Full text: St. Ingberter Anzeiger

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zt. Jugherter Atzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
a et. Jugberter Tuzeiger erscheint wbqhentlich füuufmalz: Am Montag, Dieustag, Donners tag, Samstag und Sonutag; 2mal wochentlich mit Unterhaltungk⸗ 
an und Sonntags mit Sfeitiger Uustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 14 60 ⸗ einschließt ich Trägerlohnn; durch die Post bezogen 1A 75 4, einschlieut: 
454 Zustel unghgebthr. Die Einrucknugsgebührer für die Agespaltene Sarmondteile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10, bei außerpfälzischen und ol he 
auf welche die Erpedition Auskunft ertheilt, 15 4. Neclamen 40 4. Bei 41aliger E · Ticung wird nur dreimalige berechnet 
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Dienstag, 2. März 1886. 
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Bestellungen 
auf den 
‚Zt. Zugberter Anzeiger“ 
ur den Monat 
März 
rehmen fortwährend an: die Postanstalten, die 
oftboten, die Umträger und 
Die Capedition. 
nauchen, und der bezieht sich dann auf meinen 
ẽntichluß. Die Wege, welche bei der Errcichung 
ieses Zweckes zu gehen sind, oie werden sich nicht 
mmer auf dem Wege der Milde, der Schonung 
und Versöhnlichkeit bewegen können. ..... Ich 
habe die feste Zuversicht, daß aus ˖ dem Zusammen⸗ 
virken der verschiedenen Faktoren des Gerechtig 
eitssinnes der Regierung, des ritterlichen Sinnes 
ieses hohen Hauses und der Weisheit des anderen 
dauses keine Resultate sich ergeben, denen zuzu⸗ 
limmen mir verwehrt sein würde. (Beifall). 
Dieses Vertrauensvotum des Hrrrn Bischofs 
vird in Centrumskreisen nicht gerade freudig be— 
rühren, denn man wird daraus den Schluß ziehen 
nüssen, daß die Friedensverhandiungen über die 
zöpfe des Eentrums hinweg dbereils weiter gediehen 
ind, als man in diesen Kreisen bisher anzunehmen 
ür gut befunden hatte. 
Ausland. 
Die spanische Regierung berief 50,000 
Mann Reservisten ein. Man weiß jedoch nicht, ob 
dies wegen der beschlagnahmten revolutionären Pro— 
—E 
istischen oder republikanischen Agitation geschah. 
In Portu gal brach eine Volksbewegung gegen 
zine von der Regierung geplante neue Steuer aus. 
An vielen Orten fanden Versammlungen statt, in 
»enen Rufe wie: „Weg mit dem Oktroi!“ und „Es 
ebe die Republit!“ laut wurden. In Folge dessen 
rat das konservative Kabinet zurück und der König 
etraute einen Fuhrer der Fortschritispartei, José 
ruciano y Castro, mit der Bildung eines neuen 
dabinets. Diese Wendung soll einen günstigen 
Findruck im Lande gemacht haben. 
Manchester, 1. März Gesiern Vormittag 
'and eine sozialistische Kundgebung statt, welche 
ruhig verlief. Am Nachmittag rottete sich aber 
ine zahlreiche Menge Arbeiter und Gesindels zu ⸗ 
ammen, welche Fenster einwarf und andere Aus- 
chreitungen verübte. Die Polizei stellte schließlich 
zie Ruhe wieder her und nahm Verhaftungen vor. 
In England finden jetzt auch Kundgebungen 
der beschäftigungslosen Seeleuie, Heizer und Hafen⸗ 
irbeitet statt, welche gegen die Anstellung fremder 
Arbeiter protestieren. Im Hydepark zu London 
vurde eine große sozialistische Versammelung abge⸗ 
zalten, an der an 50,000 Arbeiter theilnahmen, 
zie schließlich durch berittene Polizei gesprengt wer⸗ 
den mußte. 
jerrlichen Klängen der Musikkapelle des 18. Inf.« 
Regts. nach dem neuen Tempel in Bewegung. 
