Full text: St. Ingberter Anzeiger

xt. Junberter Atzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
Der St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerotag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
dlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1 A 40 2 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 60 —, einschließlich 
0 ¶ Zustellungsgebühr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 Z, bei außerpfälzischen und solchen, 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 13 ⸗, bei Neclamen 30 . Bei Amaliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 132. 
—Ver Ernkeurlaub in Bayern. 
Wie in früheren Jahren werden auch heuer von 
dem Infanterie-Kegiment 50 Mann per Com—⸗ 
hagnie in 42wöchentlichen Ernteurlaub entlassen. 
sut 2 Regimenter nehmen hieran nicht Theil: — 
die in Metz liegenden. 
Hierdurch erwächst aber für die Pfalz, aus der 
jese Regimenter ihren Ersatz erhalten, ein sehr be— 
eutender Schaden. 
Rechnen wir. 
Angenommen, daß wirklich nur 50 Mann per 
Compagnie in Urlaub gehen — so viel wir wissen, 
waren es auch schon mehr — so ergiebt dies 
5012 — 600 Mann per Regiment, für eine 
Brigade sohin 1200 Maunn. Waͤhrend der Ernte 
dürfen wir den Taglohn mindestens auf 2 M. setzen 
es wird Tage geben, an welchen der Landwirth 
erne das Doppelte zahlen würde — es beziffert 
ich sohin auf 30 Arbeitstage fur 1200 Mann der 
hesammtwerth der Arbeitslöhne auf 72000 M. 
diese Summe geht alljährlich der Pfalz verloren, 
venn offenbar müssen sich die Landwirthe die Ar— 
veitet von anderwärts um schweres Geld beschaffen. 
dieses Verhältniß dauert nun schon zehn Jahre 
ind berechnet sich der Gesammtverlust auf 720,000 
Nark und wenn wir die Zins⸗Zinsen zu 4 pCt. 
qzu nehmen, mindestens auf 860,000 M. Rech— 
en wir hierzu noch die Beurlaubungen aus an⸗ 
eren Waffen und den indirekt erwachsenden Schaden, 
welcher aus dem möglicherweise gar nicht zu stellen⸗ 
ien Ersatz der verlorenen Arbeitskraft gerade in der 
ẽrntezeit erwächst, so wird an einer Million Mark 
icht viel mehr fehlen. Um diese Summe ist sohin 
nie Pfalz bis jetzt gegenüber den übrigen Regier— 
ingsbezirken geschädigt. 
Aber das ist's nicht allein. 
Met gehöͤrt, wie bekannt, zu den theuersten 
Garnisonen. Es ist eine bekannte Thatsache, daß 
der Mann mit der Kost, welche ihm das Militär 
Fietet, allein nicht besstehen kann. Von Seiten des 
Wilitars ist dies: selbst zugestanden und wird mit 
ohenswerthem Streben gelrachtet, Verbesserungen 
erbeizuführen. Die Selbstbewirthschaftung der 
jantinen ist ja einzig und allein dadurch begründet. 
Die Soldatenkost ist nun im Allgemeinen nicht 
lecht — haben viele der Soldaten ja mit einer 
ciel geringeren im elterlichen Hause vorlieb nehmen 
nüssen — aber sie bietet wenig Abwechslung und 
dird besonders über das sonst ganz gute, aber für 
Fetzer Maägen doch etwaäs schwere Brod geklagt. 
Wends besonders will der Soidat auch eiwas ge— 
eßen — der dünne Kaffee reicht nicht aus — 
ns kostet aber Geld und um so mehr Geld, je 
puerer Alles ist. Hierzu reicht die Lohnung nicht, 
ie Eltern müssen zulegen. Wir irren nicht, wenn 
dit behaupten, daß mit *3 bis 4 dieser Zulagen 
anderen Garnisonen dasselbe erreicht würde, wie 
n Neß. Hierzu kommen noch die größeren Aus— 
wen für die RKeise in die weit entfernte Heimath 
zurück in die Garnison Meztz bei den kleinen 
8 an Weihnachten, Ostern und Pfingsten, 
d ebenfalls die Eltern tragen müssen. Wir 
en uns leider versagen, diese Schäden ziffer⸗ 
chig aufzuführen. 
x& militärischen Lasten, welche den Pfälzern 
sind, sind daher bedeutend höhere als die 
8* ewohnern de Tnrigen Regierungsbezirke zu⸗ 
denden. und erscheint e'ne Abhilfe als ein Ge— 
r Gerechtigkeit. 
