— Die erste Lesung der Polenvorlagen im preuß.
Abgeordnetenhause ist am 22. Februar.
Berlin, 18. Febr. Das allgemein verbrei—
tete Gerücht, daß die kirchenpolitische Vorlage heute
publizirt werden soll, hat sich nicht bestätigt. Es
wird sogar im Gegentheil jetzt versichert. daß die
Verhandlungen mit der Kurie noch nit zum de—
finitiven Abschluß gediehen seien. — Offiziös war
bekanntlich mitgetheilt worden, daß noch 3 oder 4
gegen die Polonisirung gerichtete Gesetzentwürfe in
Aussicht ftänden. Dem gegenüber wird der Kreuz
Ztg.“ glaubwürdig versichert, daß die Regierung
nicht beabsichtigt, dem Landtage noch weitere poli⸗
tische Voriagen auf diesem Gebiete zu machen.
Berlin, 15. Febhr. Die neue Kirchen⸗Vor⸗
lage ist heute im Herrenhause eingegangen. Die⸗
selbe hebt die wissenschaftliche Staatsprüfung der
Geistlichen auf und läßt Konvikte zu, welche der
Staatsaufficht nur nach allgemeinen Bestimmungen
unterliegen; ferner soll vach der Vorlage der
kirchliche Gerichtshof aufgehoben und die Berufung
an den Staat gegen die Entscheidungen der Kirchen⸗
behörden auf Fälle von Amtsverlust oder Minder—
ung des Einkommens eingeschränkt werden. Eine
Berufung an die Staatsgewalt im öffentlichen
Interesse sindei nicht mehr statt; über derartige
Berufung entscheidet das Staatsministerium auf
dem Verwaltungswege.
Berlin, 15. Febr. Die neue Kirchen—
vorlage ist dem Herrenhaus zugegangen. Die⸗
selbe beüimmt: Eine wissenschaftliche Staatsprü—
fung der Geistlichen ist fortan nicht erforderlich.
Gymnasialkonvikte sind zulässig, desgleichen Konvikte
der Studierenden an Universitäten und kirchlichen
Seminarien. Die Konvikie unterliegen den allge-
meinen Bestimmungen über Staatsaufsicht. Als
Kirchendiener gelten nur solche Personen, welche
mit geistlichem oder jurisdiktionellem Amte ver—
bundene Verrichtungen ausüben. Der Kirchenge—
richtshof wird aufgehoben. Eine Berufung an den
Staat findet nur gegen Entscheidungen der Kirchen⸗
behörden statt, welche Entfernung aus dem Amte
verhängen, oder mit Verlust oder Minderung des
Einkommens verbunden sind. Eine Berufung an
den Staat im öffentlichen Interesse findet nicht
mehr ftatt. Ueber die Berufung entscheidet das
Staatsministerium. dessen Entscheidungen auf dem
Verwaltungswege vollstreckbar sind.
Ausland.
Wien, 15. Febr. Das rusfische Mittelmeer-
geschwader unter Admiral Kasnakow hat jetzt
Smyrna verlassen, um sich der Kundgebungsflotte
der Mächte in der Sudabucht anzuschließen. Das
deutsche Panzerschiff „Friedrich Karl“ wird am 18.
d. in der Sudabucht eintreffen.
Wien, 14. Febr. Kaiser Franz Joseph
wird, wie verlautet, im kommenden Sommer Bos⸗
nien und die Herzegowina bereisen und in Sara⸗
jebo das fünfzehnte Armeekorps inspiziren; Erz⸗
herzog Johann Saldator, vortheilhaft bekannt als
Militärschriftsteller, soll zum Gouverneur der okku—
pirten Provinzen ernannt werden. — Der serbisch⸗
bulgarische Waffenftillstand dürfte in der aller⸗
nächsten Zeit für jeden Fall verlängert werden.
