Frankreich angeordnet, außerdem über die Einfuhr⸗
ttationen eine siebentägige Quarantaine verhängt,
und die Desinfection sämmtlicher Provenienzen ver⸗
fügt. Ungereinigte Wolle, Häute, lebende Thiere
und Fleisch dürfen überhaupt nicht eingeführt werden.
London, 29. Juni. Dem „Observer“ zu⸗
folge ist der Entwurf der englischen Regierung für
die Regelung der egyptischen Finanzen den Dele⸗
girten der Konferenz gestern unterbreitet worden.
Die Hauptpunkte desselben seien folgende: 1) Herab
setzung des Zinsfußes der unifizirten Schuld auf
39 pCt; 2) Herabsetzung des Zinsfußes der pri⸗
vilegirteu Schuld auf 422 pCt; 8) der Zinsfuß
der Daira⸗Schuld soll nicht herabgesetzt werden,
vorausgesetzt, daß die zur Bezahlung der Zinsen
dieser Schuld bestimmten Einkünfte aus der Daira
hierzu ausreichen; andernfalls die egyptische Regie⸗
rung den fehlenden Betrag abzüglich 19 pCt. zu⸗
schießen; H der Zinsfuß der Domanial-Schuld soll
keinerlei Reduktion erfahren; 5) die Funktionen der
Kasse für die Amortisation der privilegirten und
der unifizirten Schuld soll gegenwärtig suspendirt
werden; 6) der Zinsfuß der Suez⸗Kanal⸗Obligati⸗
onen, welche sich in den Händen der englischen
Regierung befinden, soll um 14 oder * pCt
herabgesetzt werden; 7) die englische Regierung
wird einen Vorschuß von 8 Millionen Pfund Ster⸗
ling zur Zahlung von Entschädigungen oder anderen
Kosten selbst leisten oder garantiren. Diese Anleihe
wird allen übrigen Anleihen vorangehen; 8) die in
Egypten zu erhebenden Steuern sollen um 3/ bis
4 Millionen Pfund Sterling reduzirt werden.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
—* Wie uns mitgetheilt wird, hält der Zweig—
Verein deutsche Barbiere, Friseure und
aphper. Bader der Mosel, Saar, Blies und Nahe
nächsten Montag, 7. Juli, Nachmittags 2 Uhr bei
Wirih Joh. Weir ich Gebr. Becker'sche Brauerei
in der Unterstadt) hier, seine Quartalsper—
sammlung ab.
— Gerhardsbrunn, 28. Juni. Wie
kürzlich gemeldet, kam hier ein eigenthümlicher Fall
von Blulvergiftung mitielst einer Dreipfennigmarke
vor. Die Sache nahm nun einen recht schlimmen
Ausgang. Der verletzte Oekonom Munzinger schwedte
seit dem Vorfalle zwischen Hoffen und Bangen und
schien sich zuletzt der tröstlichen Zuverficht hingeben
zu dürfen, nach wochenlangen Befürchtungen mit
dem bloßen Schrecken davon zu kommen. In den
letzten Tagen verschlimmerte sich jedoch die kranke
Hand dermaßen, daß der Arm oberhalb der Hand
amputirt werden mußte.
— Landau. Vom 1. Juli ab kommen
am Westbahnhof Rundreisebillete für folgende
Strecke zur Ausgabe: Landau, Edenkoben, Neustadt.
Lambrecht, Kaiserslautern, Landstuhl, Homburg,
Zweibrücken, Pirmafens, Annweiler, Albersweiler,
Vandau. Der Preis des Billets ist für die 1. Klasse
11 Mk. 60 Pf., 2. Klasse 7 Mk. 70 Pf. 3. Klasse
4 Mt. 80 pf.
— Aus Edenkoben schreibt die Ggwrt: Ein
Gang durch unsere Fluren ist augenblicklich sehr
lohnend; überall steht der Weinstock in Blüthe und
der balsamische Blüthenduft strömt uns entgegen.
