Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
Der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint woöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
Blatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1/A 60 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1.4 75 B, einschließlich 
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auf welche die Erpedition Auskunft ertheilt, 15 , bei NReclamen 80 B. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
1I9. 
Montag, 28. Januar 1884. 
19. Jahrg. 
Für die Monate Februar und 
März nehmen die Postanstalten, 
die NRusträger und die Expedition Bestell⸗ 
ungen auf dieses Blatt entgegen. 
Ausland. 
Paris, 24. Januar. Ein Havasdepesche von 
hongkong meldet aus Hanoi, daß am 10. d. M., 
eine starke französische Recognoscirung in der Rich⸗ 
tung auf Bacninh bei der Vereinigung des Rothen 
und Schwarzen Flusses auf starke Feindesmassen 
tieß und von denselben erfolglos beschossen wurde 
schwere Verletzungen erlitt, daß er Tags darauf 
starb. Auch Gymnasialdirektor Haegele nebsi 
zwei anderen Personen soll schwer verletzt sein. 
Ueber die Entstehung des Unglücks und insbesondere 
darüber, ob von Seiten der Staatsbaumeister etwa 
die erforderliche Aufmerksamkeit außer Augen ge⸗ 
lassen wurde, wird die eingeleiteie Untersuchung 
stlarheit schaffen. 
F Berlin, 25. Januar. Die älteste Marke⸗ 
tenderin des preußischen Heeres, die 96 Jahre alte 
Wittwe Scheurig, ist zur „großen Armee“ abbe 
rufen und am Mittwoch auf dem bei Weißensee 
belegenem neuen Friedhofe der Georgen⸗Gemeinde 
mit militärischen Ehren zur letzten Ruhe gebettet 
worden. Sie hatte nicht nur ddie Freiheitskriege 
don 1813, 14 und 15, sondern auch noch im 
Jahre 1849 den Feldzug in Baden als Marketen- 
derin mitgemacht, wofuͤr sie mit je einer Denkmünze 
ausgezeichnet wurde, welche die Greisin bis an ihr 
Lebensende mit vielem Stolz auf der Brust zu 
tragen pflegte. 
F Der Chefder Firma G. Neidlinger, 
herr Georg Neidlinger, hat das gesammte 
Personal der 400 Filialen der Firma verpflichtet, 
sich etwas für die Zeit der Noth zu ersparen. Er 
selbst verzinst aus eigenen Mitteln mit8 Prozent 
das Ersparte, so daß also die Sparkassenbücher, von 
denen jeder Beamte sich eines anzulegen hat, außer 
den von der Sparkasse gezahlten Zinsen noch wei⸗ 
tere 5 Prozent, zusammen also ein Ert rägniß von 
32—9 Prozent liefern. Jeder der Sparenden ist 
unbeschrankter Verwalter seiner Ersparnisse. Wenn 
einer jedoch während des Jahres von dem Erspar⸗ 
ten zurückholt, geht die Prämie von 5 Prozent ver⸗ 
loren. 
. Todt in Folge unsinniger Wette. 
Aus Schäßburg wird dem Wiener „Frmdbl.“ ge⸗ 
chrieben: Der Bauer Andre Frailin von Hernya⸗ 
owa, ein riesenstarker Mann mit einem wahren 
Stiernacken, wettete dieser Tage im Wirthshause 
nit einem anderen Bauer Namens Alexin Gyorgye, 
während einer Unterhaltung um einen Fimer Wein, 
daß des Andern Pferd nicht im Siande sei, ihn, 
den Wettenden vom Platze wegzuziehen, wenn er 
ich innerhalb der offenen Thüre mil Handen und 
Füßen gegen den Thürpfosien stemme. Bei der 
sogleich gemachten ersten Probe riß der Strick, den 
ich Frailin um den Nacken gelegt hatte und dessen 
Enden an das „Wagendrittel“ geknüpft waren, an 
welches das Pferd angespannt war. Frailin selbst 
brachte sogleich einen anderen, stärkeren Strick, legie 
sich ihn wieder um den Hals und befahl, das Pferd 
jum Ziehen aufzumuntern. Anfangs widerstand 
Frailin eine Weile, als aber endlich das durch 
Peitschenhiebe zu stärkerem Zuge angeeiferte Pferd 
kräftiger anzog, stieß Frailin einen Schrei aus, fiel 
gach vorwärtis auf den Boden und wurde von dem 
Pferde, bis es angehalten war, einige Schritie weit 
zeschleift, ehe der Sirick über den Kopf glitt. Nach 
wei Tagen starb der Wettende an den Folgen 
jeines Uebermuthes, und zwar, wie die Sektion 
ergab, an Zerreißung einiger Rückgratsmuskeln. 
