Full text: St. Ingberter Anzeiger

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4 AIM 84 
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Amtliches Organ des könial. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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M 21. 
Sonntag, 29. Januar 1882. 
77. Jahrg. 
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Das Gesetz betreffend die Ent⸗ 
schädigung hei Unfällen und die 
Unfallversicherung der Arbeiter. 
Schluß) 
J. Abschnitt. Ueber Fesistellung der Ent— 
schädigung und Geltendmachung der Rechte. 
820. Nach erfolgter Feststellung des That— 
jestandes hat der Unfallkommissär zunächst den nach 
Naßgabe dieses Gesetzes zu gewährenden Schaden— 
rsatz zu ermitteln und die Einiqung der Be— 
heiligten hierüber zu versuchen. Ueber das Er— 
ebniß dieser Verhandlung hat der Unfallkommissär 
in besonders von den Betheiligten zu unterzeich— 
iendes Protokoll aufzunehmen und im Falle der 
kinigung jedem der Betheiligten eine von ihm be— 
laubigte Abschrift zu ertheilen. Auf Grund des 
zrotokolls über die erfolgte Einigung kann die 
zwangsvollstreckung wie ans einem rechtskräftigen 
Urtheil nachgesucht werden. Die Vollstreckungs- 
lausel ist auf Antrag von dem Amisgericht zu 
ertheilen, in dessen Bezirk der Unfall sich ereignet 
jat. Die Vorschriften im 8 705 der Civilprozeß⸗ 
Iidnung finden entsprechende Anwendung. 
8 21. Das Verfahren vor dem Unfallkommissär 
owie die hierüber aufgenommenen Urkunden sind 
gebühren⸗ und stempelfrei. 
8 22. Findet eine Einigung nicht Statt, so 
iberreicht der Unfallkommissär die geführten Ver— 
jandlungen an das Amigsgericht, welches nach An— 
jörung der Betheiligten durch eine einstweilige 
ßerfügung anordnet, ob und in welcher Hohe Eni— 
chädigungen an den Verletzten oder an die Hinter— 
zliebenen des Getödteten zu leisten sind. Zuständig 
st das Amisgericht, in dessen Bezirk der Unfali 
ich ereignet hat. Die Verfügung ist sofort voll⸗ 
treckbar und kann nur durch Klage⸗Erhebung bei 
dem nach der Civilprozeßordnung zuständigen Ge— 
richt angefochten werden. Die Anfechtung hebt die 
Vollstreckbarkeit nicht auf. 
8 23. Die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in 
welchen durch die Klage ein Anspruch auf Grund 
dieses Gesetzes geltend gemacht wird, gehören im 
Sinne des 8 135 des Gerichtsverfassungsgesetzes 
und des 8 58, Abs. 2 des Einführungsgesetzes 
zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 
zur Zuftändigkeit des Reichsgerichts. 
8 24. Der aus diesem Gefetz Beklagte kann 
alle andern mit dem Unfall Verpflichteten zum 
Prozesse beiladen. Der Beigeladene hat die Rechte 
und Pflichten des Streitgenossen. Der beklagte 
Unternehmer hat das Recht, zu verlangen, daß die 
Versicherungsanstalt ihn auf ihre Kossen im Pro⸗ 
zesse gegen den Entscheidungsberechtigten vertrele. 
825. Die nach Maßgabe dieses Gesetzes zu 
entschädigenden Personen oder deren Hinterdliebene 
sind auf Grund der in ihrem Interesse bewirkten 
Versicherungen oder Sicherstellung der Klage und 
Zahlungsannahme kraft eigenen Rechts befugt. 
VI. Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen 
26. Im Konkursverfahren sind 
Forderungen der Versicherungsanstalten, welche Un⸗ 
fallbersicherung der Arbeiter nach Maßgabe des 
13 zu übernehmen berechtigt sind, wegen der 
nach ihren Statuten hiefür zu entrichtenden Prä— 
mien und Beiträge aus dem letzten Jahr vor der 
kröffnung des Konkursverfahrens unter Nr. 3 des 
34 der Konkursordnung zu berichtigen. Des— 
Ueichen sind die Forderungen der nach diesem 
Hesetz zu entschädigenden Arbeiter und Vetriebs— 
eamten und deren Hinterbliebenen der Konkurs— 
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3 
forderungen unter Ne. 1 des 8 4 der Konkurs-⸗— 
ordnung zu berichtigen. 
