St. Jugherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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MsGlI. Samstag, 31. März 1883. 18. Jahrg.
* Mahnungen der Gegenwart.
Zwei grelle Gegensätze, die friedliche und er—
hebende Osterfeier, die noch unsere Herzen erfüllt.
und die sich fast in allen Ländern zeigenden Auf⸗
lehnungen gegen Recht und Gesetz, theils politischer,
theils privater Natur, geben uns Anlaß zu prüfen⸗
den und ermahnenden Betrachtungen. Bewegt sich
m der Gegenwart die Menschheit wirklich moralisch
abwärts, gewinnen diejenigen Elemente thatsächlich
die Oberhand, welche zur Befriedigung ihres Ehr—
jeizes, ihrer Leidenschaften oder auch nur wegen
jemeiner Nahrungssorge in dem Verbrechen ein
erfolgreiches Hülfsmittel sehen, wären wir damit
also so ziemlich am Ende unserer Kulturperiode
aingelangt und stände eine Vernichtung des Men⸗
chengeschlechts durch seine Entartung bevor? Zu
olchen Resultaten könnte man kommen, wenn man
die verrotteten Zustände in Rußland, die anarchische
Bewegung in Spanien, den Kommunismus in
Frankreich, den Irredentismus in Italien und das
Fenierthum in Irland und England zum Gegen⸗
tande seiner Betrachtungen macht und dabei noch
die sich häufenden unerhöͤrten Verbrechen, von denen
3 in jüngster Zeit auch in Deuischland einige
chreckliche Beispiele gab, in Erwägung zieht. In—
»essen ist es wohl so weit noch nicht mit der
Zegenwarl gekommen, daß man wirklich das trost⸗
lose Resultat vom Anfange des Endes ziehen könnie.
Den verbrecherischen Neigungen und Thaten steht
aoch in überwiegender Mehrheit eine Summe
zumaner und edler Bestrebungen gegenüber und
wir müssen mit dem Umstande rechnen, daß der
nillionste Theil der Menschheit oder auch nur der
Bevölkerung einiger Staaten die ganze Welt mit
kentsetzen erfüllen kann, wenn auch alle übrigen
Menschen sich ruhig und friedlich verhielten. Denn
nan stelle sich in die europäischen Hauptstädte ver⸗
heilt nur hundert alles Ehr⸗ und Pflichtgefühles
bare Lumpen vor; was könnten diese hundert Men—
schen mit Dolch, Revolver, Dynamit und Petroleum
nicht für Schandthaten vollbringen! Weil aber ver—
hültnißmäßig sehr wenige Menschen Millonen ihrer
hächsten Schrecken und Angst bereiten können, so
nuß man sich eben auch vor der Uebertreibung der
hefahren hüten.
Nit diesem Satze wollen wir aber keineswegs
ie Meinung vertreien, daß die Auflehnungen gegen
as Recht und die Ordnung, wie sie fich gegen⸗
wartig so häufig zeigen, als ganz gewöhnliche Aus-
chreitungen und Verbrechen zu behandeln seien
vie solche seit Menschengedenken vorgekommen sind;
nein. dieselben haben in Hinblick auf ihre Allge-
meinheit, ihr Raffiniment, ihre ausgefuchte Frechheit
und Niederträchtigkeit entschieden eine symtomatische
Zedeutung. Groß Gahrungen finden in den unteren
Schichten der Gesellschaft, aͤber auch ganz besonders
n den Köpfen derjenigen Menschen statt welche sich
ꝛine Stufe zu niedrig gedeängt oder gestellt fühlen,
und gleichsam der Abschaum bon diesen wüsten und
ridenschaftlichen Gährungen sind die Verbrechen und
ewaithaten, welche wir so hüufig gegenwärtig ver⸗
hscheuen müssen. Für das Unschädlichmachen dieses
— sorgen nun wohl zunächst unsere Sicher⸗
zeitsbeamten und Richter; aber die bedenkliche Gaͤhr⸗
ung in den Massen kann nur dadurch gehoben
erden, wenn es der Religion, der Schue, Cuein
Brodherren, Behörden und Korporationen ge⸗
nn Pflichtgefuhl, Wurde und Gerechigkeit noch
ehr und ougemeiner als es gegenwärtig der Fali
t zu den hoate Gütern der Menschen zuU machen
Politische Uebersicht.
