Full text: St. Ingberter Anzeiger

brachten, von einem unliebsamen Morgengruß 
uͤberrascht. Der Vorstand der Kreisversuchsstation 
ntnahm jedem ein Quantum Milch. um sie einer 
chemischen Untersuchung zu unterziehen. Ein so 
überraschender Besuch dürfte aber Denjenigen den 
Spuß gründlich verderben, welche es nicht über sich 
ergehen lassen können, der Milchwässerei-Sekte sich 
zuzuneigen. Im eigenen Interesse der Milchhäud⸗ 
jer und zur Verhütung vor empfindlichen Unan⸗ 
nehmlichkeiten, dürfte es sich empfehlen, auch da⸗ 
rauf zu achten, daß beim Melken der Mellkkübel 
nicht so stark ausgeschwenkt werde. Auf Lebens. 
miitel wird man ein scharfes Auge haben, und 
wird die Stadt zu den chemischen Untersuchungs 
zosten einen Beitrag leisten. Das erste Lebens- 
mittel aber, die Milch, wird sich eines öftern 
Besuches“ zu gewärtigen haben. Die scharfe 
Ahndung, welche das Gesetz bei Verfälschung von 
Lebensmitteln vorschreibt, dürfte, meint die „Sp. 
Zig.“, doch zu einigem Bedenken Veranlassung 
geben. 
Vermischtes. 
p Aus Mannheim wird dem „B. T.“ 
berichtet, daß die Gräfin Hutten⸗Czapska (Frau v. 
Kolemine), welche bekanntlich mit dem Großherzog 
von Hessen eine morganatische Ehe eingegangen war, 
die zum Reichsgericht erhobene Nichtigkeitsklagt 
zurückgezogen habe. Auf die ihr vom Großherzog 
zusgesehte Summe von jährlich 20,000 M. soll 
die Graͤfin gleichfalls verzichtet haben. 
f Gismarck- Denkmal.) Die schwäbische 
Haupistadt Stuttgart wird in Bälde ein Denkmal 
des Fürsten Bismarck erhalten, und zwar soll dieses 
auf demselben Platze seine Aufstellung finden, 
welchen die Moltke-Büste zieren wird. Für die 
Herstellung der letztern hat ein unbekannt gebliebe 
ner Patriot die Mittel gestiftet, der Professor A. 
Donndorf hat dieselbe unmittelbar vor der italie⸗ 
nischen Reise des greisen Strategen nach dem Leben 
vollendet und das Modell während der Osterfeier⸗ 
tage in seinem Atelier ausgestellt. Dasselbe fand 
mi vollem Recht den ungetheilten Beifall aller 
Kunstfreunde. Dadurch nun entstand der Wunsch 
durch denselben Kunsiler eine Büste des Reichs— 
kanziers zu erhalten, und die zur Verwirklichung 
desselben erforderliche Summe wurde in kurzer 
Frist auf dem Wege privater Beiträge aufgebracht. 
7 Eine theure Ohrfeige) Man schreibt 
aus Stuttgart: „In dem bekannten Ohr—⸗ 
feigenprozeß, in welchem Kaufmann Epple gegen 
Kaufmann Heymann, beide hier, wegen Beleidigung 
und Körperderletzung klagbar war, ist das Urtheil 
des Schöffengerichts gesprochen worden. Heymann 
zahlt außer einer Strafe von 300 Mk. noch eine 
persönliche Geldbuße an den im Gehör durch die 
Ohrfeige beeinträchtigten Epple im Betrag von 
1ooo Mk. Der Vertheidiger des letzteren hatte 
5000 Mk. verlangt und die Kosten des Verfahrens 
zu tragen. Der wiederverklagte Epple hat wegen 
Zeleidigung eine Strafe von 20 Mk. erhalten. 
7(GGilitärbezirksgericht München. 
Der Sergeant Friedrich Falkenstein des 1. Jäger⸗ 
bataillons mißhandelte den Jäger Joseph Hartmann 
durch Ohrfeigen, den Jäger Xaver Meißler durch 
Schläge ins Genick und versetzte überhaupt in den 
Moͤnaien Februar und März verschiedenen Soldaten 
seines Zuges Faustschläge, daß ihnen das Blut aus 
Nase und Mund floß. Urtheil: 14 Tage Mittel⸗ 
arrest (). 