Das eingetretene warme Wetter war der Blüthe so
förderlich, wie es dem Feinde der Weintrauben,
dem Sauerwurm, nachtheilig war. Die für seine
Fortentwicklung nöthigen Bedingungen sind ihm
durch die Sonnenhitze entzogen und nach einigen
Tagen werden sich wohl wenige dieser gefräßigen
Insekten mehr finden.
— Neustadt, 28. Juni. Heute wurde in
dem von Guitsbesitzer Sartorius in Mußbach
gegen Pfarrer Welsch angestrengten Prozeß das
schoͤffengerichtliche Urtheil gesprochen. Herr Pfarrer
Weljsch wurde danach einer fahrlässigen Beleidigung
des Klägers für schuldig befunden, indem in dem
„Rhodter Fall“ Kläger Herrn Harteneck möglicher⸗
weise nur im Scherz um Schutz angegangen habe,
sich deßhalb der Sache nicht mehr erinnere und
demnach wohl eine Unwahrheit, aber nicht die von
dem Beklagten behauptete wissentliche Lüge konstatirt
sei. Dagegen wurde der von dem Beklagten ange—
tretene Beweis, daß bei Herrn Sartorius nach
früheren Erfahrungen eine wissentliche Lüge nichts
ungewöhnliches sei, als vollstandig erbracht ange—
sehen und Kläger in diesem Punkt mit seiner
Klage abgewiesen. In den Motiven wurde hierzu
noch besonders bemerkt, daß auch der Charakter
des Klägers, der als Vorstand eines Weinprodu⸗
zenten⸗Vereins und Haupturheber einer Vetition
gegen die Weinfabrikation selbst zwei Stück fabri—
zirten Wein von einer Weinfabrik gekauft habe, in
verdächtigem Lichte erscheine. Weiter wurde Herr
Sartorius auf erfolgte Widerklage von Seiten des
Herrn Pfarrer Welsch zweier Beleidigungen des⸗
selben für überführt erklärt, und somit Pfarrer
Welsch zu 100 Mk. und einem Drittel der Kosten
dagegen der Kläger Sartorius zu 200 Mt. und
wei Drittel der Kosten verurtheilt.
— Vom Haardtgebirge, 27. Juni.
Nachdem unsere Winzer durch die während
der letzten Wochen anhaltende nasse und rauhe
Witterung in immer trübere Stimmung wegen des
VBerlaufs der so wichtige Rebenblüthe ver—
etzt worden waren, hat sich jetzt endlich die Wit⸗
erung zum Besseren gewendet. Immerhin ist
der durch die ungünstige Witterung infolge der
VBerheerungen des Heu⸗ oder Sauerwurms ange—
richtete Schaden, besonders am unteren Gebirge,
nicht zu unterschätzen. Auch in den Reborten des
mittleren Gebirges sind Schäden zu constatiren,
während die Meldungen am oberen Gebirge nach
Lage der dortigen Vegetationsverhältnisse nichts von
Bedeutung nach jener Seite hin zu berichten wissen.
Hält die jetzige günstige Witterung während der
Blütheperiode an, so durften sich an den meisten
A
trefflichen Standes der Rebfelder wohl im allge—
meinen in ihrem Einflusse für das schließliche Herbst⸗
ergebniß als weniger ins Gewicht fallend, erweifen.
—XO
diesbezügliche Prophetie eine nur mehr müssige. —
Wie das in der Signatur der gegenwärtigen Pe—
riode liegt, war das Weingeschäft bisher ein fast
zurchweg recht ruhiges. In 18883er Weinen wurde
n Deidesheim zu 1000 - 1300 Mk. und in Dürk—
jeim zu 750 Mk. — bessere Sachen — abgegeben.
— Speyer, 28. Juni. Der letzten Sonn⸗
tag durch einen Sprung aus dem Eisenbahnwagen
Verunglückte, ist gestern früh 10 Uhr gestorben,
ohne zum Bewußtsein gekommen zu sein. Seine
Personalien sind unbekannt geblieben.