Deutsches Neich.
München, 28. März. Durch die vom
Staatsanzeiger für Württemberg veröffentlichte Be⸗
tanntmachung bezügl. der Postkarten, welche auch
in Bayern in Kraft treten soll, wird die Posthohei⸗
der beiden süddeutschen Staaten in keiner Weise al—
jerirt. Für Briefe mit fremden Postwerthzeichen
zelten die seitherigen wesentlichen Bestimmungen
und nur die Postkarten werden einer anderen Be—
jandlung unterworfen. Die allgemeine Posttrans«
hyortordnung für Bayern ebenso die der anderen
Staaten wird in dieser Hinsicht wesentliche Verän⸗
derungen erleiden. Die seitherige Bestimmung:
Unzureichend frankirte Postkarten deren sofortige
Rückgabe an den Absender nicht möglich ist, werden
nicht abgesandt — wird vom 1. Aprilc. ab ganz
n Wegfall kommen; dagegen werden vom gleichen
Datum ab für die Postkarlen die für die ungenügend
rankirten Briefpostsendungen geltenden Bestimmungen
n Kraft treten. Der betr. Paragraph 9 hierüber
estimmt: Briefpostsendungen, welche von dein Ab⸗
ender durch unrichtige Anwendung der Marken,
zier also Postkarten, unzulänglich frankirt worden
ind, werden mit der Taxe füͤr unfrankirte Briefe
helegt und der Betrag der verwendeten Werthzeigen
davon in Abzug gebracht. Ein weiterer Paragraph
autet: Werden Briefe mit Freimarken eines andern
Postgebietes in Bayern zur Aufgabe gebracht, so
verden solche Briefe als unftankirt behandelt und
die verwendeten Freimarken als ungiltig bezeichnet.
Dagegen wird dem Empfänger einer aus einem
andern Postgebiete nach Bayern eingehenden mit
hayerischen Freimarken beklebten Briefpostsendung
der Werth dieser Marken vergütet, bezw. von dem⸗
selben bei der Zustellung nur soviel eingehoben, als
die nach dem Satze für unfrankirte Briefe treffende
Taxe den Werth der verwendeten Freimarken über—
teigt. Aus vorstehenden Erläuterungen ist zu er⸗
ehen, daß die neue Vereinbarung bezügl. der Post⸗
arten auf Grund der früheren Bestimmungen ge⸗
roffen wurde. Darnach werden also die Postkarten
jegen Erhebung von 5 Pf. Porto und 5 Pf. Zuschlags⸗
zebühr zur Beförderung gelangen und die unrichtig
derwendeten Postwerthzeichen dem Empfänger quit
gerechnet werden.
Als Generalstabschef der bayerischen Armee
vurde vom König der Generalmajor Graf Verry
della Bosia (Kommandeur der siebenten Infanterie-
Brigade in Würzburg) ernannt. —
Aus den Reichslanden, 28. März. Die
Straßburger Tabakmanufaktur beabsichtigt dem
Lernehmen nach wieder auf ihre frühere Fabrikation
urückzugehen und nur Cigarren in den gewöhnlichen
Sorten zu produciren.
* Fürst Bismarck wird leider beinahe un⸗
interbrochen von rheumatischen Leiden gequält, (zu
»enen sich in voriger Woche auch noch eine Erkäl—
ung gesellt hatte, die in Gestalt einer Halsaffektion
zuftrat. Glücklicher Weise beeinträchtigen diese
Unpaßlichkeiten die Energie des Reichskanzlers nur
wenig, wie derselbe in jüngster Zeit zumal gegen⸗
über Spanien bewiesen hat, welches Deutschland
eine auf Gegenseitigkeit beruhenden Handelsconces⸗
ionen machen wollte, worauf nun an Stelle eines
»eutschespanischen Handelsvertrags nicht nur von
Seiten Spaniens, sondern auch von Seiten Deutsch⸗
ands „spanisch gepfefferte“ Einqangszölle treten
Verden
Die Vorlage über die Reichskriegshäfen
ist dem Reichstagsburean übergeben worden. Die
Nachricht, daß der Reichskanzler den Reichstag auf⸗
zuldsen gedenkt, wird in unterrichteten Kreisen nicht
geglaubt.