Mäunchen, 29. April. In der Zwei⸗ 
brückenstraße dersuchte am vergangenen Sonntag 
Abend nach 9 Uhr ein augenscheinlich den bessern 
Sländen angehöriger Hert im Alter von circa 50 
Jahren, der sich in Begleitung einer Dame und 
einez andern Herrn befand, sich unter einem Thor⸗ 
bogen mit einem Taschenmesset die Hals- und 
Puͤlsader zu öffnen. Derselbe blutete bereits ziem⸗ 
uͤch stark aus den beiden Wunden, als es seinem 
Begleiter und einem hinzukommenden Gensdarmen 
gelang, ihm das Messer zu entwinden. Der Be—⸗ 
ireffende, der sich anfangs weigerte, endlich aber 
dem Zureden nachgab, wurde mittelst Droschke nach 
der kgl. Polizeidirektion gebracht. 
Romanaus dem Leben. Im Jahre 
1859 wanderte August Brandt aus München in 
die Vereinigten Staaten ein und ließ sich in dem 
Städtchen Shushan im Staate New-Hork nieder. 
Zwei Jahre später trat Brandt als Substitut für 
rinen Farmer, Namens Johnson, in die Union⸗ 
Armee ein, um den Krieg gegen die Rebellen mit⸗ 
zumachen. Brandt's Frau blieb in der Famili— 
Johnson's und bekam infolge eines Verhältnisses 
mit Johnson eine Tochter. Bald nach der Geburt 
des Kindes begab sich die Frau nach Rutland 
Vermont), woselbst sie starb, als ihr Kind vier 
Monate alt war. Als Brandt nach beendetem 
Zriege nach Shushan zurückkehrte, war Johnson 
Jestorben und von dem Kinde seiner (Brandt's) 
Frau keine Spur mehr zu finden. Brandt begab 
ich nach dem Westen und wurde im Laufe der 
Zeit ein reicher Kaufmann in Kansas-City. Wäh/ 
rend er sich vor zwei Jahren Geschäfte halber in 
Mexiks aufhielt, verliebte er sich in eine wunder ˖ 
hübsche junge amerikanische Dame und heirathete 
dieselbe. Im Januar d. J. starb Brandt—und 
hintersieß seiner Wittwe ein beträchtliches Vermögen. 
Nach dem Tode ihres Mannes entdecte die junge 
Frau, daß sie die Tochter der ersten Gattin Brandt's 
und des Farmers Johnson gewesen. 
Frankfurt, 28. April. Auf dem gestrigen 
Pferdemarkt stellte sich der Durchschnittspreis für 
zin Pferd leichteren Schlages auf ca. 600 M., 
schwere Arbeitspferde waren unter 1200 M. nicht 
erhältlich. Das billigste Pferd, das für einen 
Milchkarren erstanden wurde, kostet .0 M. Das 
Beschäft in Wagenpferden ging sehr lebhaft und 
varen trotz der ausgezeichneten Waare die Preise 
m ganzen mäßig. Das teuerste Paar Wagenpferde 
tostele inkl. des Tauschobjekts nicht ganz 53000 M. 
har heraus wurden 3800 M. bezahlt. In Reit— 
oferden wurde viel gemustert und namentlich von 
Mtilixärs gekauft. Der höchste Preis wurde für 
inen Fuchswallach mit 2500 M. angelegt. 
Strafe.) Auf dem vorjährigen großen 
Pferdemarkte zu Wehlau verkaufte der Viehhändler 
Fomplair aus Gr. Mioeln an den Mühlenbesitzer 
Zand eine schwarzbraune Zjährige Stute für den 
Breis von 300 Mt. unter der Versicherung, daß 
zas Pferd gut ziehe und auch zweispännig gefahren 
verden könne. Als der neue Besitzer das Pferd 
im nächsten Tage einspannen wollte, ging dasselbe 
nicht von der Stelle, und als es angetrieben 
vurde, zerriß es die Leine, an der es geführt 
werden sollte. Nach sachverständigem Gutachten 
des Thierarztes Herrn Westphal war das Pferd 
stetig. Der Verkäufer wurde gefaßt und trotzdem 
dieser den Kaufpreis zurüderstattete und noch 15 
Mk. Futtergeld bezahlte, ward derselbe doch vom 
igl. Landgerichte Königsberg in Untersuchung ge⸗ 
nommen. Complair, welcher bereits zweimal wegen 
Betruges bestraft worden war, wurde durch die 
ztrafkammer genannten Gerichts wegen dieses dritten 
Betrugs, unter Annahme mildernder Umstände, zu 
bMonaten Gefängniß, ferner zu 100 Mt. Geld⸗ 
trafe event. 20 Tagen Gefängniß und zu ljähriger 
Interdiktion verurtheilt. 
