Full text: St. Ingberter Anzeiger

am ganzen Korper mit gräßlichen Brandwunden 
bedeckt; sogar die Zunge und das Innere der 
Ohren war verbrüht. Das Kind siarb nach vier 
Ztunden schreckliche Qualen. 
F Mühlhausen, 16. Febtr. Am 2. De⸗ 
ember v. J. wurde bekanntlich Weinhändler Johann 
Jacob Eduard Nithart wegen Nachahmung und 
Verfälschun von Wein zum Zwecke der 
Täuschung und wegen des Verkaufs solchen ver⸗ 
älschten und nachgemachten Weines zu 192 Jahren 
Befängniß und zu einer Geldbuße vou 60,000 M. 
derurtheilt. Der Vater des Verurtheilten Xaver 
Nithart hatte sich der Mithilfe dringend verdächtig 
zemacht und es war schon zur Zeit der Unter⸗ 
uchung gegen den Sohn die Verhaftung des Vaters 
ingeordnet worden. Derselbe hatte sich aber der 
daftnahme durch die Flucht entzogen. Durch Be⸗ 
schluß der Strafkammer des hiesigen Landgerichts 
dom 15. d. M. ist nun, da gegen den Angeschul⸗ 
digten die öffentliche Klage wegen Vergehens gegen 
z 10 des Nahrungsmittelgesetzes erhoben woeden 
ist, und da dringende Verdachtsgründe gegen ihn 
»orhanden sind, in Gemäßheit des 8 8332 des St- 
P. O. das im deutschen Reiche befindliche Vermögen 
zes Angeschuldigten mit Beschlag belegt worden. 
Sondershausen, Mitte Februar. Die 
handelsfrau Katharine Schäfer aus Gillstedt, welche 
seit Mai 1884 verschwunden war, ist jetzt, wie der 
„Deutsche“ berichtet, als halbverweste Leiche im 
deller“ des Christian Schettler zu Oberhaufen ge- 
unden worden. Als des Mordes verdächtig sind 
er genannte Schettler daselbst und seine Tochter 
in Greußen verhaftet worden. Christian Schettler 
war der Frau Schäfer Geld schuldig, welches die 
letztere am 10. Mai 1884 erheben wollte. 
F Ehrenfeld, 14. Febr. Ein hiesiger 
kinwohner erhielt vor einigen Tagen die Auffor⸗ 
)erung, seinen im Jahre 1866 geborenen Sohn 
Ludwig zur Aushebung zu schicken. Nun aber hat 
der Mann gar keinen im genannten Jahre gebore⸗ 
nen Sohn, wohl aber eine Tochter von 20 Jahren 
mit Namen Louise. Es wurde schließlich festgestellt, 
zaß die Tochter als „Ludwig, männlichen Ge⸗ 
chlechts“, im Civilstandsregister verzeichnet steht. 
Im Taufregister find Namen und Geschlecht richtig 
angegeben. Allgemein wird angenommen, daß die 
holde Louise von der Aushebung verschont bleiben 
wird, sintemalen es in Deutschland Ämazonenregi-⸗ 
menter noch nicht gibt! 
rDusseldorf, 18. Febr. Ein Raubmord 
wurde gestern Nacht in dem Hause Neubrückstraße 
Nr. 9 an der Althändlerin Wittwe Schoop verübi. 
Als dieselbe gestern Morgen nicht zur gewöhnlichen 
Zeit erschien, und an ihrer auf der zweiten Etage 
gelegenen Wohnung alles still blieb, gingen die 
anderen Bewohner des Hauses in deren Wohnung 
ind fanden die Frau mitten im Zimmer in ihrem 
Blute liegend. Die Polizei und die königliche 
Staatsanwaltschaft wurden sofort benachrichtigt. 
Der erste Staatsanwalt Herr Juenisch erschien als⸗ 
hald selbst am Thatorte, die Untersuchung zu leiten; 
auch der Kreisphysikus Herr Geh. Sanitätsrath 
Dr. Zimmermann wurde herbeigerufen. Die Unter⸗ 
uchung ergab, daß der Frau durch Stieiche mit 
einem stumpfen Instrumente die Schädeldecke zer⸗ 
rümmert war. Auch hatie sie mehrere furchtbare 
Wunden im Gesichte. Was geraubt ist, konnte 
noch nicht festgestellt werden. Die Untersuchung 
wird seitens des ersten Staatsanwalts mit Energie 
zeführt. Diesen Morgen erschienen an den Plakat⸗ 
zäulen Bekannimachungen, den Mord betreffend. 
