Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wbchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltun g 
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J”ę 208. Dienstag, 21. Oktober 1884. 
is Jahrg 
(I0. Die Entschädigung unschuldig 
Verurtieilter. 
Im Beginn der Wahlbewegung ist von radikaler 
Seite unter anderem der Vorwurf gegen die Natio— 
nalliberalen erhoben worden, daß sie über den in 
der abgelaufenen Reichstagssession vorgelegenen aber 
nicht mehr zur Berathung gelangten Gesetzentwurf 
vdetreffend die Entschädigung unschuldig Verhafteter 
ind Verurtheilter ein sehr leicht mißzudeutendes 
Stillschweigen beobachteten, und daß die in der 
pfalz kandidirenden Parteiangehörigen über diese 
Angelegenheit keine ausreichenden Erllärungen ab— 
egeben hätten. Demgegenüber erachten wir es am 
gzlatze, zuvörderst zu konstatiren, daß keine Vorlage 
m Reichstage auf allen Sciten des Hauses 
rit so viel Sympathie aufgenommen worden ist, 
naß es schlechterdings vom Ueberflusse erscheinen 
ronnte, mit den humanitären Gesinnungen, welche 
zie Nationalliberalen so gut wie die Mitglieder 
anderer Parteien beseelen, in den unerläßlichen 
Wahlreden noch besonders zu paradiren. Neuerdings 
iber ist auch nun das an verschiedenen Orten, so 
rst in Alsenz wieder von Herrn Bürgermeister 
Neumayer, nachgeholt worden. Die Gerechtigkeit 
es Entschädigungsanspruchs, für die sich längst die 
ifentliche Meinung und die Wissenschaft ausgesprochen, 
wurde von nationalliberaler Seite von Anfang an 
im allerwenigsten bestritten, zumal eine vorgelegte 
atistsche Nachweisung überraschende Auskunft ge— 
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Jahren vorgekommenen derartigen Fälle. Wir hegen 
auch die feste Ueberzeugung, daß unsere Parteifreunde 
n der kommenden Session, wenn die Frage zur 
eͤntscheidung gebracht werden sollte, im Sinne der 
ezten Kommissionsbeschlüsse darauf hinwirken wer— 
ꝛen, das für jetzt praktisch Erreichbare, nämlich die 
Bewährung einer Entschädigung für unschuldig er— 
ittene Strafhaft (auch bei der nicht erwiesenen 
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ilso ohne Unterscheidung der Gründe der Frei— 
brechung) durchzusetzen. Es ist ja eine traurige 
iher leider keines Beweises bedürftige Wahrheit, 
daß, so lange unter den Menschen die Strafgerech 
igkeit gepflegt worden, eben so lange auch, sei es 
mit, sei es ohne Schuld der das Recht Pflegenden, 
Unrecht zugefügt worden ist in der Form und unter 
dem Namen des Rechis und Richtens. Wie richtig der 
ilte riviale Spruch ist, daß Irren menschlich sei, offen— 
dart sich ja kaum jemals in so greller Deutlichkeit, als 
wenn wir die Annalen der Strafrechtspflege aufschlagen. 
