Full text: St. Ingberter Anzeiger

Pfalz sind Adressen in diesem Sinne an den 
Reichskanzler abgegangen, so aus Ludwigshafen, 
Edenkoben, Roth.) 
Köln, 20. Dez. Eine gestern Abend von 
dem nationalliberalen Komits anberaumte Ver— 
fammlung von über 1200 Personen beschloß ein⸗ 
ftimmig folgendes Telegramm an den Fürsten 
Vismarck: Ängesichts der unser deutsches Gefühl 
tief beleidigenden Abstimmung vom 15. Dezember 
erneuern wir das Gelöbniß treuen Aushacrens und 
energischer Thätigkeit im Dienste des Reichsge⸗ 
dankens, den wir in Durchlaucht ruhmvoller Per⸗ 
sönlichkeit verkörpert sehen. 
Seipzig, 22. Dez. Urtheil im Hoch—⸗ 
verraths⸗Prozeß gegen Reinsdorf und 
Genossen. Reinsdorf wurde zum Tode und 
zu 15 Jahren Zuchthaus, Bachmann (wegen 
der Elberfelder Dynamit-Explosion) zu 10 Jahren 
Zuchchaus, Rupfch und Küchler (wegen des 
dersuͤchten Niederwald-Attentats und der Dynamit— 
Explofion an der Festhalle zu Rüdesheim) zum 
Tode um zu 12 Jahren Zuchthaus, Holz⸗ 
hauer zu 10 Jahren Zuchthaus verurtheilt. 
Soöhngen, Rheinbach und Töllner 
wurden freigesprocheu. Von der Theilnahme 
der drei letzteren an der Vorbereitung des hochver⸗ 
rätherischen Unternehmens, sowie von der wissent: 
lichen Hilfeleistung derselben hat sich der Gerichtsho 
also nicht zu überzeugen vermocht. 
Metz/ 21. Dez. Das gegen den Reichstags. 
abgeordneten für Metz, Thierarzt Antoine, welcher 
bekanntlich der vorbereitenden Handlungen des Hoch⸗ 
derraths angeschuldigt war, beim Reichsgerichte in 
Leipzig anhängig gemachte Strafverfahren ist durch 
Beschluß des Reichsgerichts eingestellt worden. 
Ausland. 
Paris, 22. Dez. Eine Sensationsnachricht 
des Figaro“, Fürst Bismarck werde anläßlich seiner 
Reise nach Nizza nach Paris kommen, zwischen dem 
12.und 14. Januar hier eintreffen, mehrere Tag⸗ 
in der hiesigen deutschen Botschaft verweiler 
und zwar solle dieser Aufenthalt in der Haupt— 
stadt Frankteichs als Manifestation der freundschaft⸗ 
lichen Beziehungen beider Regierungen aufgefaß 
werden, hat allgemein lebhaftes Aufsehen erregt 
Di: Nachricht wird in politischen Kreisen als wenig 
glaubwürdig erachtet, zumal der deutsche Botschafter 
ihn darum Befragenden erklärt hat, er habe von 
diesem Reiseprojekte des Reichskauzlers durch den 
„Figaro“ die erste Kunde erhalten. 
Frairo, 20. Dez. Ein Telegramm des 
„Reuter'schen Bureaus“ meldet;: Die egyptische 
Regierung hat den diplomatischen Vertretern Deutsch 
lands und Rußlands heute Nachmittag ihre Ant⸗ 
wort auf die Forderung Deutschlands und Ruß— 
lands, ein deutsches und ein russisches Mitglied 
zur egyptischen Schuldenkasse zu ernennen, zugestellt. 
In der Antwort heißt es, die eghptische Regierung 
Ilein könne eine Modifikation des Liquidationsge- 
setzes nicht eintreten lassen; da aber Oesterreich 
und Frankreich das Verlangen Deutschlands und 
Rußlands unterstützt hätten und Italien erkläre, in 
der Bewilligung dieses Verlangens nichts Unzuträg 
liches zu finden, so erübrige nur zu einem Ein⸗ 
verständniß über den Modus und den geeigneten 
Zeitpunkt der Ernennung zu gelangen. Die egyp⸗ 
usche Regierung werde dem Verlangen Deutschlands 
und Rußlands sehr gern entsprechen, sobald alle 
diejenigen Mächte, welche das Liquidationsgesetz 
unierzeichnet hätten, ihre Zustimmung erklärt hätten 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 28. Dez. Der Wohl⸗ 
thätigkeitssinn der Familie Krämer dahier be— 
kuͤndet sich zum diesjährigen Weihnachtsfeste wieder 
dadurch, daß von Frau Heinrich und Frau 
83741 Kramer degen 9 arme Kinder unserer 
Stadt vollständig gekleidet werden. 
