Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingherter Anzriger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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M 227. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 19. Nov. Der Kaiser empfing heute 
Mittag den Feldmarschall Grafen Moltke und den 
rüheren Kriegsminister v. Kameke und conferirte 
väter mit dem Minister Mayhbach. 
Der Stand der preußischen Staats⸗ 
stnanzen soll ein so günstiger sein, daß es heißt, 
die Landtags⸗-Eröffnungsrede werde desselben aus 
zrücklich Erwähnung thun. 
Bezüglich der Frage wegen Reform des 
Benossenschafts rechtes dürften folgende Mit- 
heilungen von Interesse sein: Schon im Jahr 1875 
rklärte der damalige Staatssekretär im Reichsjustiz- 
imt. Dr. Friedberg. daß eine Reform des Genoffen⸗ 
chaftsgesezes in Verbindung mit der geplanten 
Kebision des Aktiengesetzes bevorstehe. In der 
SZitzung vom 11. Maͤrz 1878 faßie der Reichstag 
in Erwägung, daß das Bedürfniß zu einer Re— 
ision des Gesetzes, betreffend die privatrechtliche 
Stellung der Erwerbs- und Wirthschaftsgenossen⸗ 
chaften, überhaupt, insbesondere aber in der Richtung 
mzuerkennen ist, den Beginn der Mitgliedschafi 
eitretender Genossenschafter und den zuläfssigen 
Zeitpunkt des sogenanten Umlageverfahrens feftzu⸗ 
teslen“, den Beschluß,, den Reichskanzler aufzufordern, 
»en Entwurf einer Novelle zum Genossenschaftsgesetz 
n welcher die in dem Antrag des Abg. Dr. Schulze 
mgeregten Punkte ihre Berücksichtigung finden, mit 
hunlichster Beschleunigung ausarbeiten zu lassen“. 
dies führte zu dem Beschluß des Bundesrathes vom 
23. Februar 1879, „den Herrn Reichskanzler zu 
rjuchen, im Anschluß an die beschlossene Redision 
ꝛer Aktiengesetzgebung unter Berückfichtigung der in 
ꝛer Resolution des Reichstages vom 11. Maͤrz 1878 
jervorgehobenen Punkte den Entwurf einer Novelle 
iu dem Gesetz, betr. die privatrechtliche Stellung 
»er Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschafien vom 
i. Juli 1868 ausorbeiten zu lassen und dem Bundes 
ath vorzulegen.“ Infolge dessen wurden im Reichs⸗ 
ustizamt die nothigen Vorarbeiten zur Revision des 
henossenschaftsgeseßes in Angriff genommen. Da 
iber die Sache sich verzögerte, so beschloß der Reichs⸗ 
ag, an den Reichskanzler das Ersuchen zu stellen, 
ait thunlichster Beschleunigung den Entwurf eines 
evidirten Gesetzes über das Genossenschaftsrecht 
usarbeiten und an den Reichstag gelangen zu 
assen. Zugleichwurden folgende damals im Reichstage 
ingebrachte Anträge dem Reichskanzler als Maͤterial 
ur Revifion des Genossenschaftsgesetzes üperwiesen: 
Der Antrag des Abg. Schulze⸗Delitzsch, welcher 
as Princip des Genossenschaftsgeseßes, die solidarische 
aftbarkeit der Genossenschafier aufrecht erhalten, 
iber einige praktisch wichtige Modificationen des 
hesetzes vorgenommen, insbesondere Vorsorge ge⸗ 
toffen haben will, daß im Falle des Konkurses 
mer Genossenschaft die Gläubiger nicht beliebig 
mzelne von den solidarisch haftenden Mitgliedern 
erausgreifen. sondern daß die Schuld auf fämmt⸗ 
iche Theilnehmer billig dertheilt wird. 2) Der 
Untrag des Abg. Ackermann, welcher den Genossen⸗ 
chaften eine Reihe von Einschränkungen und Con⸗ 
rolen auferlegen will. 8) Der Antrag des Abg. 