Auf die Entdeckung des Thäters wird eine Belohn- 
ung gesetzt. 
FHofheim, 17. Febr. Vorige Woche 
kamen Arbeiter beim Graben eines Brunnens in 
der Lederfabrik von Gebrüder Engelhard dahier in 
einer Tiefe von 6 bis 7 Meter auf Braunkohlen. 
Die Stärke des angehauenen Lagers soll circa 
Meter betragen haben. In welchem Zusammen- 
jange die hiesige Entdeckung mit den bereits im 
nahen Marxheim und Diedenbergen erschlossenen 
dagern steht, werden hoffentlich späterfolgende Bohr⸗ 
dersuche aufklären. 
F Diez, 15. Febr. In unserem Nachbarorte 
Freiendiez erschoß sich heute Nacht der erst vor 
urzer Zeit von dort verzogene penfionirte Oberst- 
ieutenant W., ein ehemals nassauischer Offizier. 
Fine bevorstehende Zwangsversteigerung seiner Mo⸗ 
zilien soll das Motiv der That gewesen sein. W., 
der zwei Kinder hinterläßt, hatte zuletzt bei einem 
Regiment in der Nähe Berlins gestanden. 
*Meiningen, 186. Febr. Zur Zeit gastirt 
zier Ernst Possart am Hoftheater. Rachdem er 
vorgestern Abend unter begeistertem Beifall bei 
berfülltem Hause gespielt, wobei ihm der Herzog 
elbst neinen Lorberkranz mit Schleifen zuwarf, 
vurde er gestern zur herzoglichen Tafel geladen 
ind bei dieser Gelegenheit zum Ehrenmitgliede des 
Neininger Hoftheaters ernannt. Heute Abend spielt 
ossart den Shyloc. 
Mainz, 185. Febr. Gestern Abend ift 
in Oekonomiehandwerket von 118. Regiment an 
der Klosterkaserne zwischen Weisenau und Mainz, 
vo er kasernirt war, aus dem von Worms kom— 
nenden. im Fahren begriffenen Zug gesprungen, 
abei gefallen, vom Wagen überfahren und sofort 
zetödtet worden. — Mit Eintritt des Sommer- 
ahrplans wird die Köln-Düsseldorfer Dampfschiff- 
ahrts· Gesellschaft zwei neue Halbsalonschiffe „Nie⸗ 
erwald'“ und „Hansa“ in Dienst stellen und die⸗ 
elben am Abend versuchsweise mit elektrischem Licht 
eleuchten lassen. 
7Frankfurt a. M. Das junge Mitglied 
iner hiesigen Musikkapelle hatte das Interesse einer 
ilten Dame derart in Anspruch genommen, daß sie 
hun ihr ganzes Vermögen vermachte. Als sie starb, 
efand sich der junge Mann im Besitze einer Summe 
on 200,000 M. Er wußte nun nichts Eiligeres 
u thun. als nach Dresden zu fahren und sich dort 
u verheirathen. 
Heidelberg, 18. Febr. Vor einigen 
Tagen wurde ein in der Eppelheimer Landstraße 
vohnender Reisender in Haft genommen, weil er 
ringend verdächtig erschien, sich diverser Unter⸗ 
chlagungen schuldig gemacht zu haben. Nachdem 
er Ernährer der Familie — es besteht dieselbe 
us der Frau und zwei kleinen Kindern — ver— 
chwunden war, verlangte der Vermiether der von 
er Familie innegehabten Wohnung entschieden 
Zahlung der restirenden Miethe und hängte, als 
iesem Verlangen aus naheliegenden Gründen nicht 
nisprochen wucrde, die Thüren und Fenster aus, 
o daß die Frau mit ihren Kindern eine ganze 
dacht in der thür- und fensterlosen Wohnung bei 
er zur Zeit herrschenden Temperatur zubringen 
nußte. 
