ꝓSi. Zusbberter Auzeiger.
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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchenltich fünfmal: Am Weontag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und onntag; 2mal wöchentlich mit Unter haltungẽ
Blatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1.4 40 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 14 60 H, einschließlich
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 13, bei Neclamen 30 3. Bei 4maliger Einrückung wird nuc d reimalige berechnet.
M 20. Samstag, 28. Januar 1882.
17. Jahrg.
Das Gesetz betreffend die Ent—
schädigung bei Unfällen und die
Unfallversicherung der Arbeiter,
(Fortsetzung.)
I. Abschnitt. Von der Sicherheitsbestellung.
8 9. Die nach 8 1. dem Unternehmer ob⸗
iegende Versicherung ist wegen aller aus diesem
Besetze sich ergebenden Verpflichumgen bei einer zu
hiesem Zweck im deutschen Reiche zugelassenen Vesr⸗
icherungsanstalt Genossenschaft oder son⸗
tige Versicherungsgesellschaft) zu bewirlen. Die
Versicherung ist bei Beginn des Unternehmens,
bezw. bei Einführung des Triebwerks oder Auf⸗
tellung des Dampfkessels nachzuweisen.
810. Durch Reichsgesetz werden die Nor—
mativbestimmungen festgesetzt, unter denen
eine Versicherungsanstalt mit der im 8 1 bezeichne⸗
sen Wirkung zugelassen ist. Bis zum Erlaß dieses
Gesetzes entscheidet der Bundesrath über die Zu—⸗
assung mit folgender Maßgabe: Zugelassen ist
eine Versicherungsanstalt, welche a. alle Unter—⸗
rehmer der Betriebskategorieen, bezw. der Bezirke,
iür welche die Versicherungsanstalt errichtet ist,
unter den in den Statuten vorgesehenen Be—
dingungen in Versicherung nimmt; b. für jede fest⸗
gestellte Rente das zur Deckung erforderliche Kapital
dei der von dem Bundesrath hiefür bestimmten
Stelle zu hinterlegen und bei eintretenden Ver—
inderungen bis zur Sicherheitshöhe zu ergänzen
ich verpflichtet hat; c. den Nachweis führt, daß
die Anstalt für die ihr obliegenden Verpflichtungen
n finanzieller Hinsicht Gewähr bietet und der Auf⸗
icht hierüber nach den hiefür zu erlassenden Be⸗
timmungen der Centrallandesbehörde sich unter⸗
virft.
8 11. Die Versicherung muß von d.m Unter⸗
aehmer auf eine bestimmte, je mit einem Kalender⸗
ahr ablaufende Zeitdauer und unbedingt abgeschlossen
verden. Die Gesammwersicherung aller Ent—
schädigungen, welche bei Erwerbsunfähigkeit von
aicht länger als vier Wochen zu leisten sind, kann
ʒei einer besonderen Versicherungsanstalt oder bei
derselben Versicherungsanstalt unter besonderen Be⸗
dingungen erfolgen. Die abgeschlossene Versicherung
»leibt, so lange das Unternehmen betrieben wird,
mnerhalb der bei Abschluß der Versicherung fest⸗
gesetzten Zeitdauer zu Gunsten der Entschädigungs-
berechtigten in voller Wirksamkeit. Bei Nichter⸗
füllung der Versicherungsbedingungen seitens des
Unternehmers steht der Versicherungsanstalt nur
das Recht zu, Erfüllung und Ersatz des durch
Nichterfüllung entstandenen Schadens von dem
Untzrnehmer zu fordern. Verträge jeder Art, welche
die abgeschlossene Versicherung einschränken oder
uufheben, sind nichtig.
8 12. Die Betriebsverwaltungen des Reichs,
emes Bundesstaates oder eines Commu—
ralverbandes sind in 8 2 wegen ihrer be—
eichneten Unternehmungen von der Versicherungs-
aflicht befreit. In gleicher Weise sind die nach
8 nur subsidiär verpflichteten Unternehmer von
Baus Arbeiten von der Versicherungspflicht befreit.