Besonderes Aufsehen erregten die Gemeindeältesten, 
velche von weißgekleideten, einen Kranz haltenden 
Festjungfrauen umgeben, die die bekannten zehn 
Bebote enthaltenden Thorarollen trugen. Auch die 
veißseidene und goldgestickte Schärpe, welche sowohl 
»er Rabbiner als der Vorsänger um den Hals 
iber die beiden Schultern nach vorn herabhängend 
rugen, lenkte die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf 
ich. Außer zahlreich von auswärts herbeigekom⸗ 
nenen Glaubensgenossen betheiligten sich an dem 
Festzuge der ganze Stadtrath mit dem Herrn Bür⸗ 
germeister und den beiden Adjunkten, verschiedene 
Berichtsbeamten, die Herren Offiziere des Land—⸗ 
wehrbezirtskommando, der kathol. Fabrikrath und 
das protest. Presbyterium. Nachdem der Zug an 
der Voryalle des neuen Gotteshauies angelangt, 
hielt der Herr Rabbiner eine kurze Begrüßungsrede 
an den Vertreter der kgl. Regierung, den Herrn 
Bezirksamtmann Schmitt, und richtete gleichzeitig 
in denselben die Frage, ob der Uebergabe des neuen 
Tempels keine behördliche Hindernisse entgegenstehen. 
derr Bezirksamtmann Schmitt überreichte hierauf, 
aunter den besten Glückswünschen zu dem Besitze 
des der ganzen Stadt zur Zierde gereichenden Got— 
teshaduses, die Schlüssel dem Herrn Rabbiner, welcher 
nun die Thüre öͤffnete. Unter den rauschenden 
Klängen der Orgel strömten dann die Anwesenden 
in den neuen Tempel, welche aber im Augenblicke 
bis zum letzten Plätzchen gefüllt war. Unter ab— 
wechselnden Vorträgen des Vorsängers undh des 
Chores nahm der Herr Rabbiner die Thorarollne 
in Empfang und setzte sie an ihrer Stelle im 
Allerheiligsten nieder. Hierauf hielt derselbe die 
Festpredigt, an welche sich dann zum Schluß der 
irchlichen Feier die gewöhnliche Freitagsabend— 
Andacht reihte. 
— Kaiserslautern, 1. März. (yIf. 
B.) Selten noch hat der Fruchthallsaal ein so 
mposantes Ballfest gesehen, wie dasjenige, welches 
die israelitische Cultusgemeinde zur Feier der Ein— 
veihung ihrer Synagoge am Samstag veranstaltete. 
Welch großartige Dimensionen dasselbe angenommen 
yat, erhellt aus der nüchternen Zahlenangabe, daß 
weit über 300 Paare (nach anderen Schätzungen 
Jar 400) zur Polonaise antraten, welche Frau 
Moses Becker mit Herrn Bezirksamtmann Schmitt 
und Frau Bezirksamtmann Schmitt mit Herrn 
Becker führkren. Die Pracht und der Glanz der 
verschwender'schsten Toiletten wirkte ordentlich blen⸗ 
dend und verwirrend auf des Zuschauers Auge. 
Man blickte mit einem aus Unsichecheit und Begehr— 
lichkeit gemischten, derauschenden Gefühl auf dieses 
wogende Meer von schimmernden Seidengewändern 
und blühenden Frauengesichtern, über das wie 
Schaumkämme echte Spitzenmassen rollten und in 
dem funkelndes Geschmeide schwamm, gleich den 
rothen Strahlen der untergehenden Sonne. Und 
das zauberhafte Ganze tauchte in die tagesheilen, 
oerklärenden Lichtströme der Gaslüstres und ebbte 
und fluthete rhythmisch auf und nieder nach den 
emperamentvollen Klängen der Tanzmäsik, die wie 
zer Geist der Göttin des Tanzes über den an— 
nuthigen Wassern schwebte — es war ein märchen- 
chönes Bild, ein Anblick, wie der einer Riesenpa⸗ 
ette, auf welcher der Genius der Luft seine reizend⸗ 
ssen Farben in wirrem und doch harmonischem 
Durcheinander ausgestreut hat. — Die Intensität 
ind Ausdauer, womit die Festtheilnehmer der leicht 
zeflügelten Muse huldigten, konnte weder durch dit 
Deutsches eich. 
