St. Jugherter Amzeiger
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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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M 1I04.
——
* Deutschlands Konflikt mit
Zanzibar.
Es konnte nicht ausbleiben, daß Deutschland
n seiner Kolonialpolitik manche Hindernisse auch
criegerischer Natur zu überwinden hat. da sich neben
den Kolonien oft unerwartet ganz feindselige Nach⸗
datn bilden, denen die Macht Deutschlands erst
zezeigt werden muß. So ist auch in den letzten
Dochen ein Konflikt zwischen dem deutschen Reiche
und dem kleinen an der Südostküste Afrikas ge⸗
jegenen Sultanate Zanzibar eutwickelt, was um so
merkwürdiger ist, weil der Sultan lange Jahre ein
Freund und Verehrer Deutschlands war und ror
denigen Monaten noch den deutschen Generalkonsul
dr. Kohlfs mit Auszeichnung empfangen hat. Man
st deßhalb wohl nicht auf falscher Fährle, wenn
nan annimmt, daß der Sultan von Zanzibar in
Folge von Hetzereien der Englander den Schwaben⸗
ͤreich gegen die Kolonie der deutsch-ostafrikanischen
Gesellschaft unternommen hat. Die deutsche Re—
gierung wird indessen sich davon nicht einschüchtern
uͤfsen und der Suitan wird dafür büßen müssen.
der Thatbestand ist folgender: Der Sultan von
Zanzibar hat gegen die Erwerbungen der deutsch⸗
tafrikanischen Gesellschaft protestiert, noch mehr,
ei hat in völliger Hinwegsetzung über die rechts-
zültig abgeschlossenen Verträge der Gesellschaft etwa
300 Soldaten unter dem Befehle seines Generals
Mathews in die deutsche Kolonie einrücken und den
dazu gehörigen Ort Mtondgwa besetzen lassen.
Was der Suiltan gethan hat, ist ein gewaltsamer
Tingriff in fremde Rechte. Denn die Rechte der
Deusch ostaftikanischen Gesellschaft sind in jeder
Beziehung unbestreitbhar. Sie sind erlangt durch
rechtsgülige Verträge mit Hauptlingen deren
Souveränũuat von dem Sultan bisher nicht unge⸗
jochten war. Im Gegentheil hat der Sultan da⸗
durch, daß er von den aus dem Inneren kommen⸗
den Waaren an der Küste Zolle erhob, volkerrecht⸗
ich anerkannt, daß jenes Gebdiet dem seinigen
Jegenüber Ausland sei. Ueberdies hat ein im
Innern lebender Agent des Sultans dem Herrn
De. Karl Peters gegenüber schriftlich bestätigt, daß
sein Herr, der Sultan, auf jene Landestheile keinen
Anspruch irgend welcher Art erhebe, wie denn auch
hatfächlich den Häuptlingen des Binnenlandes der
Sultan von Zanzibar meist nicht einmal mit dem
Ramen nach bekannt war. Auf Grund dieser
Thatsachen hat der Kaiser seiner Zeit für die Er⸗
verbungen der Deutsch⸗ostafrikanischen Gesellschaft
den Schutzbrief ausgestellt, und hieraus ergeben sich
Jegenüber der Rechtsbverletzung des Sultans nun⸗
mehr von selbst Abwehrmaßregeln, über welche
nähere Mittheilungen zu machen einstweilen nicht
wecmaßig erscheint. Die Situation des Sultans
ann bei einem Konflikte mit dem deuischen Reiche
uuf seiner ringsum von der Sre her leicht zu⸗
Jänglichen Insel keine besonders günstige sein. Für
das Direktorium der Deutsch⸗ostafrikanischen Gesell⸗
—X ergeben sich aus den gegenwärtigen Verhält⸗
ussen in Zanzibar weiter keine Hemmnisse, als
aß sie bis zur Beilegung des Konfliktes weitere
Auswanderer nicht zur Üebersiedelung ermutkiat.
Politische Uebersicht.