. Mirbach, welcher den Vorschlag enthält, neben 
en bestehenden Genossenschaften mit unbeschränkter 
ẽolidarhaft in Zukunft auch Genossenschaften mit 
eschrankter Hafsdarkeit zuzulassen. Wahrend nun 
is zum Jahre 1882 die Reichsregierung die Absicht 
atte, die Revision der Genossenschaftsgesetzgebung 
Form einer Novelle zu bewirkenist dieselbe 
Dienstag, 20. November 1883. 18. Jahrg. 
neuerdings zu der Ansicht gelangt, daß das beab⸗ 
sichtigte Ziel sich nicht in einer Novelle erreichen 
laffe, sondern daß ein neues umfassendes Genossen 
schaftsgesetz nothwendig sei. Ein solches Gesetz ist 
m Reichsjustizamte ausgearbeitet und berathen 
vorden und dürfte dem Reichstage in der nächsten 
—AV 
Eine Genugthuung für das deutsche Na⸗ 
ionalgefühl, sowie ein Beweis für Deuisch— 
ands Machtstellung liegt in der Nachricht, daß für 
vie Plünderung des an der Küste von Hainan 
China) gestrandeten Flensburger Dampfers Quin⸗ 
a“ die chinesischen Behörden 40,000 Doll. zahlen 
nüssen, wovon 830,000 bereits entrichtet sind. Die 
zeiten liegen noch nicht sehr weit hinter uns, in 
enen ein Angriff auf deutsches Eigenthum wahr⸗ 
cheinlich ganz ungesühnt geblieben wäre oder diese 
Zühne sich wenigstens sehr lange hinaus gezogen 
ätte. Sie find, Gott sei Dank, vorüber. Die 
Nachtstellung, welche das Reich einnimmt, ist eine 
olche geworden, daß es jedes ihm, oder seinen 
kinwohnern zugefügte Unrecht mit Nachdruck zu ver⸗ 
olgen vermag, und daß auch außerhalb der deut⸗ 
hen Grenzen kein Deutscher mehr fremder Willkür 
hutzlos preisgegeben ist. Marine und Heer, dazu 
in zu immer Jrößerer Entwickelung gelangendes 
donsulatswesen sind die Haupistützen dieser Macht, 
nif denen natürgemäß auch das Emporblühen des 
dandels sicher und stetig vor sich gehen kann. Nie⸗ 
nand, welchem das Wohl des Reiches am Herzen liegt, 
ann sich diesen Wahrheiten verschließen, nur der kaun 
fie verkennen, dem jenes Wohl gleichgiltig ist und dessen 
Hedanken und Wuͤnsche nach punkten hin gravitiren, 
velche weitab liegen von deutschen Interessen. 
Ausland. 
Kein Manifeft. Mehrere Blätter meldeten, 
er Graf von Paris gedenke demnächst ein Manifest 
u veroffentlichen. Dem gegenüber erklart sich der 
erleanistische Figaro zu der Erklarung ermaͤchtigt, 
aß der Graf von Paris kein Manifest, weder in 
Form eines Briefes an einen Journalisten noch in 
iner anderen Form veröffentlichen wird. Das stimmi 
nuch ganz zu der sonstigen Haltung des orleani— 
tischen Prinzen, welcher nichts selbst unternehmen, 
ondern die Dinge an sich herankommen lassen will. 
Stoͤker in London. Herr Hofprediger 
Stocker beabsichtigt nunmehr seine Ideen über die 
oriale Frage in Deutschland in einer privaten Ver⸗ 
ammlung auseinanderzusetzen. 
Rom— 19. November. Diritto bringt dem 
)eutschen Kronprinzen, dem Sohne des Kaisers 
Wilhelm, dem aufrichtigsten und bewahrtesten 
Freunde Italiens, das herzlichste Willkommen dar. 
Geuuag, 18. Nov. Der deuische Botschafter 
. Keudell ist heute Vormittag 8 Uhr hier ein⸗ 
jetroffen und hat heute Nachmitiag mil dem Ge⸗ 
jeralkonsul Dr. Bamberg, bei welchem er das 
Ddiner eingenommen haite, dem Kommandanten 
es deutschen Geschwaders, Kapitän z. S. Menfing, 
in Bord des „Prinz Adalberi“ einen Besuch ab⸗ 
estattet. — Der Kaiser Alexander von Rußland 
zat zur Begrüßung des Kronprinzen den Admiral 
Tschebhochteff mit der Korbene Soeliana“ und 
noch einer zweiten Korvette hierher entsendet, welche 
jeute früh hier eingelaufen sind. Die Einschiffung 
»es Kronprinzen, welcher heute Nacht 12 Uhr hier 
intrifft und im „Palazo Reale? absteigt, erfolgt 
norgen, die Abfahrt von hier nach Spanien is! 