Pester Blätter veröffentlichen einen Aufruf zu
Sammlungen für die ungarische Legion zur Unter⸗
stüßung Serbiens; siebzigtausend Francs sind an—
geblich bereits gesammelt; die ungarische Regierung
dücfte die Ausführung des Projektes verhindern.
Wien, 4. Febr. Soeben wurde hier der unter
dem Protektorat des deutschen Botschafters Prinzen
Reusß stehende erste Verein deutscher Reichssange-
höriger „Niederwald“ feierlich eröffnet.
New⸗NYort, 18. Februar. Ein teuflisches
Komplott zum Sturze der Regierung ist in Guate⸗
mala entdeckt werden. Das Grand Hotel und
das Theater sollten in Brand gesteckt werden; letz⸗
leres während der Vorstellung bei vollem Hause.
Während der Aufregung, welche dadurch entstehen
würde, wollten sich die Verschwörer der Kasernen
bemächtigen. Dann sollten der Präsident Varillas
und seine Familie ermordet, alle Fremden ange—
griffen und endlich die Stadt geplündert werden
Die Pläne der Verschwörer wurden indessen recht⸗
zeitig enthüllt und die Entdeckung führte zur Ver—
haftung von etwwa 50 Personen, darunter einige
Obersten der Armee.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
ꝙ0 Aus dem Bliesgau. Zur Warnung.
Zur Zeit stattet ein besser gekleidetes Individuum
den Schulhäusern der Gegend Besuche ab. Er
rührt sich als ein wegen Krankheit aus dem Dienste
ntlasseuer Lehrer des Großherzogtums Hessen,
Namens Vogelsteller, ein, gebürtig aus Schlesien.
Zur Beglaudigung dienen ein Zeugnis des deutschen
Fonsuls in Belgien und eines Gerichtsvollziehers
in Preußen, welche seine Aussagen bestätigen und
hn der Mildthätigkeit der Lehrer empfehlen. Das
jeschah anch · in manchen Fällen. Ich habe aber
hrund zu vermuten, daß diese Zengnisse gefälscht
ind. Nachdem dieser Hochstabler in dem Schul⸗
sause eines Dorfes seinen Tribut erhielt, eilte er
„em nächsten Wirtshause zu und führte sich als
ein Maler ein, gestützt auf ein Zeugniß des Bürger ˖
meisteramts Kaiferslautern, wie ich höre. Er lebe
»on seiner Frau getrennt. Er selbst gab durch
eine Reden den Anwesenden Aergerniß. Er sei
diermit der Gendarmerie empfohlen.
— Neustadt, 15. Febr. Das gestrige Con—
wert der russischen Vokal Capelle war sehr gut be—
ucht und entsprach den gehegten Erwartungen
estens. Natürlich war hierbei die Eigenart des
russischen Gesanges in seinen Eigenthümlichkeiten
zu berücksichtigen. Den Concertgebern wurde deng
zuch wohlverdientester allseitiger Beifall; der Baß
var von geradezu phänomenaler Fülle und Wirkung.
— Speyer, 11. Febr. In militärischen
dreisen wird davon gesprochen, daß höheren Orts
ie bestimmte Absicht bestehe, die drei hier garni—
onirenden Kompagnien des zweiten Pionier Batail⸗
lons nach Germersheim zu verlegen, wo die zwe
Festungskompagnieen des Bataillons sich befinden,
und statt dessen ein Bataillon des 17. Infanterie-
Regiments hier in Garnison zu legen. Das könnte
recht wohl mit dem neuen Kasernenbau in Ver—
hindung stehen.
Vermischtes.