In einem die „Zukunft des Kleingewerbes“
ehandelnden Leitartikel erklärt die goubernementale
Nordd. Allg. Ztg.“, sie halte „die obligatorischen
Innungen heute nicht mehr für eine berech⸗
rigte und lebensfähige Form.“
Ausland.
Paris, 29. Marz. Wie der Gaulois meldet,
soll Gallifet zum Oberstcommandirenden sämmtlicher
Cavallerietruppen ernannt werden.
Sondon, 26. März. Der Rücktritt Glad⸗
stone's steht bevor. Hartington wird als Nachfolger
angesehen.
Die Nachrichten aus Erzerum lauten sehr alar⸗
nirend. Ein Correspondent des „Standard“ mel⸗
»et, daß alle Geschäfte stille stehen, weil die großen
russischen Truppenbewegungen in Kaukasus nach
er allgemeinen Ansicht den baldigen Ausbruch eines
ussisch⸗ türkischen Confuͤets voraussehen
assen. Bereits sind wichtige chiffrirte Depeschen
nus dem Palast in Yildiz-Kuosk an den General.
Souverneur abgegangen, und all das hat in Ver⸗
zindung mit der neuerdings auftretenden Unzufrie⸗
)enheit in Armenien eine ernste Bedeutung. Die
Verhaftungen von armenischen Notabeln haben wieder
egonnen und ein langer Bericht des Genertal—
Bouverneurs in Erzerum beschuldigt den armenischen
Erzbischoff, daß er die Insuͤrrection anschüre, und
»egehrt seine Verhaftung. Die Armenier sind er⸗
zittert über die Nichtausführung der von der Pforte
ersprochenen Reformen, und es ist nur zu wahr⸗
cheinlich, daß eine russische Occupation des Landes
dis Erzerum mit Frieden aufgenommen werden
dürfte. Die an der Grenze stehende russische Trup⸗
denmacht wird auf 80- bis 100,000 Mann ge—⸗
chätzt, denen die Türken nur 20.000 entgegenzu⸗
tellen haben.
Die Meldungen des „Standard“ und der
„Times“, wonach die deutsche Regierung Ländereien
n Mexiko bereits erworben hätte und weitere
Ankäufe bevorstünden, sind vollstandig unwahr;
illem Anscheine nach verfolgen derlei Nachrichten
nur den Zweck, die deutsche Auswanderung nach
Mexiko zu leiten.
Von der Westküste Südamerikas trifft über
dondon die wichtige Privatmeldung ein, daß am
3. Marz offenbar in Folge der unausgesetzten Ver⸗
nittelungsbemuühungen des amerikanischen Gesandten
oie endliche Unterzeichnung der Friedenspräliminarien
wischen den kriegführenden Maächten Chile,
Peru und Bolivia zu Lima stattgefunden und so⸗
nit der 1879 eröffnete — sogenannte Salpeter
»ezw. Guanokrieg sein glückliches Ende erreicht hat.
Thile erhält durch den Friedensschluß die ganze
üdperuanische Provinz Taropaca, auch Bolivia er⸗
zält einen Gebietzzumachs
Lokale und pfälzische Nachrichten.
*St. Ingbert, 30. Marz. Von wohlin⸗
jormirter Seite wird uns in Bezug auf die gegen—
wartig von der Presse colportirte Nachricht, „in der
Adt'schen Dosenfabrik zu Ens heim seien 500,000
Säbelscheiden aus Papiermachee für die russische
Armee fertig gestellt,“ berichtigend mitgetheilt,
daß dieselbe insoweit auf Unwahrhert und
debertreibung beruht, als nicht in der Fabrik
ꝛu Ensheim sondern in der 2u DaArhah voe
—