In dem neuen Billard⸗Match zwischen dem 
Franzosen Vigneaux und dem Amerikaner Schäfer, 
der in Paris am vergangenen Moniag begonnen 
und am Freitag beendet wurde, siegte wiederum 
Vigneaux mit 3000 Points gegen Schäfer, der 
2850 Pointis machte. Das Spiel daurrte im 
großen Saale des Grande Hotel fünf Abende; in 
jeder Sitzung wurden 600 Points gespielt. Es 
hatte diesmal zunächst den Anschein, als würd⸗ 
2— 
Politische Uebersicht. 
Pf. L. O. In fortschrittlichen Korrespondenzen 
wird empfohlen, den Arbeiter-Ausschüssen, 
denen die Mitverwaltung der Unfall-Versicherung 
zukommen soll, auch das Recht zuzusprechen, daß 
sie die „schwierigeren Fragen der Lohnhöhe und der 
Arbeitszeit“ lösen können. Um nur das Gesetz 
unannehmbar für Andere zu machen, um also 
nicht allein wieder die Neinsager zu sein, wird da 
hon Leuten, die sich so gerne die Anwälte des selbst⸗ 
eigenen Schaffens und der Selbsthilfe nennen, der 
Vorschlag gemacht, durch Staatsgefetz jene „freien“ 
Organe zu schaffen, welchen die Regelung der Lohn⸗ 
frage u. s. w. in alle Zukunft vorbehalien bleiben 
muß. „Herr, vergib ihnen, sie wissen nicht, was 
je thun!“ 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— Speyer, 283. Januar. In der jüngsten 
Sitzung des hiesigen Kanalkomites wuͤrde die 
erfreuliche Mittheilung gemacht, daß nun auch der 
ẽlsässer Handelsstand anfängi, sich für die Erbau— 
ung des Kanals von hier nach Straßburg zu er⸗ 
värmen. Verschiedene Handelsherren haben sich an 
das hiesige Komite gewandt und Verbindungen mu 
hnen angeknüpft, die zu guten Hoffnungen berechtigen. 
— Am Freitag ist in Speyer Herr Dr 
Franz Keller, Rektor der kgl. Realschule dahier. 
Ritter des kgl. Verdienstordens vom' hl. Michael 
1. Classe, Lehrer der Chemie und Naturgeschichte 
an genannter Anstalt gestorben. 
Bermischtes. 
Am vorigen Mittwoch verurtheilte das Schwur—⸗ 
gericht in Würzburg den 21 Jahre alten Tape⸗ 
ziergehilfen Jos. Treimmmel, wegen Ermordung 
der 19jährigen Katharina Appelt und Beraubung 
derselben von 20 Pfg. Schuhe, Halstuch und ein 
örbchen mit Schmalz am 30. Zezember vor. Is 
zum Tode. 
F Culmbachers Victoriahotel in Bad Kis— 
ingen jst für 450,000 Mk. an einen Herrn 
Tott, vor längeren Jahren Kellner in Coburg und 
dildburghausen, käuflich übergegangen. Letzzterer isl 
efannt als Hauptrestaurateur der Nürnberger und 
Inhaber sämmtlicher Restaurationen der Amsterdamer 
Ausftellung, woselbst er allein ein Personal von 
3800 Personen, darunter 32 Köche, 200 Kellner ie. 
beschäftigte. Dies war die Grundlage zur Erwerb⸗ 
ung eines nicht unbedeutenden Vermögens. 
x Dieser Tage wurde in Tegernsee ein 
Hirsch (Achtender) gefangen. Derselbe war von 
Hunden gehetzt in den See gesprungen, wo er von 
Fischern, die dem Flüchtlinge mit Kähnen nachsetzten. 
nittelst Stricke nicht ohne Muhe gefangen wurde. 
