgeführt
werden dürfen. Behufs regelmäßiger und fortge—
etzter Ueberwachung des Gewerbebetriebs im Um—
jerziehen sind die Vollzugsorgane mit bestimmten
Instruktionen versehen und ist gegen Ausschreitungen,
die bdei diesem Gewerbebetrieb vorkommen, mit
hunlichster Schärfe vorzugehen. Die Kreisregie—
rungen haben sich von dem strikten Vollzuge dieser
Anweisung in verlässiger Weise Ueberzeugung zu
verschaffen und gegen Zuwiderhandelnde in geeiqg⸗
neter Weise einzuschreiten.
Die Ankunft des Cardinals Fürsten Hohen—
lohe in Berlin würde unter allen Umständen
als ein Ereigniß angesehen werden müssen; in den
kerisen dieser bewegten Tage aber kann sie gerade—
u von entscheidender Einwirkung auf die Entschlüsse
des Reichskanzlers abgeleitet sein. Die Vermu—
ihung liegt nahe, daß der greise Cardinal der
Ueberbriuger von Mittheilungen des Papstes an
den Fürsten Bismarck ist. Die Wiederaufnahme
der kirchenpolitischen Verhandlungen, die vor eini—
jen Wochen in der Art signalisirt wurde, daß Hrn.
). Schlözer's sofortige Rückkehr von Washington
in Anssicht gestellt war, würde also damit noch
chneller und energischer erfolgen, als angenommen
verden konnte. Ueber die Dauer der Anwesenheit
des Cardinals Hobenlohe fehlt es übrigens an 3zu—
Samstag, 19. November 1881. 16. Jahrg
verlässigen Mittheilungen. Doch ist nicht anzu—
nehmen, daß er Berlin verlassen sollte, bevor er
Belegenheit gehabt, sich mit hervorragenden Mit⸗
zliegern der Centrumsfraktion in Berbindung
zu setzen.
Zur vollen Würdigung der Erklärung der
„Nordd. Allgem. Ztg.“ ist es nothwendig, sich ein
Bild von der Zusammensetzung des Reichstages
zu machen, und zwar folgendermaßen: Die Rechte
chmilzt auf 77 Mitglieder zusammen, 51 Deutsch⸗
onservotive (zuletzt 58) und 26 Freikonservative
40). Dem Centrum rechnen wir zuerst 110 Ul⸗
ramontane zu incl. 10 Welfen, die aber vielleicht
nicht alle bei der Fraktion hospitiren (zuletzt 104),
dann 18 Polen, (14), 15 Elsässer (15) und 2
Ddänen (1), die wir nicht gut anderswo unter⸗
zringen können. Auf der Linken sitzen vom
iußersten Flügel an: 13 Sozialdemokraten (10)
3 Demokraten (3), 63 Mitglieder der Fortschritts
artei (27), 40 Secessionisten (19), 45 National-
iberale (65) und 7 „Liberale“ ohne bestimmte
zarteistellung von Bockum-Dolffs bis zu Herrn v.
Treitschke, den man aber ebenso wie Herrn Falk
chwerlich noch zur Linken zählen darf. Abgesehen
»on diesen kleinen Absplitterungen nach rechts
vürde die gesammte Linke 176 Mitglieder um—
assen, also nur noch 23 Stimmen an der abso—
uten Mehrheit (199) entbehren die im Falle eines
lerikal⸗konservativen Bündnisses von den Dänen,
Polen und Elsässern leicht genug gestellt werden
önnten. Das klerikal-konservative Bündniß sichert,
vie wir schon wiederholt hervorgehoben haben, noch
eine Mehrheit. Centrum (ohne die Welfen) und
donservative beider Fraktionen verfügen über nur
77 Stimmen, zählen also nur eine Stimme mehr,
ils die Linke. Noch viel schwerer, ja geradezu
inmöglich wird es dem Fürsten Bismark sein, aus
sen beiden konservativen Fraktionen, den „wilden
iberalen“ und den Nationalliberalen eine Mehr—⸗
seit zu bilden. Die vier Gruppen zählen zusammen
tur 129 Mitglieder, es fehlen demnach nicht we—
niiger als 70 Stimmen an der Mehrheit. Auf
ine vierte Combination, die für eine liberale Re—
gsierung ohne große Schwierigkeiten eine Mehrzahl
ergäbe, ein Zusammengehen der goubernementalen
klemente von der rechten mit den Fraktionen der
rinken brauchen wir hier nicht näher Leinzu—
jehen, da sie nach Lage der Dinge ausgeschlossen
erscheint.