ist auch nicht so schwer, At e zu treffen. 
der Pfalz liegenden Regimenter erhalten 
II 
Samstag, 8. Juli 1882. 
gemischten Ersatz aus allen Kreisen. Es wird keine 
Schwierigkeit haben, diesen Ersatz statt in die Pfalz 
auf nächstem Weg nach Metz zu leiten, dafür aber 
den in der Pfalz liegenden Regimentern den bisher 
nach Metz gesendeten Ersatz zuzuwenden. Hierdurch 
würde die Last gleichmäßig auf alle Kreise vertheilt. 
Dit Transportkosten bleiben dieselben, ja es dürften 
ich in weiterer Verfolgung dieser Maßregel noch 
andere Vortheile für die Militärbehörde ergeben, 
die wir hier nicht näher ausführen können. 
Ein Einwand ist kaum zulässig. Man bedenke 
aur, daß die in Meztz liegenden preußischen, säch⸗ 
ischen und braunschweigischen Regimenter ihren Er— 
atz alljährlich aus theilweise viel weiter entlegenen 
Begenden erhalten. 
Wir empfehlen den Herren Landtagsabgeordneten 
der Pfalz, diese Angelegenheit doch etwas scharfer 
ür die Zukunft in's Auge nehmen zu wollen. Wir 
ind auch gewiß, daß von Seiten der obersten Mi⸗— 
itärverwaltung, die bei verschiedenen Gelegenheiten 
ich sehr entgegenkommend bewiesen und der es an 
stechtsgefühl und Wohlwollen durchaus nicht fehlt, 
zewiß so weit nur möglich ist, ein Ausgleich ge⸗— 
roffen wird. (Pf. Kur.) 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 5. Juli. In der Konferenz, von 
velcher man annimmt, daß sie heute zu einer Be— 
chlußfassung gelangen werde, handelt es sich ledig⸗ 
ich um die Art, wie die nicht länger aufschiebbare 
Einmischung durchgeführt werden soll. Doch steht 
ioch immer die Frage einer türkischen Intervention 
m Vordergrund. 
Berlin, 6. Juli. Der Bundesrath lehnte 
)en vom Reichstage am 12. Januar angenommenen 
Antrag Windt orst's, die Aufhebung des Gesetzes 
iber Verhinderung der unbefugten Ausübung der 
irchenämter betreffend, ab. 
Neu⸗Bewaffnung der deutschen Infanterie. 
Vor kurzem ist versuchsweise die Einstellung von 
Bewehren mit Repetirmechanismus angeordnet worden. 
Das Füsilier⸗Bataillon 3. Garde⸗Grenadier-Regiments 
tönigin Elisabeth in Spandau wird zunächst mit 
diesen Gewehren ausgerüstet werden. Nach den 
don der Militärschule vorgenommenen Versuchen 
ist der vom Erfinder des Gewehrs M. 71, Gewehr⸗ 
abrikant Mauser in Oberndorf konstruirte Repetier⸗ 
nechanismus als der zweckmäßigste anerkannt worden; 
derselbe kann auch ohne erhebliche Kosten an den 
süewehren angebracht werden. Der ganze Apparat 
zesteht aus einer im Schaft liegenden Röhre, in 
welcher eine Spiralfeder die in jener befindlichen 
Patronen nach den Schloßtheilen schiebt. Wird der 
Verschluß geöffnet, so hebt der heruntergedrückte 
Boden der Patronen⸗Einlage des Gewehrs, auf 
velchen infolge eines Druckes der Feder eine Pa⸗ 
rone geschoben ist, diese in die Höhe der Oeffnung 
des Laufes, in welche nun der Verschluß sie ein⸗ 
ührt. Behufs Abgabe von Schüssen ist weiter 
uniichts nötig, als daß man den Knopf ergreift, den 
Lerschluß zurück-und wieder verschiebt. Um un— 
röthigen Munitionsverbrauch zu verhüten, ist an 
»er Seite ein Hebel angebracht, der das in der 
Röhre befindliche Patronenmagazin absperrt und 
ann infolge dessen das Gewehr ebenso wie jetzt 
gsehandhabt werden. Der Hebel wird entweder auf 
dommando oder Signal zur Seite geschoben. Nur 
ei entscheidenden Momenten soll die im Magazin 
»orhandene Munition verschossen werden. Dit 
17. Jahrg. 
Manipulation des Wiederladens nimmt nur wenige 
Sekunden in Anspruch. Ist die Munition im Ma— 
gazin verschossen, so kann man das Gewehr wieder 
als Einzellader benutzen. 