— Speyer, 29. Juni. Gestern Abend ge⸗
angte die telegraphische Nachricht hierher, daß ein
in Würzburg Medizin studierender junger Mann
»on hier ein Sohn des verstorbenen Apothekers,
Bfülf, ganz unerwartet an einem Herzschlage ge—
torben sei. Nach einer anderen Version, an deren
Richtigkeit nach den heute hier eingeluufenen Mit—
heilungen kaum mehr zu zweifeln ist und welche
nit Windeseile allgemeine Verbreitung gefunden
jat, ist der hoffnungsvolle Student in einem Pi—
tolenduell gefallen, also wiederum ein Opfer der
unseligen Duellwuth in Studenten-Verbindungen,
hurch welche die Universität Würzburg nachgerade
eine traurige Berühmtheit erlangt.
Vermischtes.
4 Es ist bekannt, daß König Ludwig J. von
Bayern es liebte, in schlicht bürgerlicher Kleidung,
nit schäbigem Cylinder und dito Regenschirm durch
die Straßen Münchens zu wandeln. Da hatten
sie einmal einen strammen Bauernburschen sich
hereingeholt und in des Königs Rock gesteckt. Der
sehnte sich gewaltig zurück nach den Fleischtöpfen
einer vieh⸗ und getreidereichen Heimath, denn in
München war er noch niemals so recht satt ge—
vorden; das „Bisserl Menage“ hätte bei ihm zu
dause für den kleinen vierjährigen Seppi nicht
inmal gereicht. Diesen Sohn des Mars führte
zun sein Geschick eines schönen Tages in den „Eng—
lischen Garten“, den „Thiergarten“ Münchens. Aber
ach, was galten ihm alle die schönen Rasenanlagen
und Hecken und Bäume! Er gedachte mit Weh—⸗
nuth an die Weizen- und Roggenfelder seiner Hei—
nath, die dem zugleich denkenden und appetitgeseg—
ieten Menschen nach beiden Richtungen hin einen
'o hohen Genuß gewähren. In Träumereien über
zie hohen Vorzüge seiner heimathlichen Fluren ver—
unken, achtete er nicht der des Weges Kommenden.
Da aber fuhr er plötzlich aus seinen Träumen auf,
us ihm eine Stimme entgegen tönte: „Warum
zrüßt Er mich nicht?“ Mit der ganzen Verblüfft⸗
zjeit, die ein naturwüchsiger Bauernbursche einem
so energischen Anruf gegenüber an den Tag zu
legen im Stande ist, bleibt er wortlos stehen. Erst
die Wiederholung der Frage giebt ihm Sprache
und Muth wieder. „J kenn Di jo nit,“ lautet
die Antwort. „Kennt Er mich wirklich nicht?“ —
„Na; sunst hätt' i 's eh' gsogt.“ Aber noch tritt
der Frager nicht aus seinem Inkognito heraus,
iondern sucht dem tapfern Krieger das Rathen zu
erleichern. „Von wem bekommt Er deun
Brod?“ Bei dieser Frage durchzuckt das Gehi
des Niegesättigten plötzlich die Erinnerung an
Mmappe Kasernenkost und aus einem mit echten
rechtem Aerger gefüllten Herzen ringen sich n
kräftigen, aber aufrichtigen Worte los: „So u
bisch Du der Malefizbck am Jsarthor, dunn
immer die kloanen Weckerln schickt?“ Damit 9
iun unser guter Soldat nicht das Richtige geirehe
iber geschadet hat es ihm auch nicht, daß *8
könig für einen Bäcker gehalten hat. r
fFrankfurt, 25. Juni. Durch Anwendun
des Wilcoxschen Pflanzenfaserpapiers bei den
neichetassenscheinen hoffte die Reichsregierugu
Befahr einer Fälschung vorzubeugen. Trohdem
jaben sich die Fälscher auch an die Nachahmun
der neuen Scheine gewagt, denn gestern fand
in der Kasse unseres Opernhauses ein falscher Fünfn
narkschein der Ausgabe vom 10. Januar 1882 —
velchet am Abend zuvor in Zahlung germn
vorden war. Die Falschung ist ziemlich gut g.