Von der Regierung zu München ist das Prä—
idium des Bayerischen Handwerkerbun—
des benachtichtigt worden, daß das Kriegsministerium
Re Kommando- und Verwaltungsbehörden ange—
Samstag, 30. Mai 1885. J 20. Jahrg.
wiesen habe, bei Vergebung von staatlichen Sub⸗
nisfionen und Lieferungen in Zukunft die Inn⸗
ungen bei gleichem Angebote vorzugsweise zu be⸗
rücksichtigen.
die Ausführung seines Planes verzichtete. Wenn
diese Angaben richtig sind, so ist anzunehmen, daß
Herr Cecchi noch etwas mehr als die Erforschung
der betreffenden Gebiete beabsichtigt hat. Gerade
in den letzten Tagen ist die Nachricht eingelaufen,
daß italienische Agenten sich viel beim Sultan von
Zanzibar zu schaffen machen, während dieser sich
sehr feindselig gegen Deutsche zeigt.
Der Herzog v. Cumberland soll an
die europäischen Höfe ein Rundschreiben erlassen
haben., in welchem er gegen das Vorgehen Preußens
m Bundesrath protestirt und es als eine Verletzung
des Völkerrechis bezeichnet. Des Völkerrechts?
Welches Volk ist denn verletzt? Die Braunschweiger
vollen ja den Herzog nicht.
Wir haben gestern erwähnt, daß aus den deutschen
zriegsschiffen, Prinz Adalbert“, „Stosch“ und
Elisabeth“ eine Eskadre gebildet wird, die bei
Zan zibar Stellung nehmen soll. um dem Sultan
Kaison beizubringen. Der ‚Borsen⸗Ztg.“ zufolge
würde das Geschwader nicht allein im Namen
Deutschlands, sondern auch in dem, der Congo—
Aijociation operiren.
Der Kalkutiaer Korrespondent der Times“
weiß viel von den Vorbereitungen zu erzählen,
velche in Afghanistan getroffen werden, um
der von Norden her drohenden Gefahr zu begegnen.
In Candahar herrsche große Thätigkeit; es werden
Truppen nach Herat vorgeschoben und Eskorten
oxganifirt, und eine Abtheilung Artilleristen stehe
in Bereitschaft. um mit den aus Indien erwarteten
chweren Geschützen vorzurücken. Der Emir zeige
jroße Enerrgie, und sobald die Pässe üder den Hin⸗
zuh Kush schneefrei sind, beabsichtige er, die Gar⸗
aisonen im afghanischen Turkestan zu verstärken und
verde sich wahrscheinlich selbst dorthin begeben. In
tabul werden mehrere neue Regimenter gebildet,
die mit den von England gelieferten Gewehren be⸗
vaffnet werden sollen. In Nepaul hat eine große
Revue der stehenden Armee jenes Landes stattge⸗
unden, die sich schon seit mehreren Monaten für
»en aktiven Dienst in Afghanistan vorbereitet hat.
Die Revue wurde am 14. ds. in Katmandu abge⸗
zalten. Der britische Resident erhielt von dem
Premierminister eine formelle Einladung zu der
stebue, bei welcher sich 14,000 Mann Infanierie,
nußer der Artillerie betheiligten. Die Infanterie
var in 26 Regimenter eingetheilt. Die Sietigkeit
der Truppen war merkwürdig; und da der Muth
und die Ausdauer der Nepaulesen nach der Mein⸗
ing des Korrespondenten irgend welchen Truppen
n der Welt ebenbürtig sind, so wird dieses kleine
Armeekorps einen werthvollen Juwachs zur eng⸗
ischen Kampfkraft bilden. Die Kommandoworie
vurdenn alle in englischer Sprache gegeben. Beim
Schlusse der Revue drückte der britische Resident
das große Vergnügen aus, welches er beim Anblick
eines so großen Truppenkörpers empfunden habe,
,der in jeder Beziehung — sowohl im Drill wie
in der Disziplin — wirkungsvoll und bereit ist,
im Falle der Noth als unser Bundesgenosse ins
Feld zu rücken.“ — Admiral Sir Geoffrey
hornb y, der Marine⸗Oberbefehlshaber in Ports⸗
mouih hat den Oberbefehl über die Flotte von 15
Panzerschiffen, die in Kurzem nebst den dazu ge⸗
hörigen Torpedobooten und anderen kleinen Fahr⸗
jeugen zusammengezogen werden soll, erhalten. Die
„Pall Mall Gazette“ beglückwünscht das Land und
die Amiralität zu dieser Ernennung, und fügt hin⸗
zu, England möge jetzt versichert bleiben, daß. wenn
es mit einem Angriff bedroht würde, der allerbeste
Mann seine Haupiflotte befehligt. Das Geschwader
vird in Kurzem eine Kreuzungstour an der irischen
üste behufs Ausführung einiger wichtiger Evolu⸗
tionen unternehmen.
