Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Jugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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M 21. 
Politische Ueberficht. 
*Der deutsche Handelstag erklärte in 
einer Resolution seine Zustimmung zu der von der 
Reichsregierung befolgten praktischen Colonialpolitit, 
die der deutschen Industrie neue Absatzgebiete er⸗ 
schließe, dem Handel Schutz und Förderung gewähre 
und der Schifffahrt einen vermehrten Verkehr schaffe. 
Im weiteren Verlaufe der Sitzung gelangte eine 
zweite Resolution zur Annahme, welche eine Ge—⸗ 
schäftssteuer, die nicht prozentual ist, nicht geradezu 
verwirft, ferner den Wedell'schen Entwurf als völlig 
unannehmbar erklärt und sich entschieden gegen alle 
inquisitorischen Controlmaßregeln ausspricht. 
Die afrikanische Conferenz wird aller 
Voraussicht nach in etwa 8 bis 10 Tagen mit 
ihren Arbeiten fertig sein. 
Dem „Berl. Tagebl.“ wird angeblich aus 
Zanzibar unterm 27. ds. telegraphirt: Soeben 
ist das deutsche Kriegsschiff Gneisenau“ mit 
unserem deutschen Generalconsul Gerhard Rohlfs 
an Bord, glücklich auf hiesiger Rhede angekommen. 
Tripolis ist betanntlich diejenige afrikanische 
Provinz, auf welche Italien seit lange sein Augen⸗ 
nerk gerichtet hat. Nachrichten, welche das neueste 
„Journal des Debats“ bringt, lassen die Herrschaft 
der Pforte als eine bedrohte erscheinen. Danach 
soll eine starke arabische Partei die türkische Ober— 
herrlichteit abschütteln wollen und seit längerer Zeit 
eine Erhebung vorbereiten. An ihrer Spitze stehen 
Ali Bey und Mansur Bey, die von Mialta her 
große Waffenvorräthe kommen ließen und in Zeliien 
und Mesurata anhäuften. Alles sei zum Los⸗ 
schlagen bereit, und die in Tripolis ansässigen ita⸗ 
lienischen Schutzvexwandten schürten nach Kräften 
in der Hoffnung, Daß ein Aufstand die Interven⸗ 
fion Italiens herbeiführen würde. Die arabische 
Partei arbeite indeß keineswegs auf die Einverleib- 
ung von Tripolis in Italien hin; sie wolle viel⸗ 
mehr die Selbstständigkeit der Provinz, aber sie 
werde, meinen die Debats, dies Ziel nicht erreichen, 
ondern ihre Anstrengungen würden jener europä⸗ 
ischen Macht zu gute kommen, welche im rechten 
Moment eingreife. Das Alles weiß man gewiß 
auch in Konstantinopel, und man trachtet der Er⸗ 
hebung zuvorzukommen, indem man mit Hilfe Eng⸗ 
ands in Egypten wieder festen Fuß zu fassen sucht. 
Stehen einmal türkische Truppen in Egypten, so 
werden, wie die Pforte hofft, die benachbarten Tri⸗ 
politauer den Muth verlieren, und ohne einen Auf⸗ 
dand dortselbst hätte dann auch Italien keinen 
Grund mehr zur Intervention. Ob aber die Türkei 
bei England das gewünschte Entgegenkommen finden 
wird, bleibt sehr fraglich, da Auͤes darauf hindeu⸗ 
tet, daß Abmachungen zwischen Italien und Eng— 
land getroffen worden sind, denen gemäß sich diese 
beiden Staaten in Eypten und Tripolis freie Hand 
lassen bezw. sich ebentuell gegenseitig effektiv unter— 
stützen werden. Sehr bemerkenswerth in dieser 
Hinsicht ist es, daß die „Norddeutsche Allgemeine 
Zeitung“ ohne Kommentat ein Reuter'sches ande⸗ 
ten Blättern nicht zugegangenes Telegramm aus 
Turin abdruckt, wonach England mit Italien einen 
Vertrag abgeschlossen hatte, welcher Italien das 
Territorium zwischen Massaua und Obok (am 
othen Meer) zuweist und demfelben die Unterstütz⸗ 
ng Englands sichert, falls Jialien Tripolis ok⸗ 
supire. Ferner begünstigt England die Gründung 
einer italienischen Kolonie in Westafrika. Italien 
dagegen gewährt England in Egypten seine mora⸗ 
ische Unterstützung, um für England eine bevor⸗ 
uugte Position im Nilthal zu schaffen. Die Art 
der Wiedergabe dieser hochwichtigen Meldung im 
kanzlerblatt spricht dafür, daß dieselbe für zu— 
reffend gehalten wird. 