vorläufig auf 6 Uhr Abends festgesetzt. Von allen 
Zeiten treffen Fremde hier ein. Die Witterung ist 
hön und sehr warm 
Genuaga, 19. Nov. Der deutsche Kronprinz 
ist Nachts 2/2 Uhr hier eingetroffen und auf dem 
Bahnhofe vom Botschafter v. Keudell, dem General⸗ 
consul Bamberg, den Offizieren des Geschwaders, 
dem Präfecten und Sindaco Genua's, sowie zahl⸗ 
reichen italienischen Offizieren und Angehörigen der 
deutschen Colonie? empfangen worden. Der Bahnhof 
war aufs Festlichste geschmückt und tageshell erleuch⸗ 
let. Auf demselben war eine Ehrenwache der Mu⸗ 
nizipalgarde mit Mufikkorps, aufgestellt, welches 
„Heil Dir im Siegerkranz“ spielte. Die zum Pa⸗ 
lazza Reale führenden Straßen waren illuminirt 
ind mit einer nach Tausenden zählenden Menschen⸗ 
nenge angefüllt, welche den Kronprinzen mit en⸗ 
husiastischem Eviva's und Händeklatschen empfing. 
Den Wagen des Kronprinzen geleitete eine Escorte 
don Carabiniers zu Pferde. Im Vorhofe zum Pa⸗ 
aste war eine Ehrencompagnie aufgestellt. Die 
enthufiastischen Kundgebungen der Menschenmenge 
vor dem Palaste dauerten fort. Der Kronprinz 
rat auf den Balkon und dankte. 
SGenua, 19. Rov. Der Kronprinz empfing 
Vormittags 11 Uhr den Präfekten und später den 
Sindaco mit der Giunta. Der Kronprinz sprach 
eine Genugthuung für den herzlichen Empfang aus 
und gedachte seines Aufenthaltes in Pegli und der 
Vollendung der Gotthardbahn, welche die Beziehungen 
der bdeiden befreundeten Nationen enger geknüpft 
habe. Um 2 Uhr findet unter Salutschüssen der 
Forts und Kriegsschiffe die Abreise nach Valencia 
statt. Die Häuser und Schiffe find festlich geflaggt. 
Das Wetter ist heiter, aber eitwas windig. 
Madrid, 19. Novd. Der deutsche Gesandte 
und die zum Empfange des deutschen Kronprinzen 
destimmten Persönlichkeiten gehen heute nach Va⸗ 
enzia ab. Eine Baiterie Feldartillerie gibt bei 
der Landung des Kronprinzen Salutschüsse ab; die 
Behörden empfangen denfelben auf dem Quai. Zehn 
Bataillone Infanterie, zwei Regimenter Kavallerie 
ind ein Regiment Artillerie werden Spalier bilden. 
Brafilianische Colonisationsgesell⸗ 
schaft. In der brafilianischen Haupistadt hat sich 
der Allg. Dtisch. Zig. für Brasilien zufolge eine 
xinawanderung und Colonisationsgesellschaft gebildet, 
zeren Zweck es ist, in Brasilien und Europa Pro⸗ 
»aganda zu Gunsten sreier und gesunder Einwan⸗ 
derung nach Brasilien zu machen. Die Gesellschaft 
vill nichts anderes sein, als ein dermittelndes Or⸗ 
jan, um den soliden Einwandern mit gutem Rathe 
ʒeizustehen; eine Masseneinwanderung wird nicht 
hefürwortet, wie denn überhaupt jede Ueberstürzung 
und jeder abenteuerliche Versuch bermieden werden 
oll. Zum Praäsidenten der Gesellschaft, welche sich 
übrigens erst nach Ausarbeitung der Statuten de⸗ 
finitiv constituiren wird, wurde der Visconde de 
Barbarcena und zum Secretär der Generaldeputirte 
Alfredo Escraanolle Taunad gewählt. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— Kaiserslautern, 18. Novbr. Der 
vichtigste Gegenstand der Tagesordnung der letzten 
Stadtrathssitzung war die Vorberathung des Bud⸗ 
jets pro 1884. Einem Bericht der „Pf. Post“ 
ntnehmen wir hierüber folgendes: Nachdem bereits 
m Jahre 1883 durch Stadtrathsbeschlüsse geneh⸗ 
nigte, sehr nöthige und theilweise schon ausgeführte 
Arbeiten eine Budgetüberschreitung von 4691 Mt. 
hedingten und im kommenden Jahre 1884 unbe⸗ 
singt nöthige Pflaster- und Chaussirungsarbeiten 
nit 19,734 Mk. vorgesehen sind, ergiebt sich ein 
Defizit von 24,245 Mk., für welches keine Deckung