St. Jugbert, 23. Dez. Der Bezirks— 
lehrrerverein Blieskastel⸗St. Ingbert hält am 
Montag den 29. d. M., Nachmittags um 222 Ugr, 
dahier im Caffee Oberhauser seine 2. diesjährige 
Generalversammlung. Referent ist Herr Lehrer 
Schröck aus Ballweiler. Das Referat behandelt 
die neue Lehr ordnung. 
* (Gagelversicherung inder Pfalz,)) 
Durch eine so eben erschienene Allerhöchste Verord— 
nung vom 16. d. M. wird bestimmt, daß das 
Gesetz vom 13. Februar 1884, die Hagelversicher⸗ 
ungsanstalt betr., schon mit dem 1. Januar 1885 
für den Regierungsbezirk der Pfalz in Kraft zu 
Aden hat. Gleichzeitia wurde für die Pfalz die 
Finziehung der Beiträge und Kosten in Ueberein— 
stimmung mit den jenseits bestehenden Vorschriften 
geregelt. Die Bayerische Hagelversicherungsanstalt, 
welche in den Landestheilen rechts des Rheines seit 
Februar d. J. besteht, hat sich einer nicht unerheb— 
süchen Betheiligung seitens der Landwirthe zu er— 
freuen, und der vorsichtigen Leitung der Anstalt ist 
es zu danken, daß bereits ein Reservefonds ange— 
ammelt werden konnte. Durch die obenerwähnte 
Allerhöchste Verordnung wird diese Anstalt um ein 
holles Jahr früher, als im Gesetze in Aussicht ge⸗ 
rommen war, auf die Pfalz ausgedehnt, und den 
ofälzischen Landwirthen die Moöglichkeit eröffnet 
noch vor Beginn des nächsten Hagelversicherungs— 
jahtres — EMärz 1885 — ihre Feldfrüchte bei 
der neuen Anstalt versichern zu lassen und an den 
Vortheilen, welche letztere gewährt, zu participiren 
Bezüglich der zum Geschäftsbetrieb in Bahern zu. 
gelassenen Privathagelversicherungsgesellschaften trit! 
auch für die Pfalz keine Aenderung ein. 
Die nahe Weihnachtszeit, die schöne Zeit des 
Bebens, läßt uns auch der Postboten wiederum 
Jedenken. Ein franz. Schriftsteller hat dieselben 
chön und treffend die „Hoffnung in Uniform“ ge— 
rannt. In der That, fuͤr wen wäre der Postbote 
das nicht? Er ist so zu sagen für alle Welt, und 
ven gäbe es, dem im Laufe des sich seinem Ende 
zuneigenden Jahres der flinke Bote unserer exzellent 
—DDD 
die Erfüllung einer Hoffnung in Form von Briefen 
u. s. w. überbracht hätte? Da ist denn Weihnachten 
»der auch Neujahr die rechte Zeit, sich in Erkennt 
lichkeit jener Männer zu erinnern, die wir jederzeir 
gerne kommen sehen, und ihren Eifer für die Aus— 
übung ihrer oft nicht eben süßen Dienstpflichten zu 
helehen. 
— Seit einiger Zeit geht durch die Kreise der 
Buchbinder Bayerns eine Bewegung, welche auf die 
Beseitigung gewisser dieses Gewerbe schädigender 
Privilegien des Münchener Centralschulbücherver⸗ 
lages ꝛc. hinzielt. Für die Betheiligten wird daher 
die Mittheilung von Interesse sein, daß kürzlich eine 
Deputation der Münchener Buchbinder-Innung eine 
Audienz beim Kultusminister Freiherr v. Lutz hatte, 
welcher in bereitwilligster Weise die eingeschickten 
Petitionen zu prüfen versprochen hat. 