FHeidelberg, 17. Febr. Schon seit 
ängerer Zeit weilt Vickor v. Scheffel hier in un- 
erer Stadt, um seine angegriffene Gesundheit wie⸗ 
er herzustellen. Der 60. Geburtstag des hoch—⸗ 
erehrten Dichter, der Heidelbergs Ruhm und Preis 
n seinen herrlichen Liedern gesungen, bot unserer 
Rusestadt einen willkommenen Anlaß, ihrer Anhäng- 
ichkeit und Dankbarkeit entsprechenden Ausdruck zu 
zerleihen. Gern hätte man größere Festlichkeiten 
eranftaltet, jedoch der leidende Zustand gebot Rück- 
chtnahme, da auf eine persönliche Theilnahme des 
dichters nicht zu rechnen war. Dagegen hat es 
ich die Stadt nicht nehmen lassen, Scheffel zu 
hrem Ehrenbürger zu ernennen. 
F Ulm. 15. Febr. Im Militär-Arrest soll 
ich dem Stuttgarter „Beobachter“ zufolge ein Ka⸗ 
onier des 13. Artill. Regts. die Füße erfroren 
jaben. Das genannte Blatt bemerkt dazu: „Man 
ann und darf und muß einen Kanonier, wenn er 
nicht gut thut, in den Arrest sperren, aber der 
Arrest muß ein derartiger sein, daß der, der drin 
itzt, nicht die Füße erfriert oder sonst an seiner 
hesundheit geschädigt wird.“ 
F Kempten, 15. Febr. Gestern Vormittag 
ea uftragte der Schlossermeister Schachen mayer 
einen 17jährigen Lehrjungen Heinrich Feuerle Bier 
zu holen. Das Bürschchen kam dem Auftrag nach, 
chabte aber zugleih Phosphor von Streich⸗ 
sölzern ab und that ihn in den Maßkrug. Beim 
Ausgießen des Bieres wurde dessen verdächtiges 
lussehen bemerkt und eine Nachfrage bei dem 
Wirth führte bald auf die Spur. Der Bursche, 
uur Rede gesiellt, verlegte sich anfangs aufs Leugnen, 
ann gestand er und gab als Grund an, er wolle 
aus der Lehre.“ J 
Berlin, 15. Febr. Wie man in Ruß- 
and hängt — das hat zu seinem Schaden neulich 
in hiesiger Bäckermeister in einer Restauration in 
er Alten Schönhauserstraße erfahren. Dorthin 
am vor einigen Tagen der bereits 11 Mal bestrafte 
Zteinsetzer Ambos und schwindelte den anwesenden 
hästen vor, daß er Scharfrichtergeselle bei Krauts 
ei und soeben von einer auswärtigen Hinrichtung 
omme. Um den Gästen zu zeigen, wie man in 
ußland einen Verbrecher hängt und welche Hand⸗ 
eistungen der Gehilfe eines Scharfrichters bei den 
ziesigen Hinrichtungen zu machen hat, ergriff Am- 
zos die rechte Hand eines Bäckermeisters, legte einen 
Zindfaden um dieselbe und zog letzteren an. Ra 
geendigung der Manipulation entfernte fich —* 
chleunigst aus dem Lotal und fuhr in einer Droschl 
abon. Mit ihm war auch ein Brillantrim *— 
Packermeifters im Werthe von 150 Mk., den v 
exer am kleinen Finger der rechten Hand — 
jatte, verschwunden. In Folge der bei der ai 
ninalpolizei gemachten Anzeige wurde Ambos du, 
jestern zur Haft gebracht. 
Berlin, 16. Febr. Das Gerücht uͤber 
die Entwendung eines neuen Repetit Gewehin 
des Elisabeth Regiments in Spandau durch eintn 
erkleideten französischen Spion hat sich bestatig 
F Ein abnormer Geburtsfall ist jüngst 
Danziger Stadtlazareth vorgekommen. Don 
vpurde nämlich eine Arbeiterin zuerst von Zwillinge 
ind eine Stunde später von einem dritten Kind⸗ 
ntbunden. Die Zwillingt sind Mäadchen, von du 
zrust bis zum Unterleibe zusammengewacsen, in 
war Gesicht gegen Gesicht. Die vier Arme un— 
zier Beine waren vollständig normat ausgebilde 
benso die beiden Köpfe. Schon etwa eine Suug 
jach der Geburt erlosch in dem Zwillingspaare du 
deben, während der später geborene Knabe sid 
jefund und munter befindet. 