8 27. Der Verpflichtete kann jederzeit die 
Aufhebung oder Minderung der Reute fordern, 
venn diejenigen Voraussetzungen unter Verhält⸗ 
nissen, welche die Zubilligung der Rente und deren 
Höhe bedingt hatten, inzwischen weggefallen sind 
oder sich wesentlich geändert haben. Ebenso kann 
von Seiten der Berechtigten, sofern ihr Anspruch 
auf Schadenersatz innerhalb der Verjährungsfrist 
jeltend gemacht worden ist, jederzeit die Erhöhung 
»der Wiedergewährung der Rente gefordert werden, 
wenn die Voraussetzungen oder Verhältnisse, welche 
rür Aufhebung, Minderung oder Feststellung der 
Rente maßgebend waren, weggefallen sind oder sich 
wesentlich geändert haben. 
828. Die Forderungen Entschädigungsberech- 
tigter können mit rechtlicher Wirkung weder auf— 
gerechnet, noch verpfändet, noch auf 
Dritte übertragen, noch für weitere als 
die im 8 749, Abs. 4 der Civbilprozeßordnung 
bezeichneten Forderungen der Ehefrau, der ehelichen 
tinder, sowie die des ersatzberechtigten Armenver⸗ 
yandes gepfändet werden. Ein Verzicht hat dem 
ʒezeichneten Armenverbande gegenüber keine Wirkung. 
Die Ansprüche der entschädigungsberechtigten Per— 
sonen, können mit rechtlicher Wirkung durch Kapi— 
alszahlung nur beglichen werden wenn sämmtliche 
Betheiligte mit Einschluß des zuständigen Armen— 
derbandes einwilligen. 
8 29. Die Unternehmer und die Versicherungs⸗ 
instalten sind nicht befugt, die in diesem Gesetz 
nthaltenen Bestimmungen zu ihrem Vortheil im 
poraus auszuschließen oder zu beschränken. Ver— 
ragsbestimmungen sowie jede andere Uebereinkunft, 
velche dieser Vorschrift zuwiderlaufen, haben keine 
cechtliche Wirksamkeit. 
8 30. Die Forderungen auf Schadenersatz 
»erjähren in zwei Jahren, vom Tage des Un— 
alles gerechnet. Gegen Denjenigen, welchem der 
Hetödtete Unterhalt zu gewähren hatte, beginnt die 
Verjährungsfrist mit dem Todestage des letzteren. 
Das Recht zur Anfechtung der einstweiligen Ver— 
ügung des Amtsgerichts (F 22) verjährt in zwei 
Jahren, vom Tage der Zustellung an gerechnet. 
Die Verjährung läuft auch gegen Minderjährige 
und diesen gleichgestellte Personen, mit Ausschluß 
der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
München, 27. Jan. In der Abgeordneten— 
(ammer wurde die Hochofen-Anlage zu Amberg 
nit 84 gegen 538 Stimmen genehmigt. 
Der Kaiser hat, wie berichtet wird, dem 
Reichskanzler nach Kenntnißnahme von der 
im Dienstag von letzterem im Reichstage gehaltenen 
Rede seinen besonderen Dank aussprechen lassen. 
Der Reichstag trat am Donnerstag in die 
Berathung des Antrags Hirsch betreffend Außer— 
raftsetzung der Verordnung des Bundesraths über 
,ie Beschästigung jugendlicher Arbeiter in Stein— 
ohlen⸗Bergwerken. An der Debatte betheiligten 
ich die Abgg. Hirsch, Geheimrath Heyden, Leuschner, 
Franz, Hammacher und Stötzel. Der Antrag Hirsch 
vurde abgelehnt und ein Antrag Franz angenom— 
nen, wonach die Bestimmungen nur für jugendliche 
Arbeiter Geltung haben, die mit Arbeiten beschäftig! 
ind, welche unmittelbar auf die Förderung Bezug 
aben. — Es folgte nun die Berathung uͤber die 
dnabenerziehunas und Unterofficierschule in Neu— 
hreisach. Benda tritt für seinen Antrag, vom 
Knabeninstitut abzugehen und nur eine Unteroffi— 
zierschule zu errichten, ein, Richter und Rickert 
prechen dagegen. Mit 118 gegen 1183 Stimmen 
vird die Position an die Budgetkommission zurück— 
erwiesen. 