Für die Fälle, in welchen der Unternehmer eine
ach Maßgabe der 88 1 und 2 genügende Ver⸗
icherung nicht nehmen kann oder nicht will, ist
vorschriftsmäßige Sicherheit zu bestellen, und daß
dies geschehen, den untern Verwaltungsbehörden
jes Bezirks, in welchem der Betrieb gelegen ist,
achzuweisen. Der Bundesrath erläßt die allge—
neinen Bestimmungen über die Art und Hoöhe, in
oelcher diese Sicherheitsbestellung zu erfolgen hat.
8 13. Der Unternehmer hat die erfolgte
Sicherheitsbestellung beim Beginn des
UInternehmens, und im Falle der nach 8 11 er⸗
olgten Versicherung bei dem jedesmaligen Ablauf
er Versicherungsfrist den untern Verwaltungsbe⸗
jörden des Bezirks. in welchem der Betrieb gelegen
st, nachzuweisen.
8 14. Die zuständige Behörde ist befugt, den
orschriftsmäßigen Nachweis der Sicherstellung durch
veldstrafen bis zu 500 Mk. zu erzwingen; die
Festsetzunug der Strafe kann wiederholt werden.
UInter Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörden
ann der Betrieb nach schriftlich erfolgter An⸗
rxohung wegen versäumten oder ungenügenden
achweises untersagt werden. Die Art, in welcher
ser Nachweis zu führen und bei jedesmaliger Ver—
inderung zu ergänzen ist, wird durch Reichsgesetz
ind bis zum Erlaß dieses Gesetzes durch eine vom
daiser unter Zustimmung des Bundesraths zu
rlassende Verordnung bestimmt.
V. Abschnitt. Ueber die Auzeige von Unfällen
und die Untersuchung des Thatbestandes.
8 15. Von der Zentral-⸗Landesbehörde sind
Infallkommissionen für räumlich begrenzte
Zezirke zu ernennen und die Anweisungen über den
heschäftsgang bei den durch dieses Gesetz ihnen
ibertragenen Obliegenheiten zu erlassen.
8 16. Von jedem Betriebsunfalle, durch welchen
ine Person getödtet wird oder eine Körperverletzung
exleidet, welche nach ärztlichem Gutachten eine Er—⸗
verbsunfähigkeit von mindestens einer Woche zur
Folge haben wird, ist von dem Unternehmer inner⸗
alb 48 Stunden bei der Ortspolizeibehörde schrift⸗
iche Anzeige zu machen. Im Falle der Kör⸗
erderletzung ist in der Anzeige zu vermerken, ob
ie Erwerbsunfähigkeit nach ärztlichem Gutachten
ünger als vier Wochen andauern wird. Für den
Anternehmer kann Derjenige, welcher zur Zeit des
Unfalles den Betrieb oder den Betriebstheil, in
delchem sich der Unfall ereignete, zu leiten hat, die
Unzeige erstatten; im Falle der Behinderung des
Internehmers ist er dazu verpflichtet. Die in der
Inzeige zu beanwortenden Fragen werden im
Zundesrathe festgesetzt.
8 17. Die Polizeibehörde, bezw. die vorgesetzte
Dienstbehörde hat die bei ihr eingehenden Unfalls⸗
inzeigen in ein von ihr zu führendes Unfall⸗
erzeichniß einzutragen und, wenn der Unfall
ine Tödtung oder eine nach ärztlichem Gutachten
änger als vier Wochen dauernde Erwerbsunfähigkeit
ur Folge hat, alsbald an den Unfallkommissar des
Bezirks einzusenden.
8 18. Ieder beim Unfallkommissär zur Anzeige
jelangte Unfall ist von demselben so bald wie mög⸗
ich einer Untersuchung zu unterziehen, durch
oelche festzustellen sind: 1) die Veranlassung und
ie Art des Unfalls, 2) die getödteten oder ver—⸗
etzten Personen, 3) die Art der vorgekommenen
zerletzungen, 4) der Verbleib der verletzten Per⸗
onen, 5) die Hinterbliebenen der durch den Unfall
etödteten Personen, welche nach 8 7 dieses Gesetzes
inen Entschädigungsanspruch erheben können. Der
Unternehmer, der Versicherer und die Verletzten,
yezw. deren Hinterbliebene können in Person, oder
purch Vertreter an den Untersuchungsverhandlungen
heilnehmen, und ist ihnen, soweit Dies ohne Ver—
ögerung geschehen kann, von der Einleitung der
Untersuchung rechtzeitig Kenntniß zu geben.