Der Senat in Washington hat am Montag 
mit 63 gegen 1St. durch eine Resolution seiner 
Entrüstung über die Londoner Dynamit⸗-Attentate 
ind seinem Abscheu vor solchen Verbrechern gegen 
die Zivilisation Ausdruck gegeben. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 28. Januar. Die freiconservative 
Fraktion hat mit Unterstützung vieler Nationallibe— 
ralen im Abgeordnetenhause einen Gesetzentwurf, 
hetr. die Pensionirung der Volksschullehrer, einge⸗ 
dracht. Soweit die Pensionen 1200 Mt. nicht 
überschreiten, fallen sie der Stautskasse zur Last, 
die Minimalpension soll 450 Mk. betragen. Die 
Ersparnisse des Staates aus der Converuͤrung der 
bila proc. Consols sollen hierzu verwendet werden. 
Berlin, 28. Januar. Die Budget⸗Commission 
hat die Postbauten in Köln einstimmig genehmigt. 
Die BörsensteuerCommission hat sich mit 18 gegen 
7 Stimmen für eine prozentuale Besteuerung und 
mit 15 gegen 5 Stimmen fur den Schlußnoten⸗ 
wang ausgebrochen. 
Ausland. 
Paris, 27. Januar. „Temps“ constatirt, 
daß nach dem Eintreffen der Verstärkungen die 
gesammten militärischen Streitkräfte, über welche 
Briere und Courbet verfügen, einschließlich der 
annamitischen Tirailleurs, 40,000 betragen. 
Rom, 27. Januar. „Agenzia Stefani“ 
meldet aus Perun vom 26. d., daß am Tage zu⸗ 
vor ein Detachement des Panzerschiffes „Casiel- 
iderdo“ in Beilul landete, den Ort besetzte und 
die italinische Flagge aufhißte. Die Häuptlinge 
ꝛer Eingeborenen empfingen die Abtheilung freund⸗ 
ich. Einige in Beilul zurückgebliebene egyptische 
Soldaten werden sich morgen auf dem italienischen 
Dampfer „Corsica“ nach Massauah einschiffen. 
London, 27. Januar. Die „Times“ will 
vissen, daß zwischen Frankreich und Portugal ein 
Arrangement zu Stande gekommen sei, wonach 
Vortugal die französische Oberhoheit über die nörd— 
iche Mündung des Kongo anerkenne, während 
Frankreich den Anspruch Portugals auf die Kuste 
bis zum Südufer des Kongo anerkenne. 
London, 27. Januar. In Folge wichtiger 
Enthüllungen, welche ein im Tower Verhafteter 
den Behörden gemacht haben soll, begleiten Ge— 
zeimpolizisten alle von London nach den Hafen⸗ 
tädten abfahrenden Züge. Die Polizeiwachen vor 
allen Regierungsgebäuden wurden vermehrt. Die 
Besichtigung des Schlosses Windsor ist borläufig 
untersagt. 
Eondon, 27. Januar. Die Polizei will 
einen der Urheberschaft der Explosionen dringend 
Verdächtigen gefaßt haben; er heißt James Gilbert 
Cunningham, ist in Cork geboren und 25 J. a.; 
aach mehrjährigem Aufenthalt in Amerika kam er 
letzten Herbst nach England herüber. Der Ver— 
jaftete soll über seine Person falsche Angaben ge⸗ 
nacht haben. 
London, 27. Januar. General Wolseley 
meldet aus Korti von heute: Ich erhiell gestern 
inen Bericht von Earl, wonach der Marsch der 
Truppen den Nil stromaufwärts glücklich von 
Statten geht. 