— Der Leiter Struve der Waldfischbacher Filiale 
des Geschäftsagenten Schmit in Pirmasens 
ist nach der „Pf. Pr.“ flüchtig, nachdem er eine 
ziemliche Summe einkassirten Geldes unterschlagen. 
— Der „Pfälzische Fecht- Verband Kaisers— 
lautern“ versendet ein Rundschreiben, das sich 
im Wesentlichen gegen die von Neustadt aus ange— 
regte Gründung einer „Pfälzischen Kreisfechtschule“ 
behufs Errichtung eines „Pfälzer Waisenhauses“ 
richtet. Der „Pfälzische Fechtverband Kaiserslau 
tern“ heißt es darin, steht dieser Besprechung ferne 
und nach wie vor treu zu Lahr. Es wird darin 
noch folgendes ausgeführt: „Die partikularistisch 
Absonderung der Pfalz sei zu verwerfen, da die 
oon dem Lahrer Hinkenden Boten angeregte Grün— 
dung deutscher Reichswaisenhäuser vor Allem der 
Freüde über die Wiederherstellung des deutschen 
Reiches entsprang. Die deutschen Reichs-Waisen- 
Jäuser sollen sein ein Sinnbild deutscher Einheit. 
Sie sollen gebaut werden aus dem Scherflein eines 
jeden Deutschen, des Landes oder welcher Confession 
derselbe sei, und ebenso sollen in ihnen Waisen⸗ 
kinder aus allen Kreisen und ohne Rücklicht auf 
Confession u. s. w. Aufnahme und liebevolle Pflege 
finden. Dieser nationale Charakter der zu errich— 
tenden Reichs-Waisenhäuser sollte vor Allem ge 
wahrt werden. Daß sich die Reichs-Oberfechtschule 
in Magdeburg von Lahr losgesagt und das in Lahr 
bereits angekaufte und ausgebaute erste deutsche 
Reichs-Waisenhaus ungerechtfertigter Weise im Stiche 
ließ, kann keinen Grund abgeben, mit partikula— 
ristischen Sonderinteressen vorzugehen, wie es in 
Neustadt beabsichtigt scheint. Der „Pfälzische Fecht- 
Verband Kaiserslautern“ hat in den 8 Monaten 
seines Bestehens bereits 175 Fechtschulen, welch— 
in der ganzen Pfalz verbreitet sind; diese Fecht 
schulen haben bereits ein solches Erträgniß geliefert, 
daß der Verband die Berechtigung hat, schon in 
dem an Pfingsten nächsthin in Lahr eröffnet werden⸗ 
den ersten deutschen Reichs-Waisenhause Waisenkinder 
unterzubringen. Es wird uns dann jedenfalls die 
Freude zu Theil, in nicht zu langer Zeit auch ein 
deutsches Reichs-Waisenhaus in der Pfalz zu besitzen.“ 
— Edenkoben, 21. Dez. August Kuby 
hier hat die namhafte Summe von 1000 Mark als 
Weihnachtsgabe zur Förderung bürgerlicher Tugen 
den in den arbeitenden Klassen bestimmt, welche 
Gabe er auch künftig zu demselben Zwecke zur Dis⸗ 
position zu stellen gedenkt. Davon soll nun zunächst 
ein Betrag von 320 Mk. in 16 Prämien a 20 M. 
zur Vertheilung an die tüchtigsten Dienstmägde, 
Dienstknechte, Lehrlinge, Gesellen, Fabrikarbeiter, 
Sonntagsschüler und Angehörigen ähnlicher Kate— 
gorien ohne Unterschied der Konfession kommen. 
Diese Prämien sollen einerseits eine Belohnung für 
treue Pflichterfüllung sein, anderntheils sollen üie 
zum Fleiße und zu einem löblichen Verhalten auf— 
muntern. (Ggt.) 
— Die seit einigen Tagen vermißte Tochter des 
Agenten Grünewald von Edesheim ist der 
„Ggt.“ zufolge wieder in das elterliche Haus zurück— 
gekehrt. 
— In Hatzenbühl wurde am 19. d. M. 
Ludwig Werling verhaftet; derselbe steht im Ver⸗ 
dacht, seine Frau erdrosselt zu haben. 