Stadthagen (Gippe-Schaumburg) 29 
April. Zwei Bergleute, welche Dynamit entwendet 
und dasselbe für große Beträge verkauft hatten, 
wurden verhaftet. 14 Pfund Dynamit wurden 
hei ihnen vorgefunden. 
Vallendar, 26. April. Seit einiger 
Zeit hielt sich hier bei seinen Schwiegereltern der 
Tigarrenmacher H. aus Bendorf, welcher vor circa 
einem Jahre nach Amerika ausgewandert und vor 
durzem von dort zurückgekehrt war, anscheinend be— 
chaftigungslos auf. Gestern Nachmittag erschien 
nach der „C. Z.“ nun plötzlich der Erste Staats— 
anwalt vom kgl. Landgericht zu Neuwied und be— 
zab sich unter Assistenz des Bürgermeisters und der 
hiesigen Polizeioffizianten in die Wohnung des H. 
um dortselbst eine Haussuchung vorzunehmen. Das 
Refultat derselben war für die hiesigen Einwohner 
wahrhaft überraschend. H. war doch nicht so ganz 
ohne Beschäftigung gewesen, sondern betrieb das 
harmlose Geschäft der — Falschmünzerei. Ein 
vollstandiger Münzstock mit eingelegten Stempeln, 
mehrere bereits fertig geprägte, jedoch ziemlich 
mangelhaft ausgefallene amerikanische Münzen 
u. s. w. wurden zu Tage gefoördert und natürlich in 
Beschlag genommen, nur der Vogel selbst war aus⸗ 
zeflogen. Kurze Zeit vor Eintreffen der Staais⸗ 
anwaltschaft hatte er sich entfernt und es ist bis 
jetzt noch nicht gelungen, seiner habhaft zu werden. 
(Prof. Gustav Jager) hat in Berlin im 
Zaale des Norddeutschen Hofes vor geladenen Gästen 
jeinen ersten Vortrag gehalten. Erschienen waren 
8 Damen und etwa 40 Herren. Die Mehrzahl 
der Erschienenen waren die Anhänger des Woll⸗ 
Apostels, die zum Theil in recht absonderlicher 
Tracht paradirten. Prof Jäger selbst trug blaue 
Ritterhose, gleichfarbigen Normalrock mit „general⸗ 
tabsrothem“ Kragen und rothe Schärpe mit gol⸗ 
denen Franzen. Als Thema hatte sich Prof 
Jäger das Anthrapin gewählt, dessen Heilwirkung 
und Benutzung zur Nahrungsmittelverbesserung 
darzulegen suchte. Das Objekt, um das es sich 
hierbei handelt, ist bekauntlich das Hautfett, welche 
aus den Haaren gewonnen wird. Durch dasselbe 
hekommt der miserabelste Grüneberger das schönsie 
Bouquett und wird uns ein sympathisches Getrank 
Die Sache ist eigentlich, wie Prof. Jäger meint 
zar nicht neu, dasse man sich doch mit Vorliebt 
‚on jungen Damen zutrinken, weil der Durst der 
nenschlichen Lippen dem Weine einen adäquaten 
Beschmack gebe. 
7 Berlin, 28. April. Die „Nordd. Allg 
Zig.“ schreibt: Auf die Zusendungen, welche Fürf 
hismarck zu seinem Geburtstage erhalten, sind 
ieser Tage die letzten Antworten erfolgt. Außer 
560 Geschenken, abgesehen von 3 Chrendoktor⸗ 
Diplomen, 5 Ehrenbürgerbriefen, 23 Begrüuͤßungen 
»on Städten, deren Ehrenbürger Fürst Bismard 
zereits gewesen, gingen ihm 175 Adressen von 
Torporafionen und Vereinen, 2644 telegraphisch⸗ 
und 2238 schriftliche Begrüßungen zu. Die Be— 
intwortung einer so großen Zahl von Kundgebungen 
5648) läßt die Erwartung berechtigt erscheinen 
daß die Verzögerung einzelner Antworten von den 
Empfängern nicht übel vermerkt werden wird 
Nach Maßgabe der überhaupt vorhandenen Arbeits- 
fräfite konnte die Erledigung nicht wohl frühher 
bewirkt werden. 
