Full text: St. Ingberter Anzeiger

eengende Fülle der Tanzenden noch durch den 
chnellen Schritt der Zeit eine erhebliche Beschrun- 
zung erleiden, und im Osten lichtete sich bereits 
das Dunkel und der junge Tag brach an, als die 
detzten mit einem Seufzer des Bedauerns zum Auf⸗ 
hruͤch rüsteten. Von einzelnen Momenten sei hier 
außer dem Umstände, daß eine zu' Gunsten der 
Bauschuldentilgungskusse vorgenommene Sammlung 
im Handumdrehen 900 Mt. ergab, besonders die 
Verlesung des nachstehenden Telegramms herborge⸗ 
hoben: Hohenschwangau, 27. Febr. l Uhr 40 Min. 
Se. Majestat der König wurde durch die bei der 
Einweihung der neuen Synagoge Kaiserslautern 
—VR Huldigung aufrichtig erfreut und lassen 
riese Kundgabe mit dem Ausdruck huldvollen Dankes 
rwidern. Im Allerhöchsten Auftrag: Ministerial⸗ 
rath v. Schneider.“ Der Ball, den der eigens 
aus Speyer requiritte Herr Theaterdireltor Bittler 
dirigirte, bildet buchsiäblich die Krone der schoͤnen 
Festlichkeiten, mit welchen die israelitische Cultusge⸗ 
meinde den 26. und 27. Februar 1886 unaus⸗ 
öschlich in die Annalen der Barbarossastadt einge- 
schrieben hat. 
— Kaiserslautern, 1. März. Gestern 
Abend 1211 Uhr verschied nach etwa achttägigem 
Zrankenlager (Herzparalise) im 7 0. Lebensjahre 
Herr Dr. Herrmann Wilkens, Direktor der Ul 
ramarinfabrik, nachdem ihm vor 14 Tagen sein 
Schwiegersohn, Herr Dr. Weller, in den Tod vor⸗ 
ausgegangen war. Der Name des Verlebten hat 
in den industriellen Kreisen unserer Pfalz und weit 
darüber hinaus den besten Klang. Vor seiner 
Hierherkunft war er Leiter bezw. Besitzer von Ulira- 
narinfabriken in Heidelberg und Pfungstadt. Im 
Jahre 1856 kam er hierher und übernahm die 
Leitung der hiesigen Ultramarinfabrik, die er aus 
kleinen Anfängen zu einem großen Etablissement 
in hohe Blüthe brachte. Herr Dr. Wilkens war 
Inhaber des Michaelordens und der Goldenen Me⸗ 
daille für Kunst und Industrie, ein Beweis, von 
welch' hoher Bedeutsamkeit die Thätigkeit des Ver- 
ebten war. 9 (Pf. P.) 
— Oberalben, 1. März. (Pf. V.) Kam 
da auch vor einiger Zeit eine lockere Zigeunerbande 
in hiesige Gemeinde, wo sie mit Kartenschlagen 
u. s. w. Geld und Lebensmitiel verdienten. In 
einem Bauernhause traf eine „schwarze Bewohnerin 
der Pußta“ ein Bauernweib allein an, welches 
über heftige Zahnschmerzen klagte und die Hilfe 
der Zigeunerin in Anspruch nahm. Zur Heilung 
mußte die Frau sich unter eine umgeffülpte Bütte 
hocken, und die Zigeunerin trommelte auf derselben, 
allerlei Hokuspokussprüche plappernd. Wahrend 
dessen holten ihre Freunde sammtliche Schinken im 
Schornstein und fuhren damit weg. Dann ließ 
die Gaunerin die Frau aus der Bütte und frug 
sie nach ihren Zahnschmerzen, welche etwas besser 
varen. Die Zigeunerin erhielt ihr Kur Honorar 
und entfernte sich, nachdem sie erklärte, daß der 
Zahnschmerz vorbei sei, aber am Fleisch würde 
sie noch etwas spuüren, wenn sie, die Doktorin, fort 
sei. Wann werden die Dummen alle? 
f Ludwigshafen a. Rh., 1. Marz. Das 
ʒekannte „Hieslianum“ (Gastwirthschaft z. Bayer. 
Hiesel) soll am 21. und 22. ds. wieder Sammel⸗ 
platz aller Salvatorverehrer aus Nah und Fern 
werden. Nicht weniger als 7000 Liter des „edlen 
Nasses“ sind zum Ausschank für beide Tage be⸗ 
stimmt. Die Güte des Stoffes und die Originali⸗ 
ät der Ausschanksfestlichkeit im. Hieslianum“ werden 
wvie alljaͤhrlich, wohl auch heuer wieder zahlreiche 
Verehrer des Paulanergebräues sich zu „löblichem 
Thun versammeln“ lassen. Nebenbei erwähnt, be⸗ 
zieht hierorts nur das Hieslianum“ seinen Salvator 
direlt aus der Salbatorbrauerei Schmederer in 
München. 