Am Samstag wurde eine Zigeunerbande.
velche 3 Bären mit sich führte, darch einen Gen⸗
atmen und Schutzmann durch Saarbrücken
ransportirt und nach der reichsländischen Grenze
ibgeschoben. Es ist dieselbe Bande, von welcher
zie „Saarg. Ztg.“ unterm 12. Februar berichtet:
„Am Mitwoch Nachmittag wurde von der Gendar⸗
merie in Großblittersdorf eine Zigeunerbande hier
eingebracht, welche aus mehr als 80 Personen,
10 Pferden und 5 Bären bestand. Dieselbe zog
im Lande umher zum Schrecken der Bauern und
nährte sich einzig bvon dem Ertrag der Sammlungen,
die sie boi den Aufführungen der Bärenkunsistücke
veranstaltete. Wegen Gewerbekontravention wurden
die sechs Familienoberhäupter zu je 1 Mark von
»em hiesigen Amtsgericht verurtheilt und dann die
janze Bande über die Grenze befordert.
4 Vor einigen Tagen traten iu St. Johann
Zaarbrücken die Abgesandten sämmtlicher thier⸗
urztlichen Vereine des Königreichs Preußen
behufs Bildung einer Centralvertretung zusammen.
In den Vorstand wurden gewählt: Professor Dr.
Pütz⸗Halle a. S., Professor Dr. EsserGoͤttingen,
reisthierarzt Dr. Felisch Schlochau, Departements⸗
Thierarzt Dr. Steinbach Münster i. W. und Mar—⸗
dall⸗Oberthierarzt Dr. Albrecht-Berlin. Die Cen—
tralvertretung erklärte einstimmig, daß die Erheb-
ung der preußischen Thierarzneischulen zu Hoch⸗
schülen für Thiermedizin nothwendig und zeitgemäß
sei, und beauftragte den Vorstand, zur Verwirklich⸗
ung dieses Bedürfnisses bei dem königlichen Mini—
tterium für Landwirthschaft, sowie beim Landtage
zeeignete Schritte zu thun.
F Unter der Firma Lothringische Glas⸗
sabrikations-Kompaguie hat sich eine neue Aktien-
zesellschaft mit einem Kapital von 1,200,000 M.
und dem Sitz in Dreibrunnen gebildel. Die Ge—
iellschaft übernimmt die bisher dem Kaufmann
Achill Portal und der Frau Louise Adele Riottot
in Paris gehörige Gslasmanufaktur in Dreibrunnen
ic. für 1,120,000 Mk.
FWadern, 132. Febr. Gestern verschied
nach kurzem Unwohlsein der älteste Mann hiesiger
Begend, ein Veteran aus den Befreiungskriegen,
er 90jährige Ackerer Peter Loth aus Bardenbach-
Viel, welcher noch stets rüstig war bis vor wenigen
Wochen, wo ihn der Tod nach einem kleinen Un—
vohlsein zur großen Armee abrief. Friede seiner
Asche!
PStraßburg, 14. Febr. Heute sind es
Jahre, daß Bischof Dr. Andreas Raeß die
hzischöfliche Weihe erhielt.
F'Leipzig, 11. Februar. Die Entscheid
ingsgruünde des Urtheils des Reichsgerichts *
Zarauw nehmen als erwiesen an, daß in veg
in Bureau zur Erforschung militärischer Gehein
nisse besieht, welches eine Verbindung mit d
ranzösischen Kriegsministerium erhielt. Sarou
var mit dem Auskundschaften der Geheimniss i
Deutschland beauftragt und erhielt aus secteten
Fonds einen Monatsgehalt von 5000 bis 600
Fres. Die Aussagen der Hauptzeugen und die
Ubschriften aus dem Tagebuch und anderer Dohn
mente ergeben den Beweis für eine Verbindun
mit dem Bureau. Es steht ferner fest die *
hindung Sarauw's mit dem Hauptmann Henish
und Röttget. Die an das Bureau von Sarau
berrathenen militärischen Geheimnisse sind: zum
Angriff auf Sperrforts bestimmtes Sturmgeruͤth
Theile des Mobilmachungsplanes, Befestigungeplan
don Kiel und Cuxhaven, Festungspläne von Co.
berg, Swinemünde, Spandau und Mainz, Mit
heilungen über die Festungsartillerie. Munition
rolonnen u. s. w. Sarauw, welcher mit vollen
Bewußtsein alle diese unbedingt geheim zu halten.
den Dinge zur Kenntniß der fronzösischen Regien
ung brachte. ist daher des fortgesetzten Landesder.
raths schuldig. Röttger war nicht nachzuweisen
»aß die Mittheilungen, die er an Sarauw gelangen
ließ, nicht schon vorher der franzosischen Regierung
hekannt waren, deßhalb und weil die Mittheilungen
iüber die Mainzer Festungswerke schon 1878 duͤch
die Presse veröffentlicht waren. ist derselbe freim.
prechen.