8 19. Außerdem sind, soweit thunlich, die
onstigen Betheiligten und nach Erforderniß technische
rztliche Sachverständige zuzuziehen. Von
em über die Untersuchung aufzunehmenden Protokoll
sowie von den sonstigen Untersuchungsverhandlungen
ist den Betheiligten auf ihren Antrag Einsicht
und gegen Erstattung der Schreibgebühren Abschrift
zu gewähren.
(Schluß folgt.)
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
An der Simultanschul⸗Debatte im bayer⸗
schen Reichsrath am 24. do. betheiligte sich
ruch Hr. v. Böcking von Landau (Pfalz). Der⸗
elbe besprach die Berhälmisse in der Pfalz, zurück⸗
ehend auf die Zeiten Napoleons J., und verwies
namentlich auf die Stadt Landau, wo die Schulen
ngemischte Schulen umgewandelt wurden
ind alle Bewohner sehr zufrieden seien. Weiter
jahm er die Pfalz gegen den Vorwurf des Indif⸗
erentismus in Schutz; der Pfälzer sei nicht indif⸗
erent, wenn sich seine Religiesität vielleicht auch
was anders äußere, als anderswo. Er bitte auch
n Zukunft den Minister, die Verhältnisse der Pfalz
u berücksichtigen. — Bei der Abstimmung wurde
ekanntlich der gegen die Simultanschule gerichtete
Untrag des Ausschusses mit 30 gegen 24 Stimmen
ibgelehnt. (Mit „Rein“ stimmten auch die
zeiden pfälzischen Reichsräthe, Herr v. Böcking
hon Landau und Herr G. Krämer von hier.
ked. des „St. J. Anz.“)
Müünchen, 25. Jan. Die Abstriche, welche
Dr. Rittler am Etat des Kultusministeriums
19,585,853 Mark) beantragt, sollen sich im ganzen
auf etwa 300,000 Mark belaufen.
Der Reichstag setzte am Mitwoch die De⸗
zatte über den königlichen Erlaß fort. Abg.
Lrasker sagt, Bismarck habe den Reichstag
semüthigen wollen, indem er von Schamröthe und
Anwahrheiten sprach. Es sei ein Triumph der
Ddebatte, daß der Erlaß als völlig überflüssig er⸗
annt worden sei. — Minister Puttkamer erklärt,
aß er die Interpretation des Erlasses bezüglich der
Hetheiligung der Beamten an den Wahlen durch
den Reichskanzler durchaus theile: „Man sieht jetzt
mmer schwarze Reaktionswolken, es sind aber ganz
andere Wolken am europäischen Hori—
ont sichtbar. (Hört') Wenn diese Wolken
ich entladen, dann wird das deutsche Volk erfahren,
daß es durch die preußische Monarchie geschützt
vird.“ — Abg. Windthorst polemisirt sehr
charf gegen Bismarck ohne Nennung des Namens.
gismarck habe überaus interessante Enthüllungen
iber die frühere preußische Politik gemacht. Hier
itzen nicht allein Altpreußen, sondern Männer aus
janz Deutschland. Die deutschen Stämme würden
der Geschichte, wie sie gestern dargestellt worden sei,
ine ganz andere Geschichte gegenüberstellen. Es
ei nicht zart gewesen, derartige Erinnerungen vor⸗
ubringen. Virchow polemisirt gegen den Reichs-
anzler. Die Debatte wird geschlossen. Es folgen
Wahlprüfungen und Petitionsberichte.
Die den deutschen Bundesregierungen zur Rück—
iußerung überwiesene Vorlage, betreffend das
Tabakmonopol, soll als Entschädigungssumme
für Private 300 Millionen Mark auswerfen.
Berlin, 25. Jan. Der Abg. Hirsch (Fort⸗
chrittspartei) hat heute den Antrag im Reichstage
eingebracht, die vom Bundesrath beschlossene Ver—
Irdnung, betr. die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter
in Steinkohlenbergwerken, außer Kraft zu setzen.
— Berlin, 26. Jan. Das „Deutsche Tage⸗
olatt“ erfährt, der Minister Puttkamer sei zum
Fapitular des Domstiftes Naumburg ernanni.