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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöochentlich mit Unterhaltungs
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Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Karlsruhe, 8. Juni. (Landesversammlung
cnationalen und liberalen Partei
zadens.) Die Festhalle ist von etwa 4000
cheilnehmern gedrängt gefüllt. Lamey wird durch
ttlamation zum Präsidenten gewählt. Kiefer
egrüßt die Versammlung; er legt die Parteiziele
ar und weist die Berechtigung der Nothwendigkeit
er Existenz der nationalliberalen Partei nach. Er
Jeist auf die günstige Zukunft der Partei hin und
idert auf in erster Linie zur sozialen Reformarbeit
ne Sinne der kaiserl. Botschaft von 1881 und zu
mem festen Ausbau des Reiches, und plaidirt dann
ir bedingungslosen Beitritt zu den Heidelberger
nd Berliner Resolutionen. — Wiederholter und
inutenlanger stürmischer Beifall folgte den Worten
5 Redners. — Eckardt wirft einen Rückblick
uf die Parteibildung, sowie die Ausgleichung der
olitischen Kontraste zwischen Norden und Süden,
reist den Reichskanzler und fordert zur Unterstütz⸗
ag der Politik Bismarks unter Wahrung der
zʒelbstständigkeit auf. Sodann bespricht Redner die
orliegenden legislatorischen Aufgaben und gibt den
hünschen nach Ruhe für Handel und Industrie
lusdruck. — Rauschender Beifall wird auch diesem
tedner zu Theil. — Oberstlieutenant v. Wolff⸗
ztutigart begrüßt Namens der württembergischen
eutschen Partei die Versammlung. Brünings—
andau begrüßt Namens der Pfalz die Versamm⸗
ing. Die hiernach einstimmig angenommene Re—
Aution spricht die rückhaltlose Zustimmung zu den
desolutionen von Heidelberg und Berlin aus.
Präsident Lamey schließt hierauf die Landes—
ersammlung mit einem Hoch auf den Kaiser, in
velches die Versammlung begeistert einstimmt.
Berlin, 9. Juni. Die Abreise des Kaisers
ach Ems erfolgt nach den bisherigen Dispositionen
m Samstag Abend. — Der Reichskanzler empfing
eute Vormittag einen längeren Besuch des Prinzen
bilhelm.
der Kaiser soll sich, wie der „Kuryer Wars⸗
awli“ erfahren haben will, einem ihm nahe—
chenden Würdenttäger (Prinz Radiziwill) gegen⸗
ber betreffs des rechtskräftig wegen Landesverraths
exurtheilten polnischen Dichters Kraszewski
lgendermaßen geäußert haben: „Den Prozeß
raszewski bemüht man sich gegenwärtig eifrig zu
Nlitischen Zielen auszubeuten. Man vergißt nur,
az am Ende die Polen nicht schuld daran sind,
ß ihr verherrlichter Dichter Ageni der französischen
ichtung war. Man darf doch von der polnischen
ation nicht sagen, daß sie insgesammt sich damit
eshäftigt hat, Frankreich geheimes Material über
nsere Heereseintheilung zu liefern, hierin geht
an entschieden zu weit. Während unseres Krieges
ut Frankreich haben die polnischen Soldaten und
—10 tapfer in den Reihen des deutschen
re gegen die Franzosen gekämpft, und wer
inde hieraus den Schluß ziehen wollen, daß die
anze polnische Nation uns im Kriege gegen Frank⸗
it half? Ebenso verhaͤlt es sich mit Kraszewski,
zan auch hinter ihm die Fraktion der polnischen
rarten stand. Dieser Mann hatte gewiß nicht
othig. Derattiges zu bun
Ausland.
Wien, 8. Juni. Die offiziöse „Montags-
edut. befpricht die Erklärungen Macinis be—
aͤdlich der marokkanischen Frage und führt auns:
Dienstag, 10. Juni 1884.