Und dabti denken wir nicht etwa an die fragwürdigen 
Ansaͤtze solcher Rechtspflege bei halbwilden unent⸗ 
wickelten oder verlommenen Volkern, sondern an die 
iührenden Nationen abendländischer Gesittung in 
erer und neuerer Zeit. Unsäglich viel unschul- 
diges Blut ist vergossen worden auf den Richtstälten 
n den Jahrtausenden, welche die Geschichte des 
Ubendlandes umfaßt und unsäglich diel Leid der 
hwersten Art über unschuldig Angeklagte verhängt 
vorden. Hinrichtungen Unschuldiger, wie sie noch 
n vorigen Jahrhundert (auch abgesehen von den 
Nebolutionstribunalen und noch vor 1789) in er⸗ 
chreckend großer Zahl, namentlich in Frankreich 
vorgekommen find, können natürlich heutzutage, da 
die Todesstrafe nur selten vollstreckt wird (wenn sie 
nicht etwa wie in manchen Ländern, ganz abgeschafft 
s) auch nur sehr selten und ausnahmsweise sich 
geignen. Bekannt ist es dagegen, daß ungerechte 
Lerhaftungen und Verurtheilungen Unschuldiger zu 
enajährigen schweren Freiheilsstrafen bei allen 
Pölkern europäischer Bildung eine fast alltägliche 
Erscheinung sind. Nur zu häufig kann man in 
dieser oder jener Zeitung einen mehr oder weniger 
zlaubwürdigen Bericht über einen Justizmord im 
veiteren Sinn (d. h. eine ungerechte Verurtheilung, 
zeziehungsweise Verurtheilung eines Unschuldigen) 
esen, obwohl eine sehr große Anzahl solcher Fälle, 
aamentlich wenn sie verhälinißmäßig geringfügiger 
Art sind, ihren Weg in die Spalten der Tages— 
zlätter nicht finden. — Der Gedanke, den Staat 
nun, welcher das Schwert der Strafgerechtigkeit 
Jandhabt, zu verpflichten, für die Schädigungen, 
velche er unverdienter Weise verursacht, haftbar zu 
nachen, ist schon ein sehr alter. In allen Kultur— 
taaten wurde er zeitweise auf das lebhafteste dis— 
utirt, und auf dem Wege der Gesetzgebung zum 
Austrage gebracht. Spät jedoch erst tritt Deutsch— 
and in die Reihe der Länder, welche mit der Ent— 
chädigungsfrage sich befaßten. Aber in Deutschland 
jatte man eben ein halbes Jahrhundert lang den 
dampf um Einführung eines öffentlichen und münd— 
ichen Strafverfahrens und des Geschworenengerichtes 
zu kämpfen, und ließ darüber eine Menge anderer 
Reformfragen auf dem Gebiete des Strafprozesses 
unberührt liegen. Mit um so größerem Eifer, und 
nit um so anerkennenswerther Gründlichkeit sucht 
der Reichstag gegenwärtig die noch hervortretenden 
Lücken der Gesetzgebung auszufüllen. Die national⸗ 
liberale Partei wird auch hier Niemanden über ihre 
Absichten in Zweifel lassen, und sich voll und ganz 
zu dem Satze bekennen: Justitia fundamentum 
recgnorum 
Europa hat im Ganzen während der letzten 50 
Jahre mindestens 14 Millionen Meuschen an die 
übrigen Erdtheile abgegeben; es entkommen hiervon 
allein gegen 9 Millionen aus Großbrittanien und 
Irland, ca. 3 Millionen aus Deutschland, den 
Rest aus den übrigen europäischen Staaten. Von 
den verschiedenen Völkerrassen, welche in Europa 
wvohnen, kommen die slavischen Völker für die 
ransatlantischen Wanderungen nur wenig in Be— 
racht; die romanische Rasse ist mehr dabei bethei— 
igt, wenn auch im Einzelnen in sehr verschiedenem 
Hrade; während nämlich die Italiener den wander⸗ 
ustigsten Zweig derselben darstellen, sind die Fran— 
josen der heimathliebenste; dagegen kommen auf 
die kinderreichen und wanderlustigen Völker der 
germanischen Rasse nicht weniger als 4 der Ge— 
ammtzahl aller Auswanderer Europas. 
Deutsches Reich. 
München, 18. Okt. Die Vorsitzenden der 
yereinten Parteien haben gemeinsam einen Akt der 
Pietät geübt, indem sie an Professor Dr. Edel in 
Würzburg, den wackern alten Kämpen für Freiheit 
und Recht, der demnächst seinen 75. Geburistag in 
bosler Geistesfrische und Lehrthätigkeit feiert, ein 
Blückwunschschreiben richteten, um ihn mit dem that— 
jächlichen Beweise zu erfreuen, daß die ernsten Mah⸗ 
nungen zur Einigkeit, die der Führer der Liberalen 
Bayerns in schwerer Zeit, zwischen 1866 und 1870, 
so oft ausgesprochen, noch unvergessen find. — Der 
hiesige Holzgroßhändler Adolph Kröber hat die ihm 
don der Volkspartei angetragene Reichstagswahl⸗ 
Kandidatur für das Algäu als Gegenkandidat des 
herrn v. Schauß angenommen. 
Berlin, 19. Okt. Unter den Aufgaben, 
welche den nächsten Reichstag beschäftigen sollen, 
ist auch eine Vermehrung der Berufskonsulate 
an hervorragenden Handelspunkten genannt worden. 