Nmuünchen, 26. Febr. In der heutigen Sitz⸗ 
ag des Abgeordnetenhauses wurde die Berathung 
Justizetals zu Ende geführt. Eine ledhafte 
baite entstand über die Behandlung der von 
werbs⸗ Innungen eingelaufenen Prtitionen dezüg⸗ 
h der Beschäftigung der Strafgefangenen und der 
qzelnen Gewerben daraus erwachsenen Concurrenz. 
ainisterial Commissär Beißenbach erklärte die An- 
aden dieser Petitionen vielfach für übertrieben; 
Strafgefangenen müßten doch beschäftigt werden 
id die Äusführung von Culturarkeiten, wie sie 
den Petitionen verlangt würde, könnte nur mit 
nem großen Aufwand von Geldmitteln ausgeführt 
erden. In ähnlichem Sinne sprach sich auch der 
ustizminister aus. Schließlich wurde der Aus⸗ 
qußantrag, die Petitionen der k. Regierung zur 
zütdigung hinüberzugeben, mit beträchtlicher Ma- 
xität angenommen. 
MNünchen, 27. Februar. Die „Fr. Zig.“ 
reibt: Es verlautet, daß auch die Agnaten, über⸗ 
mstimmend mit den früheren Nachrichten, eine 
‚eitere Garantie für die Anleihen der Koͤniglichen 
zasse nur übernehmen, wenn die Bauten eingestellt 
)erden. Der König besteht dagegen auf dem Aus⸗ 
au von Herrenchiemsee. Kabinetsrath Klug kon⸗ 
Fxitt heute mit den Ministern v. Riedel und v. 
railsheim. Die Beschlüsse sollen dem Koͤnige so—⸗ 
it unterbreitet werden. 
kine Aufsehen erregende Rede hat 
err Bischff Kopp im preußischen Herrenhause 
ei der Polendebatte gehalten. Ohne zwingende 
etanlassung griff das jüngste Mitglied des Herren- 
uuses in die Diskussion ein und wenn sich der 
etr Bischof auch mit aller Reserve äußerte, so 
iq doch in seiner Rede ein so weitgehendes Ver⸗ 
auenssotum für die Regirrung, wie es weder 
ert Windthorst noch sonst ein Mitglied des Cen- 
ums hätte aussprechen können. Die betreffende 
ctelle seiner Rede lautet: 
Die Befürchtung habe ich richt, daß mit den 
oßtegeln (gegen die Polen) ein neuer Kultur— 
mpf inscenirt oder der alte erweitert werden werde. 
zeht gut!) Es liegt allerdings dieser Schein 
cht pahe; allein ich habe zu der königlichen 
taatsregierung das beste Vertrauen, daß sie den 
rchutz das Vaterlandes mit der Verpflichtung zum 
nchuße der Konfesfionen in Einklang zu bringen 
viß. trotz dem Rathe, den, wenn ich recht gehört 
be, mein verehrter Herr Vorredner gegeben hat. 
d meine verstanden zu haven, daß er rieth, jene 
obinzen etwas mehr zu proteftantisiren. Ich werde 
ich freuen, wenn ich in dieser Ausführung eines 
Ien belehrs werde. Ich stimme auch nicht allen 
laßregeln zu, welche der verehrte Herr v. Beth⸗ 
sann angegeben; aber ich enthalte mich, auf die 
ben einzugehen, weil wir ja sonst vielleicht noch 
alegen heit dazu haben. Aber, meine hochgeehrten 
etrren, einen Gesichtspunkt muß ich doch geltend 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
Hr. Dr. Bernhard Hagen aus Hom— 
urg, dessen Verdienste um die Erforschung der 
Insel Sumatra die niederländische Regierung durch 
erschiedene Auszeichnungen anerkannt hat, ist nach 
iebenjähriger Abwesenheit' zu längerem Aufenthalt 
in die Pfalz zurückgekehrt. 
— Kaiserslautern, 27. Febr. Die 
kFinweihung des neuen israelitischen Gotteshauses 
jat sich gestern unter großer Betheiligung vollzogen. 
die ganze Stadt prangte im schönsten Fahnen- 
hmucke. Schon gleich nach der Mittagsstunde 
ammelten sich in denjenigen Straßen, welche der 
Festzug zu passiren hatte, eine große Anzahl Neu⸗ 
sierigetr. Um 2 Uhr begann in der alten Syna— 
joge der Abschiedsgottesdienst, bei welchen Herr 
stabbiner Dr. Landsberg. eine ernste, gefühlvolle 
Abschiedsrede hielt, welche auf alle den tiefsten 
cindruck machte. Nach einem kurzen Abschieds— 
gebet setzte sich der imposante Festzug unter den