lungen und nur an den etwas matteren Farbin
an der verschwommenen Schrift in der letzten —
der Strafandrohung, sowie daran zu erkennen, daß
die Pflanzenfasern der Rückseite durch aufgellet
Menschenhaare ersetzt sind. Wie es scheint, ist die
Falschmünzerwerkstätte in Villingen Baden) .
uchen. Gleichzeitig wird nämlich auch aus Ron
veil und einigen benachbarten württembergischen
Ortschaften über das Auftauchen falscher Fuͤnfzig
narkscheine berichtet, welche dieselben Merkua
zeigen wie der hier angehaltene. Die in Rotlwel
ingestellten Erhebungen ergaben, daß ein Lithograph
Sattler in Villingen zur Deckung eines Wechsel⸗
sechs der erwähnten Scheine an einen Kaufmann
in Deißlingen gesandt hat, welcher sie ubeanstandet
weiter gab, bis der Postmeister Lauber in Rottwel
die Fälschung entdeckte. Der Lithograph sol al—
erdächtig verhaftet sein. Jedenfalls zeigt der Vor—
all, daß auch bei den neuen Kassenscheinen Vorsich
geboten ist.
— Bei Gelegenheit der 28jährigen Stiftungs—
eier des Vereins für Naturkunde in Offenbach
gelangte folgendes Gedicht von Viktor v. Scheffel
um Vortrage:
Der Turner.
Mel.. Ich weiß nicht, was soll ꝛt
Hoch ragte, der Sündfluth entstiegen,
Das struppige Urwaldgeflecht,
Da turnte in lärmenden Riegen
Der Affen behendes Geschlecht.
Sie liefen so sicher als zierlich
Die Palmen hinauf und hinab
Am Wickelschwanz lothrecht her b.
Da sprach eines Tags ein Schimpanse
„Ihr Brüder, ich sag es euch frei:
Es fehlt uns, wie ich das Ding anseh,
Schon längst eine Fortschrittspartei.
Was frommt in gleichbleibenden Cyklen
Dies Generationengedreh?
Ich werde mich weiter entwickeln
Und nenne mich „Homo Linné?“.
Ihr treibt mit den Beinen Verschwendung
Stets konservativ und bequem;
Ich glaube, zu bess'rer Verwendung
Taugt wohl unser Gliedersystem.
Zzum Gehen gedrauch ich bescheiden
Hinfüro die hinteren zwei,
So bleiben die vorderen beiden
Zum Heben des Schoppens mir frei.“
So schob sich mit schwankenden Schritter
Der Mensch in der Bildung Revier;
Irfand bald die Bildung und Sitten
Das Wahlrecht, den Skat und das Bier
dochmüthig bald hat er vergessen,
Wie nah er dem Affen verwandt,
Und neckte ihn, wenn er auf Messen
In Daggesells Bude ihn fand.
Doch an den entarkteten Thieren
Ward schwer die Verirrung gerächt;
Denn schändlich zu degeneriren,
Begann bald das Menschengeschlecht.
Seitdem in die Häuser, die dumpfen
Man zog aus der Urwaldsnatur,
Begann gar bedenklich zu schrumpfen
Die stattliche Muskulatur.
Vornehmlich in größeren Städtien
dam gänzlich der Mensch auf den Hund
Dünn blieben die Extremitäten,
Es wüthet im Haare der Schwund.
Die Bäuche nur zog man sich dicker
Mit Bier und verdächtigem Wein,
Und schaute durch Kneifer und Zwicker
Blasirt in das Leben hinein.
Da kam ein erleuchteter Greise,
Der sprach das gewichtige Wort;
„Es geht in bisheriger Weise
Unmöglich noch länger so fort!
Nur Umkehr zur Sitte der Väter
Befreit uns von aller Beschwer.“
Flugs tönte durchs Land das Gezeter
Der Turner. der Turner muß her!