Derselbe wurde nach einer nahegelegenen Meiere 
verbracht, wo er sich zur Zeit wohlbehalten und 
munter noch befindet. 
F Arnstorf, 23. Januar. (Das Spiel mil 
dem Revolver.) Vor einigen Tagen manipulirte 
dahier ein Herr mit seinem neugekauften Revolver 
als plötlich ein Schuß krachte und ein in der Näht 
tehendes Dienstmädchen getroffen zusammenstürzte. 
Die Arme war in den Hals getroffen und ist am 
etzten Dienstag gestorben. 
f, Das Herrn Bankier E. Haldy in Saar— 
brücken gehörige Weingut zu Kleinbitters dors 
zing durch den Kauf in den Besitz des Herrn 
Theodor Lamarche über. 
FAus Straßburg i. El., 28. Januar. 
schreibt uunn dem Pf. J.: Vorgestern ist zu Buchs⸗ 
weiler in einem Staatsbau⸗Neubau des dortigen 
Gymnasiums ein Theil der Corridore gerade in 
dem Moment durch Absplitierung eines Balken? 
eingestürzt, wo der bauleitende Architelt Job, ein 
geborener Heidelberger, die Inspektionskommission 
in die neu hergestellten Räume einführen wollte; 
ämmtliche Mitglieder dieser Kommission stürzten 
iele Meter tief hinab, wobei der Notar und VBür. 
germeister von Buchsweiler, Kellermann se 
Deutjches Reich. 
München, 26. Januar. Der Kaiser von 
Oesterreich besuchte in bayerischer Uniform die hier 
anwesenden Mitglieder des Königshauses und em⸗ 
ing deren Gegenbesuche. Nachmittags war Diner 
bei Prinz Leopold, dem Schwiegersohn Sr. aposto⸗ 
lischen Majestät, morgen findet ein Galadiner bei 
Ihrer Maj. der Königin⸗Mutter statt. 
Berlin, 24. Januar. Der Volkswirthschafts- 
cath nahm zu Ziffer 1 der Grundzuge den Antrag 
in, wonach alle Arbeiter und Beamten in Berg 
verken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Brücken, 
Hruben, Werften, Fabriken, Hüttenwerken, deren 
dohn oder Gehalt jaͤhrlich 2000 Mark nicht über⸗ 
teigt, nach Maßgabe des Gesetzes versichert werden 
ebenso Arbeiter, Betriebsbeamte von Gewerbeirei 
henden, deren Gewerbebetrieb in Ausführung von 
hauarbeiten besteht, sowie ander⸗ nicht im Dienste 
eines derartigen Gewerbetreibenden stehende Bau⸗ 
arbeiter, Betriebsbeamte, sofern sie nicht lediglich 
einzelne Reparaturarbeiten ausführen. Vorgedach⸗ 
ten Betrieben stehen solche gleich/ wo Dampfkessel 
oder durch elementare Kraft dewegte Betriebe ständig 
zur Verwendung kommen. Betriebsbeamte m 
2000 Mt. übersteigenden Arbeitsverdienst können 
aus Grund einer statutarischen Bestimmung versicher 
werden. 
Berlin, 27. Januar. Der Kaiser schlief in 
er vergangenen Nacht zwar mit Unterbrechungen. 
lein Befinden ist aber ein durchaus gutes uͤnd“er— 
wünschtes, seine Genesung schreitet regelmäßig fort. 
Vormittags nahm der Kaiser die gewoͤhnlichen Vor⸗ 
rage entgegen, empfing später den Besuch des 
prnzen Wilhelm unddes Erbgroßherzogs von 
haden, ertheilte dem Stalthalter Grafen Nanteuffe! 
aine Abschiedsaudienz und conferirte Nachmittags 
nit dem Minister v. Putikamer! 
Berlin, 27. Januar. Bei der Beerdigungs⸗ 
rier Lasker's werden außer der vollzahlig theilneh⸗ 
nenden Liberalen Vereinigung und der Fortschritts⸗ 
dartei auch die Landtagsfraktion der Nationalliberalen, 
er Konservativen und des Zentrums durch Depu⸗ 
ationen vertreten sein; die in Berlin anwesenden 
hitglieder der dem Reichstage angehörenden Natio⸗ 
alliberalen werden fümmtlich theünsbmen