Der Gesammthaushalt des deutschen
Reiches für 1881,83 schließt ab in Einnahme
und Ausgabe mit 607,234,771 M., 183,882,871
M. mehr als im Vorjahre. Zur Gleichstellung von
Ausgabe und Einnahme sind in letztere 115,7 12,740
Mark an Matrikularbeiträgen eingestellt worden,
12,028,371 M. mehr als im Vorjahre. Von den
Ausgaben sind 78,093,979 M., 8,857,514 M.
veniger, einmalige, 534,140,792 M., 22,457,885
M. mehr, fortdauernde. In dem Mehr der fort—
dauernden Ausgaben finden sich vorzugsweise die
Herwaltung des Reichsheeres mit 1,612, 158 M.
die Marineverwaltung mit 947,530 M., das Reichs⸗
chatzamt mit 16,856, 230 M. und die Reichsschuld
nit 8, 100,060 M. Zu dem Weniger der ein—
naligen Ausgaben tragen vorzugsweise bei die Post⸗
ind Telegraphenverwaltung mit 6,001,122 M.
zie Verwaltung des Reichsheeres mit 21,278,802,
bie Marineverwaltung mit 2,644,758, die Aus—
jaben infolge des Krieges mit Frankreich 1,679,962
M. Diesen sehr bedeutenden Ersparnissen steht
illerdings ein Mehr von 1,011,963 M. bei der
Fisenbahnverwaltung sowie 12.062 468 als Fehl—
betrag des Haushalts des Etatsjahres 1880/81
und 10,200,000 als Betriebsfond der Reichspost
and Telegraphenverwaltung und der Reichsdruckerei
gegenüber, so daß das Weniger der einmaligen
Ausgaben sich auf 8. 575 514 M. verringert.
Ausland.
In Wien findet die Nachricht italienischer Blätter,
daß der Kaiser Franz Joseph noch im Laufe
des Winters dem König Humbert einen Gegen—
besuch in Turin machen werde, Glauben. (Fr. 3.)
Paris, 16. Nov. „Siècle“ meldet, Gam—
hetta werde in den ersten Tagen ein Circular an
die Vertreter im Ausland versenden, indem er
hnen kund gibt, der Wechsel im Ministerium be—
dinge keine Veränderung in der friedlichen Politik
der französischen Regierung.
Die französischen Botschafter Saint
Vallier in Berlin und General Chanzy in Peters⸗
zurg haben ihre Demission eingereicht, weil sie
inter Gambetta nicht dienen wollen.
Gambetta ist am 15. d. in seiner Eigenschaft
als nunmehriger Ministerpräsident in der
ranzösischen Abgeordnetenkammer erschienen und hat
»as Programm des neuen Ministeriums verlesen.
dassen wir das Phrasenwerk weg, womit es nach
ranzösischer Manier reichlich ausgestattet ist, so
inden wir, daß darin ein „allmähliches, aber festes
Fortschreiten auf der Bahn der Reform“, sowie
Minderung der Militärlast, ohne aber der Ver—
heidigungskraft Frankreichs Einhalt zu thun“, auch
Erleichterung der Lasten der Grundbesitzer, ohne
iber die Staatskasse zu verkürzen“ versprochen wird.
Weiter wird versprochen, „genaue Anwendung des
Foncordats, um die Beziehungen zwischen Staat
ind Kirche zu sichern“, endlich auch daß „mit
Festigkeit die Ordnung im Innern, mit Würde der
Friede nach Außen aufrecht erhalten werden solle.“
Ueber das neue französische Ministerium
vird aus Paris Folgendes geschrieben, was für
)essen Situation nicht sehr zukunftsreich klingt, denn
die Lächerlichkeit zu erhalten ist für jede Regierung
ind ganz besonders in Frankreich ein bedenkliches
Symptom. Als die Namen der Minister Gam—
»etta's bekannt wurden, entstand zuerst allgemeine
Verwunderung und dann brach in allen politischen
Sammelplätzen helles Gelächter aus, daß Gambeita,
auf den man wie auf einen Messias gerechnet und
der vorher verkündet hatte, daß er ein „grand
ministère“ bringen werde, nur mit einer Art von
Beschäftsministerium hevortrat, zu welcher Napoleon
II. nur seine Zuflucht zu nehmen pflegte, wenn
er sich in großer Verlegenheit befand. In der
dZammer riefen diese Namen zugleich einen um so
zeinlicheren Endruck hervor, als für die Bildung
»es Kabinets ihm die Kammer nicht allein durch
wei Abstimmungen außerordentliche Vollmachten
rtheilt, sondern ihm auch noch obendrein Präsident
ßrevy vollständig freie Hand gelassen hatte. Um
zu begreisen, wie sehr enttäuscht die öffentliche
Meinung war, als sie Kenntniß von den Namen
der zukünftigen Minister erhielt, muß man wissen,
)aß die neuen Minister fast alle für die Franzosen,
elbst für die Pariser unbekannte Größen sind. Daß
ieue Ministerium hat große Enttäuschung hervor—
zerufen; selbst gambettistische Blätter wissen über
die Mehrzahl der neuen Minister nichts zu berichten.
Die allgemeine Uebereinstimmung geht dahin, daß
ein rein persönliches Kabinet gebildet worden sei,
ür welches Gambetta in allem persönlich verant
vortlich sei. Einige nennen es kein parlamen⸗
arisches Ministerium. sondern eine Diktatur