Ausland. 
Paris, 5. Juli. In allen Flottenarsenalen 
jerrscht die größte Thätigkeit. Die in Toulon 
ausgerüsteten oder noch in Ausrüstung begriffenen 
wanzig Kriegsschiffe können 30,000 Mann nebst 
avallerie⸗ und Artilleriepferden mit den nöthigen 
Lebensmitteln an Bord nehmen. In allen Kriegs⸗ 
häfen wird das Reserve-Panzergeschwader ausge— 
rüstet. Die Regierung will in acht Tagen die 
mächtigste Flotte, die Frankreich jemals der Welt 
zgezeigt habe, aufstellen. — Diesen Nachmittag 2 Uhr 
wurde ein außerordentlicher Ministerrath ge⸗— 
halten, welcher in Folge der Nachricht zusammen⸗ 
berufen wurde, daß Lord Seymour die Drohung 
gegen Arabi erhoben habe, Alexand rien beschießen 
zu lassen. Admiral Concad, Befehlshaber der 
französischen Streitkräfte vor Alexandrien, hat für 
den Fall, daß die Engländer mit der Beschießung 
Ernst machen, Weisungen verlaugt. Es heißt, der 
Ministerrath werde dem Admiral Courad Befehl 
ertheilen, mit Lord Seymour, der von seiner Re⸗ 
zierung Vollmacht hat, je nach den eintretenden 
Fällen zu handeln, gemeinschaftlich vorzugehen. 
stach abgehaltenem Ministerrath war der wöchent⸗ 
iche Empfang im Ministerium des Auswärtigen, 
zu dem sich das gesammte diplomatjsche Corps ein⸗ 
zefunden hatte. — Im Palais Bourbon hatte sich 
zie Mehrzahl der Ausschüsse eingefunden, aber die 
Arbeit ruhte; die Deputirten bewegten sich in den 
Wandelgängen und unterhielten sich über die Mög— 
ichkeit der Beschießung Alexandriens. Unter den 
Deputirten herrschte die Ansicht vor, daß die fran⸗ 
ösische Regierung, bevor sie sich dem Vorgehen der 
Engländer anschließe, sich Vollmacht dazu vom 
Parlament einholen müsse. In den hiesigen amt— 
ichen Kreisen wird versichert, daß, wenn die Pforte 
nicht heute den englisch-französischen Vorschlag wegen 
hres Einschreitens in Egypten unter gewissen Be— 
dingungen annehme, England und Frankreich sofort 
ie englisch-französisch-italienische Intervention bean⸗ 
ragen werden. Der betreffende Vorschlag wurde 
jestern nach Berlin, Petersburg, Rom und Wien 
ibgeschickt und heute vom französischen Botschafter 
der Conferenz vorgelegt. Bis zur Sinnde ist über 
den Beschluß der Conferenz in Betreff dieses Vor— 
chlages nichts bekannt. 
London, 5. Juli. Meldung der „Daily 
News“ aus Alexandrien: Seymour ersuchte 
den Gouverneur, die Armirung der Forts einzu— 
tellen. Er sei entschlossen, auch seinerseits energische 
S„chritte zu thun, falls dieser Aufforderung nicht 
Ffolge geleistet werde. — Dasselbe Journal erfährt, 
zie Conferenz begünstige die Vorschläge Dufferins 
»ehufs Herstellung der Ordnung in Egypten. 
Dem Deutschthum in den russischen Ostsee⸗ 
Brovinzen ist ein neuer schwerer Schlag zugefügt 
vorden. Die eigentliche Kultursprache des russischen 
Zaltenlandes, die deutsche Sprache, ist aus einem 
der wichtigsten Geschäfte der Behörde wiederum ver— 
)rängt worden. Wie aus Petersburg gemeldet wird, 
st das Gutachten des Reichsraths. wonach die 
russische Sprache künftig die Geschäftssprache 
er baltischen Rekrutirungs-Kommissionen bilden soil, 
om Kaiser bestätigt worden. Ausgenommen bleiben 
orläufig diejenigen Landestheile, in denen die Ein— 
ihrung der obige Bestimmung gegenwärtig absolut