London, 28. Januar. Reuters Bureau 
neldet aus Kairo vom 28. d.: General Wol— 
eley telegraphirt, daß Metamneh eingenommen, 
Beneral Stewart schwer verwundet und Wilson 
per Dampfer nach Khartum abgegangen ist. 
Newyortk, 27. Januar.“ Inden Legisla⸗ 
uren der Staaten Newyork und Pennsylvanien 
ind Anträge auf Regelung der Anfertigung und 
des Verkaufs von Dynamit eingebracht worden. 
SZokele und pfälzische Nachrichten. 
* Die Gesammteinnahme der Pfälzischen 
Fisenbahnen pro 1884 betrug 14 755,106 
Mark 14 Pf.; gegenüber der des Jahres 1883 ein 
MNehr von 468,507 Mark 79 Pf. 
— Zweibrücken, 28. Januar. Die Er⸗ 
jffnung der J. Schwurgerichtsperiode pro 1885 ist 
zuf 16. März festgesetzt, Hr.k. Oberlandesgerichts⸗ 
rath Karl Osthelder zum Vorsitzenden und Hr. 
. Landgerichtsdirektor Joseph Herfeldt zu dessen 
Stellvertreter ernannt. 
— Homburg, 26. Januar. Heute Nacht 
verschied dahier nach nur kurzem, jedoch schwerem 
Leiden der weit über die Grenzen der Pfalz hinaus 
»ekannte Altbürgermeister Ernst Dümmler. Die 
Imkerwelt verliert in dem Geschiedenen einen ihrer 
bekanntesten und tüchtigsten Vertreter. 
— In Thalfröschen grassiren die Rötheln, 
resp. Masern unter den Schulkindern so stark, daß 
die Schule geschlossen werden mußte. 
— In Reichenbach hat sich ein 4- 5jãhriges 
dind durch heißen Kaffee derart verbrannt, daß es 
bald darauf unter den gräßlichsten Schmerzen starb. 
— Bergzabern, 27. Januar. Am Sonn— 
ag Abend um 1210 Uhr erdröhnte am „Berg“ 
ein heftiger Knall, eine Erplosion hatte das nach 
einem stattgehabten Brande im Wiederaufbau be— 
griffene Wohnhäuschen des Tagners Lorch in einen 
Trümmecrhaufen verwandelt; am gegenüberliegenden 
Wohnhaus des Geschaftsmannes Lipp wurden 
Fenster zertrümmert und Wande beschädigt; auch 
mn andern Nachbarhäusern wurden durch den starken 
duftdruck Fensterscheiben eingedrückt.“ Wer den 
Schurkenstreich verübt hat und obe mit Pulver 
»der Dynamit geschehen, weiß man noch nicht. 
doffentlich wird die Untersuchung den Thater er⸗ 
mitteln. 
— Neustadt, 27. Januar. Die pfälzische 
Bahn und die preußischen Staatsbahnen haben 
ꝛinen Vertrag mit einander abgeschlossen, nach 
velchem sie alle Gütertransporte von und nach der 
heinischen Bahn mit Vermeidung der hessischen 
dudwigsbahn nur noch über Ludwigshafen oder 
Neustadt, Hochspeyer, Münster a. St., Bingerbrück 
erschicken. Die hessische Ludwigsbahn hal hier⸗ 
jegen durch eine öffentliche Bekanntmachung erklärt, 
aß sie alle Transporte nach wie vor uͤber die ali⸗ 
Route zu den — denjenigen der an⸗ 
deren Vahnen gleichen Frachtsätzen befördert, wozu 
ie auch in der Lage ist, da in den meisten Fällen 
die kürzeste Route über ihre Linien führt.“ Das 
Publikum möge, um sich dies zu sichern, die Route 
iͤber die heffische Ludwiqgsbahn vorschreiben. — 
Damit ist denn auch zwischen den beiden Privat⸗ 
zahnen am Mittelrhein, die so lange eintrachtig 
usammengewirkt und siets in sehr intimen Ver 
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