FMemmingen, 13. Febr. Ein sensatio
neller Prozeß ist gegenwärtig beim hiesigen Land-
Jericht anhängig. Ein Offizier a. D., ein Magi-
tratsrath und ein Gemeindebevollmächtigter, sämmt⸗
ich in Günzburg, sind der Körperverletzung und
Amtsehrenbeleidigung gegen den Polizeirottmeister
Jakos beschuldigt.
F Sulzbach in der Oberpfalz, 11. Febr
Gestern Nacht wurde im Amesgerichte eingebrochen.
Die Diebe suchten die Depositenkasse zu erbrechen,
vas ihnen aber nicht gelang. Sie sprengten dann
einen alten Zähltisch auf, durchwühlten denselben
und nahmen einige konfiszirte Gegenstände, sowie
»en alten Bureaurock des Amtsdieners mit.
F München, 14. Febr. Die Mörder des
Privatiers M. Bader in Vogenhausen sind in
dem Küfer Friedtich Karl Fischer aus Württem-—
zerg und dem Schuhmacher Max Sitih ermittelt
und verhaftet worden. Als Mitschuldige sind ver
jaftet der Taglöhner Johann Bauser, der Tischler
August König, der dem ehrenwerthen Stande der
Louis“ angehört, und dessen Konkubine, die Pro
gituitte Streicher.
F(Die Turkos als Freunde der
Deutschen.) Als im 7oer Krieg die verblendete
Regierung einer ehrgeizigen Madame uns die
Franzosen auf den Hals hetzte und der Sieg sich
auf Seite der Deutsschen neigte, erregte dies natür⸗
lich die Freude der Muß Franzosen, der Algierer.
So ist die „Bresl. Ztg.“ in der Lage, auf das
devorstehende Ecscheinen eines Buches aufmerksam
zu machen, dem die politische Welt nicht verfehlen
wird, ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. Es betitelt sich
„Bismarck in Versailles“ und erscheint bei Gebhardt
und Wilisch in Leipzig. Der Inhalt betrifft wesent
lich die diplomatischen Verhandlungen Bismatds
nit den neutralen Mächten und Frankreich. Dicse
wechseln mit Schilderungen aus dem Leben von
Versailles während der Belagerung von Paris,
insbesondere aber mit der Darstellung der Ereignisse,
welche die Zeit der Belagerung selber ausfüllten.
Von wie weit zu jener Zeit das Auge nach Ver⸗
jailles, nach dem Präfekturgebäude in der Avbenut
de Paris gerichtet wurde, beweist das folgende
Schriftstück aus Algier: „An Se. Majestät den
Zönig von Preußen richtet das Voik Algeriens
nachstehende Bittschrift. Ew. Majestät ist es nicht
unbekannt, daß unser Land ehedem ein Land det
Islam war und daß seine Fürsten von alter Zeit
her Moslemin waren, die nicht daran dachten, von
den Andersglaubenden jemand in seiner Religion
zu beeinträchtigen. Als jedoch einige von uns an
fingen, sich Vergehungen gegen unser heiliges Geses
schuldig zu machen, setzie Allah uns zur Strafe
das Volk der Franzoser zum Beherrscher; denn so
pflegt es Allah der Höchste mit seinen Knechten
zalten. Und jenes gewaltthätige Volk verjuht
eindschaftlich gegen uns .. Da der Krieg nun
jegen Euch ist, fo stellte es die Kriegsleule aus