Gegen die AUsweisungen an unserer
Russischen Grenze werden in Polen Repressalien
geübt. Das „Liegn. Siadibl.“ schreibt:
„In Liegnitz iraf dieser Tage ein Zimmerpolier
aus Ricolstadt mit seiner Familie ein. welche 22
Jahre in Warschau gewohnt hatte, als er und mit
hm viele Andere den ruffischen Boden verlassen
mußßten. Den Leuten wurde zur Noth Zeit ge⸗
lassen, ihre Habfseligkeiten für Schleuderpreise zu
dersilbern, dann wurden fie zusammengehholt und
—X
Die Behandluͤng und Verpflegung unterwegs spottete
eder Beschteibung. In Stallen und Schuppen
wurde genächtigt, ohne Rücksicht auf Stellung und
Namen des Einzelnen; an den Halteorten wurde
einer bestimmten Zahl der Transportirten ein Eimer
mit einem Gemisch von Erbsen, Reis, Hirse, Kraut
u. s. w. vorgesetzt und sie mußten ohne jedes Ge⸗
schirr mit den Händen oder mit Brodkrusten essen.
An der Grenze nahm man ihnen die Baarschaft
ab und ließ sie gehen, dem oben erwähnten
Zimmerwann nahm man 55 Rubel ab
Bezuͤglich der in der Presse zirlulirenden Ge—
rüchte von einer nahe bevorstehenden Entrevuc
der drei Kaiser meldet die „Pol. Korr.“ aus
Petersburg. daß solche Gerüchte, jedenfalls verfrüht
eien, fügt aber hinzu: Es ist eine Thatsache, daß
Zaiser Rlexander III. den Besuch des Kaisers
Franz Joseph im Laufe des Sommers oder
des Herbstes erwidern wird; es ist jedoch weder in
Betreff des Ortes, noch in Betreff des Zeitpunltes
der Zusammenkunft bisher irgend etwas Definitives
vereinbart. Die eventuelle Begegnung der drei
Monarchen scheint in erster Linie von den Um⸗
ständen abzuhängen.
Der Afrikareisende Cecchi hat darauf verzichlet,
den Lauf des Ju ba in Ostafrika, zwischen Zanzi⸗
bar und dem Gebiet der Somali's zu untersuchen
Die „Indép Belge“ dehauptet, hieran sei Deutsch⸗
land schuld. Fürst Bismarck habe Herrn Mancini
wissen iassen, daß die Länder, die Herr Cecchi
erforschen wolle, in die Machtspäre des deutschen
Schutzgebietes fallen, und daß Deutschland die
dander⸗ Jagd auf seinem Gebiete nicht dulden werde
herr Mancini habe dementjprechend dem Comman ˖
danten des Expeditionsdampfers „Barbarizo“ die
udthigen Weisungen gegeben, worauf Cecchi aul
Deutsches Reich.
Berlin, 26. Mai. Die nächste Sitzung des
Bundesrathes wird am 4. Juni stattfinden.
Die Meinung der „Kreuzzeitung“, daß in dieser
Sitzung die braunschweigische Angelegenheit noch
nicht zur Verhandlung kommen werde, weil dieselbe
eine eingehende Berathung erfordere, halten wir
nicht für zutreffend. Fürst Bismarck wird gewiß
die Beschleunigung der Angelegenheit wünschen.