F Pesth. Der Gemahlin eines hiesigen Schrif. 
tellers wurde der Besuch ihres Bruders gemeldel 
ntrüstet wies sie denselben ab, denn dieser Jim 
ing war wegen zahlloser leichtsinniger Streiche d 
oqgn. Schandfleck der Familie. Das Stubenmid 
hen schilderte jedoch in so beredten Worten duß 
erstorte Aussehen des draußen Harrenden, daß di 
)errin mild gestimmt wurde und den ungerathenen 
zruder vorließ. Derselbe wankte stieren Blide 
zerein und war die junge Frau schon ob seine 
Inblicks höchlichst bestürzt, so begann das trotz alla 
rüben Erfahrungen zärtliche Schwesterherz zu stoden 
or Entsetzen, als der Ankömmling mit angfte. 
reßten Worten sein Unglück meldete: Von einen 
ollen Hund in den Arm gebissen! — Die Spuren 
ser verderbenbringenden Zähne der Bestie waren 
)eutlich genug an der Kleidung des Jüngling 
vahrzunehmen und in grofer Seelenangst ftmmi 
die Dame mil in die Schreckensrufe ein: „Waz 
han? Um des Himmels willen, wie die gräflihe 
vefahr beschwören?“ Der Segen der Pasteur'schen 
ẽrrungenschaft konnte der Ehehälfte eines Schrift- 
tellers gewiß nicht unbekannt sein und schon nahh 
ẽ7ẽ Wangung des ersten Fassungsgrades lautete der 
hwesterliche Rath: „Du mußt augenblicklich nach 
zaris! Dort wirst Du gereitet werden können.“ 
zum Glück war trotz Abwesenheit des Haushertu 
er einigermaßen genügende Geldbetrag im Hause. 
Fort, nun fort! Eine weitere Unterstützung folgt 
iach! Es kostete Mühe, dem neuen Patienten 
Zafteur's die Selbstmordgedanken auszureden und 
hn zur dringenden Reise zu bewegen. Die zurüd 
zleibende Dame war vom Schreck ganz krank ge⸗ 
vorden und fiebernd erzählte sie dem später heim⸗ 
ehrenden Gatten das schwere Unglück. Der Haus 
jerr schien jedoch für den beklagenswerthen Schweget 
venig Mitgefühl zu besitzen; denn seine Frage 
autete ganz trocken: ‚Wie viel hast Du ihm ge⸗ 
zeben?“ „Hundertdreißig Gulden; Du wirst ihm 
das Nöthige nachschicken!“ — „Hab's ihm schon 
jegeben, meine Theuerste! Er begegnete mir, al 
ch vom Kaffeehause kam und ich gab ihm Alles, 
vas ich bei mir halte, damit er statt seines zer⸗ 
rissenen Rockes einen neuen kaufe. Andere Schmetzen 
lagte er mir nicht,./ — „Also — also nicht ge 
ährlich?“ jubelte die junge Frau. „Wird er nicht 
vasserscheu?“ — „Nein, er bleibt nur arbeitsscheu, 
)er Taugenichts! Aber das hat er nicht schlecht ge⸗ 
nacht. Ideen hat der Junge! Vielleicht wird 
joch ein Dichter aus ihm!“ 
Graftmenschen.) Geschichtlich ist hitbe 
a4. A. Mademoiselle Gauthier, die Schauspielerin 
es Theatre Francais“, die in Paris unter Lud 
vig XV. lebte. Sie brach zwischen den Fingern 
iner Hand eine Geldmunze entzwei und roll 
iner. starken silbernen Teller so zusammen, deß 
r einen Becher mit spißem Fuß bildete. Es ged 
seinen Mann, der ihren Händedruck aushalten 
onnte. Blos Moritz von Sachsen, einer der siur 
len Männer seiner Jeit, war im Stande, ihr 
jeschlossene Faust zu dffnen. Die Kraft diese 
jatürlichen Sohnes des Kurfürften von Sachfen 
ennzeichnet folgende Anekdote: Um seinen Begler 
ern zu zeigen, wie stark er sei, trat er einst in 
ine Schiniede und derlangte, daß man sein Pfe 
jeschlage; er sah mehrere fertige Hufeisen da liegen 
ahm eines nach dem anderen., zerknickte sie in der