Antwerpen. Die Hof-Fahnenfabrik in 
Bonn hat die Dekorationen für die WeltAus— 
stellung übernommen. Es befindet sich dar— 
unter als Hauptzierde der deutschen Ausstellungs— 
Sektion ein goldfarbiges Banner von 8000 Qua⸗ 
draifuß Fläche, das ganz mit goldenen Dessins 
hedeckt ist, und dessen Hauptfigur ein 10 Meter 
hoher Reichsadler bildet. — Beiläufig bemerken 
wir bei dieser Gelegenheit, daß die genaunte be— 
rühmte Firma auch die erste bedeutende Lieferung 
bon Flaggen für den Congo-Staat in Kommission 
bekam. 
Eine Rabenmutter stand neulich in 
der Person der Tagelöhnerin Barbara Schaffböd 
vor dem Strafgericht zu Korneuburg (Niederöster⸗ 
reich). Sie war beschuldigt, durch fortgesetzte Miß 
handlungen ihres dreijährigen Kindes, insbesondert 
zadurch, daß sie dasselbe auf einen mit glühenden 
dohlen gefüllten Topf setzte, den Tod des Kindes 
derursacht zu haben. Die Angeklagte wurde zu 
2 Jahren schweren Kerkers verurtheilt. 
Das Brigantenthum in Spanier 
cheint zu einer neuen Blüihe gekommen zu sein. 
In Jabencos (Andalusien) sprengten in doriget 
Woche sieben Ränber die Thüren zu der Wohnung 
des Predigers mittelst einer Dynamitpatrone, 
drangen ein, knebelten den Priester und bemöch⸗ 
ligten sich seines Geldes, soweit sie dasselbe fanden. 
Da ihnen aber ihr Raub zu gering erschien, und 
der Priester auf alle Fragen nach mehr Geld er⸗ 
widerte, er verfüge üder nichts weiter, steckte ihm 
einer dieser Unmenschen ein glühendes Stück Eisen 
in den Mund und 'in anderer füllte seine Taschen 
mit Stroh und setzte dieses in Brand. Erst am 
Morgen fand man den Unglücklichen mit den 
rürchterlisten Brandwunden bedeckt; sein Zustand 
st in hoffnungsloser. Funf der Banditen sind 
zereitz in den Händen der Gerechtigkeit; man 
tonnte sie nur mit Mühe vor der Wuth des Volkeh 
schützen das eine furchibare Lynchjustiz an ihnen 
iden wollte. — In Hermillo überfielen drei Ban— 
diten einen Bauer in seinem Gehöft, beraubten ihn 
aller seiner beweglichen Habe, soweit es ihnen 
möglich war, diese zu transportiren, und hinger 
hann den Armen, in einem Klumpen geballt, die 
Füße gegen die Brust und die Hände hintet den 
Rtücken gefesselt, in den Rauchfang des Hauses 
wo sie ein tuͤchtiges Feuer anzündeten. Der arm 
hauer wurde am nachsten Tage erstickt und bon 
Rauche völlig geschwärzt aufgefunden. — Be 
cinem dristen Foͤl in der Nahe von Los Corrte⸗ 
uüͤberfielen einige Räuber mitten im Walde einen 
Hürger, raubten ihn aus und hingen ihn mit den 
Füßen an einen Baum, so daß der Kopf herunler 
hing. Die Hände waren ihm gefesselt und — 
seinem Munde steckte ein Knebel. Diesmal 
die Affaire aber einen Abschluß, der für die 
recht unangenehm war. Wahrend sie sich naml 
an dem Aublicke der Qualen ihres Opfers wenenn 
bemerkten sie nicht das Herannahen dreier Leu 
en deuen einer —ein“ Deuischer — als „He 
es auf den Märkten sich zu produziren pflech