19. Jahrg
Bisher habe Frankreich keiner Regierung Aufklär—
ingen über seine Absichten bezüglich Marokkos
jegeben. Von Seiten Englands würde im Hinblicke
auf die prekären Momente in der egyptischen Situ—
aition die Reihe der streitigen Punkte wohl nicht
purch einen vermehrt werden. Die Position Eng—
ands in Gibraltar könne jedoch nicht umgangen
verden, und so würde sich England jedenfalls zur
Diskussion dieser Angelegenheit in einem gewissen
Uugenblick gedrängt sehen. Vorläufig habe Ferry
iur dem Madrider Kabinet eröffnet, daß es ledig—
ich civilisatorische und kulturelle Interessen seien,
velche die Haltung Frankreichs in Marokko be—
timmen. Frankreich betrachte Marokko keineswegs
ils ein Theilungsobjekt zwischen den rivalisirenden
Mächten. Frankreich wollte nur Marokko in den
Stand setzen, die mit den europäischen Mächten
ingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Ob
S„panien, welches Marokko als seine Domäne und
ils natürlichen Angelpunkt seiner neuen Groß—
nachts⸗Strebungen betrachte, sich bei diesen Ver—
icherungen beruhe, bleibe dahingestellt. Das tune⸗
ische Beispiel könne für die spanische Regierung
inmöglich beruhigend erscheinen. Sollte demnach
vas nicht ausgeschlossen scheine, die marokkanische
Frage von Italien diplomatisch aufgegriffen werden,
jo könnte dies immerhin zu politischen Kombinationen
ühren, welche Frankreich gegenüber den Beweis
jerstellen würden, daß dessen Aktion in jenen Ge—
zieten ganz ebenso innerhalb gewisser von den
neistbetheiligten Mächten gezogener Schranken sich
ewegen müsse, wie die Aktion Englands in Egypten.
London, 9. Juni. In Newry GErland)
and gestern anläßlich einer von den Nationalisten
bgehaltenen Versammlung ein Zusammenstoß der
dationalisten mit Orangisten statt. Die Ersteren
ogen nach dem Schlusse der Versammlung vor den
Zaal, wo die Orangisten versammelt waren, warfen
nit Steinen und zertrümmerten die Fenster; einige
MNale wurde auch geschossen. Mehrere Personen
vurden durch Steinwürfe verletzt. Polizei und
Truppen stellten die Ruhe wieder her, wobei von
neiden Parteien Mehrere verhaftet wurden.
Wie der Petersburger Berichterstatter der
„Times“ meldet, ist in den höheren Gesellschafts—
treisen der russischen Hauptstadt das Gerücht von
der bevorstehenden Verlobung des Großfürsten—
Thronfolgers mit einer Tochter des deutschen
sronprinzen verbreitet.
Massenverhaftungen. Die Krakauer Re⸗
iorma berichtet: In Kischeney haben die Polizei
uind die Gendarmen Hausdurchsuchungen vorgenom⸗
nen, und wurden 32 Personen wegen nihilistischer
Umtriebe verhaftet, darunter 1 Polizist, 20 Schüler
ind Schülerinnen der höheren Classen. Bei dem
Sohne eines Advokaten wurden aufrührerische Pro⸗
lamationen gefunden. In Kiew wurden 100 Per⸗
onen verhaftet, darunter 40 Offiziere. Auch in
Fharkow hat eine Hausdurchsuchung bei vielen
Zürgern stattgefunden; es wurden daselbst eine
Zuchhandlung gesperrt, eine Geheimdruckerei ensdeck
ind 200 Wersonen verbaft⸗
wird, da auf den zuerst bestimmten Tag mehrere
ähnliche Feste in der nächsten Umgebung fallen,
was für mehrere Vereine ein Verhinderungsgrund
ist. Als Festplatz ist der Wald beim Schloß élster—
ttein gewählt und die Bergkapelle der Grube
Altenwald als Festmusik engagirt.