Die „Köln. Ztg.“ ist in der Lage mitzutheilen, 
daß zunächst die Neuschaffung eines kaiserlich deut— 
schen Generalkonsulats in Capstadt für den Bereich 
der englischen Besitzungen in Südafrika in Aus— 
sicht genommen ist, und daß die Mittel dafür vom 
künftigen Reichstag verlangt werden sollen. 
Berlin, 20. Okt. Der Hof legte heute eine 
dierzehntägige Hoflrauer für den Herzog von Braun⸗ 
schweig an. 
Breslau, 20. Okt. Die „Breslauer Ztg.“ 
meldet: Der Herzog von Braunschweig hat vor 
fünf Jahren vor einer Breslauer Gerichtskommission 
Verfügung über sein Pribvatvermögen getroffen, 
welches bis auf hundert Millionen Thaler geschätzt 
wird. Der größte Theil desselben ist bei der englischen 
und niederländischen Bank deponirt. 
Braunschweig, 19. Okt. Die „Amtlichen 
Anzeigen“ bringen folgende Publikation des Regent⸗ 
chaftsraths für das Herzogthum Braunschweig: 
„Nachdem infolge des Ablebens Sr. Hoheit des 
Hochseligen Herrn Herzogs Wilhelm die provisorische 
Regierung des Landes durch den Regentschafisraih 
auf Grund des Gesetzes vom 16. Februar 1879 
Nr. Z3 eingetreten ist, geht die Staatsverwaltung 
innerhalb der durch die Stellung des Herzogthums 
in und zum Reich und der durch das allegirte Ge— 
setz gezogenen Schranken fortan und bis auf Wei— 
eres nach Maßgabe der Verfassung vom Regent⸗ 
chaftsrathe aus und steht unter dessen Oberaufficht. 
Ebenso steht dem Regentschaftsrathe die Ausübung 
der evangelischen Kirchengewalt und die Handhabung 
der Kirchenhoheit zu. Indem der Regentschaftsrath 
die Bewohner des Landes hierauf nochmals hin— 
Politische Uebersicht. 
In Deutschland nimmt der Wahlkampf täglich 
an Stärke zu, während die Siegesgewißheit der 
extremen Parteien ersichtlich im Sinken begriffen 
ist. An allen Orten und Enden kann man wohr— 
nehmen, daß sich im Volke die Ueberzeugung Bahn 
zebrochen hat, daß man nicht staatshindernden — 
s'ondern staatserhaltenden Parteien seine Stimme 
zuwenden müsse, gleichviel ob die Kandidaten der— 
selben etwas mehr nach links, oder nach rechts 
gravitiren. Die sogen. Stockkonservativen rechnet 
man zu den staatserhaltenden Parteien allerdings 
nicht mehr, da sie den Staat behindern wollen, in 
Bahnen einzulenken, die der Fortschritt der Zeit 
und die zunehmende Mündigkeit der Individuen 
vorschreibt. — Wenn die extremen Parteien nicht 
noch vor Beginn der Reichstagswahlen ganz neue 
derführerische Schlagworte erfinden, um Verwirrung 
in die Massen zu tragen, dürften die Resultate der 
Wahlen wohl weit hinter ihren bisher geheaten 
Zoffnungen zurückbleiben. 
In England beschäftigt man sich vornehm— 
tich mit der wichtigen Frage der Wahlreform 
Bezüglich der Kongo-Konferenz nehmen die meisten 
englischen Blätter ein intriguirendes Verhalten ein. 
Vorläufig wagt man es allerdings noch nicht, der 
Regierung von der Beschickung dieser Konferenz 
ibzurathen, oder ihr zu empfehlen, derselben son— 
tige Schwierigkeiten zu bereiten, da man eine noch 
zrößere Isolirung Englands als seither zu gewär— 
tigen hätte. Aber es kräuselt in ihren Betrach— 
ungen die Unzufriedenheit darüber, daß von Seite 
dieser Konferenz völkerrechtliche Bestimmungen ge— 
troffen werden sollen, welche den altbekannten Prä⸗ 
lensionen Englands mindestens eine Beschränkung 
zuferlegen werden.