Ausland. 
Paris, 27. Jan. (Freitag.) Die Deputirten⸗ 
'ammer berieth gestern die Revisionsvorlage und 
ehnte den Antrag Barodets auf vollständige Re— 
»ision mit 298 gegen 1783 Stimmen ab. Gam— 
detta, der für beschränkte Revision und für das 
eistenstrutinium eintrat, beantragte, zunächst über 
den Schlußparagraphen der Kommissionsborlage 
ibzustimmen und denselben abzulehnen. Die Kammer 
nahm denselben aber mit 282 gegen 227 Stimmen 
in. Gambetta erklärte darauf, er erblicke darin die 
Henehmigung der unbeschränkten Revision, das Ka— 
binet könne an der weiteren Berathung nicht theil⸗ 
nehmen. Die Kammer nahm hierauf den erfsten, 
das Listenstrutinium ausschließenden 
Paragraphen an und genehmigte die ganze Kom— 
miss2vorlage mit 262 gegen 91 Stimmen. 
Paris, 27. Jan. Gambetta übberreichte 
gestern Abend dem Präsidenten Grevy das Ent— 
lassungs gesuch des ganzen Ministeriums. (Grevy 
wvird das Gesuch ohne Zweifel annehmen und das 
Kabinett entlassen. Das Kabinet Gambetta datirt 
seit 14. November 1881, hat also eine Lebensdauer 
von nur 293 Monat. Gambetta's Nachfolger wird 
wohl Freycinet werden.) 
London, 27. Jan. Mehrere Morgenblätter 
melden aus Dublin: Die irische Regierung erhielt 
durch Spione Kenntniß von einer weitverzweigten 
Verschwörung in den Grafschaften Clare, 
dimerick und Cork. Dies erklärt die jüngst nach 
Irland gesandte Truppenverstärkung. 
(Ruffisches.) Die noch nicht beendete 
Untersuchung der Unterschlagungen im Zollamt 
Taganrog ergab, daß hier eine der größten 
Veruntreuungen vorliegt, die je in Rußland vorge⸗ 
lommen. Es sind bereits Unterschleife von mehr 
als 20 Millionen Rubel entdeckt. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 28. Jan. Wir veröffent⸗ 
lichen heute wiederholt den in letzter Stadtraths⸗ 
fitzung gefaßten Beschluß, bezüglich der Distrikts— 
rathswahlen, da derselbe in letzter Nummer nich 
bollständig enthalten war. 
*— In der Donnerstagssißung des Reichstags 
wurde u. A. die Wahl des pfälzischen Abgeordneten 
für Speyer-Frankenthal, des Herrn Dr. 
Groß, welche bekanntlich von den Sozialdemokraten, 
wie sie hofften, mit Erfolg, angefochten war, für 
ziltig erklärt und ein Antrag des Abg. Liebknecht 
Sozialdemokrat) auf Beanstandung abgelehnt. 
— Lauterthalbahn. Mit fammtlichen 
Brundbesitzern in Kaiserslautern, welche Land für 
den Lauterthalbahnbau abzutreten haben, wurde 
ine Einigung erzielt und die Käufe abgeschlossen. 
Die Preise bewegen sich zwischen 6.212 M. pro 
Dez. Im ganzen Lauterthal soll sich die Grund⸗ 
erwerbung sehr flott und rasch entwickeln, wobei 
die Geschäftsroutine des Herrn Direktionsrathes 
Heller sehr gerühmt wird. Die Erpertise und Käufe 
'oslsen schon bei der Sektion Wolfstein im Gange 
ein. Jedenfalls können die Bahnarbeiten mit dem 
Fintritte geeigneter Witterung, vielleicht schon im 
Nonat Februar begonnen werden. (Stadtanz.) 
Der Pfälzer Baderverein hält am