8. Homburg, 9. Juni. Die heute dahier
zusammengetritene Diöcesansynod'e wurde nach
GBesang und Gebet durch eine kurze begrüßende
Ansprache des kgl. Dekan's eröffnet. Der Jahres-
dericht konnte neben manchem wunden Fleck auch
auf viele erfreuliche Erscheinungen im religiös—
kirchlichen Leben unsrer Diöcese hinweisen. AÄuch
auf dem Gebiete der gemischien Ehen, wo das
hiesige Dekanat bisher die größten Verluste zu
berzeichnen hatte, scheint ein Umschwung eingetreten
zu sein. Im verflossenen Jahre wurden von 157
dZindern aus gemischten Ehen 80 in den prot.
Kirchen getauft, von 88 gemischten Brauipaaren
21 evangelisch getraut. Was aber unsre Diöcese
mit ihren vielen Gustav⸗Adolfsgemeinden vor allen,
auch den allerwohlhabendsten der Vorderpfalz, aus-
zeichnet, ist ihre Opferwilligkeit. Sämmtliche Col—
lecten ertrugen M. 5118, wovon auf den Gustab⸗
Adolf⸗Verein M. 20 40 entfallen. Die Klingel-
beuteleinlagen betragen M. 83388; auf den Kopf
der Bevölkerung treffen von Collecien und Almosen
pro Jahr 20 Pf.
Hinsichtlich der Revision des Gesangbuches, faßte
die Versammlung die einstimmige Resolution: Man
nüsse dem Consistorium dankbar sein für die vor—
ichtige und zwedmäßige Weise, in der es diese An⸗
Angelegenheit aufgegriffen habe; die Herausgabe eines
Anhang's von etwa 60 Liedern werde in den
Bemeinden keinem Widerstand begegnen, und es
eien auch für ihre Person alle Mitglieder mit der
zeplanten Revissi o neinverstanden; nur könnten Meh⸗
cere sich der Befürchtungen nicht verschließen, daß hie
ind da sich eine Mißstimmung geltend machen werde,
von der es dahinstehe, ob sie durch Belehrung und
Aufklärung sich werde beseitigen lassen.
Nachdem schließlich der Vorsitzende seinen in hohem
Maße fesselnden Vortrag über die Bedeutung
Luther's für daschristliche Haus gehalten
hatte, wurde die Sitzung nach fast fünfflündiger
Dauer um 2154 Uhr geschlossen.
Bei einer späteren Besprechung wurden für das
am 22. d. Mis. zu feiernde Jahresfest des Gustab—
Adolf · Zweigvereins als Festort St. Ingbert und
us Festredner die Pfrarre Jung und Leonhard
dezeichnet.
— Die am Sonntag Nachmittag im Café Kraämer
in Kaiserslautern stattgehabte Versammlungider Po st
do ten, welche 55 Theilnehmern aus allen Gegenden
der Pfalz besucht war, beschloß die Gründung einer
Wittwenkasse. Das Eintrittsgeld wird sich nach
dem Beschluß auf 2 Mt. und der monatliche Bei⸗—
ktrag auf 25 Pfg. normieren, dem gegenüber die
Wittwe eines Postboten eine Unterstützung von vor—
läufig monatlich 10 Mk. erhält, die sich später je
nach dem Bestand der Kasse entsprechend erhöhen
wird. Die Kasse wird mit dem 1J. Juli in's Leben
treten. Der Vorstand besteht aus den Herrn Butter⸗
'aß, Grünstadt, Vorsitzender, Lauer, Dürkheim,
dassier und Schriftführer, Westrich, Landstuhl und
Bensinger, Edenkoben als Beisitzende. Unterzeichnet
wurde für 90 Postboten, denen hoffentlich die üb—
rigen folgen werden.
— Neustadt, 7. Juni. Das kgl. Bezirks—
amt hat die auf morgen anberaumte Volksversamm⸗
ungq. in welcher der sozialdemokratische Abgeordnef⸗
—
kokale und pfaälzische Nachrichten.
I Si. Ingbert, 10. Juni. Das 10jäh—
rige Stiftungsfest unseres Krieger-Vereins,
velches auf den 22. ds. Mis. anberaumt war, ist
ingetretener Hindernisse wegen, auf Sonntag, den
20. Juli verlegt worden. Bereits haben viele von
»en eingeladenen Vereinen zugesagt, deren Zahl
her hei der Verleaung sich bedeutend vermehren