— Speier, 22. Dez. Die am Samstag 
stattgehabte Generaldersammlung des Retscher— 
vereins hat die Auswahl eines Planes bis zur 
Hierherkunft des Herrn Hilgard Villard, welcher 
Ehrenmitglied des engeren Ausschusses ist, verschoben 
und den um die Retschersache hochverdienten Herrn 
Konsistorialrath König einstimmig zum Ehrenpräsi— 
denten ernannt. 
Ver mischtes. 
F Saarlouis, 20. Dez. Diebstahl en gros. 
In einer der letzten Nächte wurden im Glacis vor 
dem französischen Thor sechs der schönsten Akazien 
abgehauen und fortgeschafft. Da es Bäume von 
bedeutendem Umfange waren, so haben die Spiß— 
buben zweifellos gleich einen Wagen mit zur Stelle 
gebracht. 
4 An der Universität München sind für 
das Wintersemester 2685 Studirende, 1679 Vayern 
und 1006 Nichtbayern, eingeschrieben. Die Zahl 
der Studirenden an der Universität Würzburg be— 
trägt 1280, an der Universität Eclangen 756. 
FRegensburg, 17. Dez. JIn dem Bier⸗ 
brauerprozeß gegen Gerzer und Genossen hat das 
k. Landgericht dahier heute Vormittag 9 Uhr das 
Urtheil verkündigt. Nach demselben wurden über 
die angeklagten Bierbrauer Strafen von 2 Monaten 
Gefängniß und 1000 Mark Geldbuße bis zu 14 
Tagen Gefängniß und 300 Mk Geldbuße verhängt. 
Wich Franz, Kaufmann in München, erhielt 11 
Monate Gefängniß und 80 Mark Geldstrafe. Fricke 
Karl daselbst, 8 Monate 15 Tage Gefängniß und 
80 Mark Geldstrafe. Bei beiden werden 4 Monate 
Untersuchungshaft abgerechnet. Rosemann Oswald, 
Geschäftsreisender von da, erhielt 14 Tage Ge— 
fängniß, jeder die ihn betreffenden Kosten. Das 
Urtheil tritt in 4 Wochen in Rechtskraft. 
Hof, 19. Dez. (Erfroren.) Der Weber 
A. Baderschneider von Schwarzenburg a / W. wurde 
bei Lichtenberg erfroren aufgefunden. Er hinter⸗ 
läßt eine Wittwe und 6 Waisen. 
Köln, 20. Dez. Die Stadt hat bekannt⸗ 
lich an den Staat für das alte F stungsterrain 
fast 12 Mill. Mark zu zahlen. Die Termine 
haben mit Ende ds. Is. ihren Anfang genommen. 
In dem laufenden Monat ist die erste Million von 
der Stadt entrichtet worden. Am nächsten 5. Juni 
übergibt das Kriegsministerium der Stadt das letzte 
Drittel, das nördliche, zwischen Gereon und dem 
Thürmchen gelegene Festungsterrain. Also im 
nächsten Frühjahr beginnt man mit dem Abbruch 
des Restes der alten Stadtmauer, mit dem Abtragen 
der Wälle und dem Einebenen der Gräben. 
London, 22. Dez. Im Gepäckraum des 
Bahuhofes zu Windsor verbrannte ein gestern früh 
ausgebrochenes Feuer Gepäckstücke. Die Untersuchung 
ergab, daß das Feuer durch eine sorgfältig in einen 
Kasten eingepackte Höllenmaschine herbeigeführt wurde; 
im Brandschutt wurden noch einige eiserne Zahn⸗ 
räder, sowie eine Flasche Sprengstoff gefunden. 
4 Eine schreckliche Szene spielte sich bei einer 
Feuersbrunst im Osiende von London ab, wobei 
ein Kind in den Flammen umkam. Der Eigen— 
thümer des Hauses, ein Tabakshändler, Namens 
Turner, erwachte um 5 Uhr Morgens und fand 
das im zweiten Stockwerk belegene Schlafzimmer 
voller Rauch. Er rannte, nothdürftig angekleidet, 
die Treppe hinab und sah den ganzen Laden in 
hellen Flammen, so daß jeder Ausgang durch di— 
untere Etage unmöglich war. Turner eilte zurüc 
nach oben und weckte seine aus der Frau und fün! 
Kindern bestehende Familie, geleitete seine Frau. 
das älteste Kind und den Sänaling nach dem