Vermischtes. 
f Mannheim, 25. Febr. Wegen Vergehens 
zegen das Sozialistengesetz haben sich zu verant⸗ 
vorten: der 70 Jahre alie verheirathete Maschinen ⸗ 
arbeiter Johann Kissel von Frankenthal und die 
48jährige Franzisla Kampp Wittwe von hier und 
liegt der Anklage im wesentlichen folgender That⸗ 
destand zu Grunde: Kifsel, welcher schon 30 Jahre 
in hiesigen Fabriken beschaftigt ist, bekennt sich zur 
ozialdemokratischen Partei und unterhielt seiner Zeit 
einen sehr regen Verkehr mit einer Anzahl inzwischen 
jon hier ausgewiesener Anarchisten, ebenso verlehrte 
zer inzwischen verstorbene Mann der mitangeklagten 
Zampp häufig mit diesen Leuten und so wurde fie 
elbst auch bekannt mit denselben. Zu vorgenannten 
Anarchisten zählten u. a. der inzwischen wegen Hoch⸗ 
verrathes zum Tode beförderie August Reinsdorf 
und der vor nicht langer Zeit vom Reichsgericht 
wegen des gleichen Verbrechens zu 2 Jahren 9 
Monaten Zuchthaus verurtheilte Konditor Scubin. 
Letzterer schmuggelte im Monat Juli v. Irs. — 
also vor seiner Versetzung in den Anklagezustand 
— diverse Paquete mit dem in London gedruckten 
Rebell“ über die belgische Grenze und ließ die 
rerbotene Druchschrift (der „Rebell“ ist ein anar⸗ 
histisches Organ mit Moss'scher Tendenz, er predigt 
ffen den Meuchelmord) in die Hände seiner „ver⸗ 
rauten“ Bekannten gelangen. So empfing Kissel 
im 18. Juli durch die Post ein Paquet von Eupen, 
quf welchem als Äbsender „Karl Müller“ bezeichnet 
var; am anderen Tag wurde ein gleiches Paquet 
zer Wittwe Kampp zugestellt. Diese Packete ent⸗ 
hdielten eine große Anzahl Nr. 9 und 10 des Res⸗ 
zell“ und war an einer dieser Nummern die Be⸗ 
chreibung eines sehr einfachen und von jedem zu 
onstruirenden Apparats, in welchem natürlich das 
Dynamit eine Hauptrolle spielte, enthalten, mittelsi 
em man am sichersten und leichtesten Gebäude 
eglichen Umfangs — in die Luft sprengen köͤnnte. 
Diese Nummern sollten durch Weitergabe durch die 
Angeklagten zweddienlichste Verwendung finden, 
»och wurde die Geschichte durch einen eigenthüm— 
lichen Zufall verrathen. Als nämlich oben ge—⸗ 
jannter Karl Müller an der Grenze wieder ein 
olches, ungenügend attestirtes Paquet in Empfang 
iehmen woillte, wurde er durch einen Grenzbeamten 
elbst festgenommen und das Paquet beschlagnahmt. 
die Uniersnchung ergab nun, daß in dem Paquet 
in zweites enthalten. welches mit der Adresse 
rissel's, welches aber erst durch Anfeuchten sichtbar 
vurde, versehen war; Karl Müller entpuppie sich 
ugleich als der Anarchist Scubin. Eine bei Kissel 
vorgenommene Haussuchung förderte außer dem 
Rebell“ noch andere Schriften dieses Kalibers zu 
tage, er selbst jedoch stellt es entschieden in Ah⸗ 
ede, diese Schriften je weiter verbreitet zu haben. 
Er habe nur Exemplare aufbewahrt, und die 
inderen habe seine Frau verbrannt; daß man 
as Paquet „Rebell“ an seine Adresse gelangen 
ieß, sei ein Bubenstreich. Die Kampp übergab das 
hr übermittelte Paquet an den Anarchisten Stein- 
nnger, stellt aber trotzdem die Verbreitung in Abrede. 
Nichts desto weniger wird der durch Herra Dr. 
Kosenfeld vertheidigte Kissel wegen Vergehens gegen 
3 19 des Sozialistengestzes zu 2 Manaten und 
zie Kampp zu einem Monat Gefängniß und den 
—X 
F Mainz, 27. Febr. Waährend in der, Stadi⸗ 
jalle“ aus Anlaß der Damenfitzung der Narr- 
zalla“ in verflossener Nacht bis zum frühen Morgen 
»as regste Leben herrschie und infolge davon in der 
janzen Stadt die Nacht über ziemliche Bewegung 
var, gelang es einem oder mehreren Gaunern in 
iner der belebtesten Straßen von Mainz, in der 
dudwigsstraße. in einem Gold- und Juwelenmagazin 
Firma Plenth) einzubrechen und einen nicht unbe- 
eutenden Raub auszuführen. Der oder die Ein⸗ 
recher, die ihre Arbeit nach Angabe der Polize 
‚denfalls in einer der ersten Morgenstunden aus ˖ 
eführt, haben den Montreverschluß auf etwa Fuß⸗ 
ͤhe hinaufgezwängt, alsdann die zu diesem Zwed⸗ 
erklebte Scheibe eingedrüchtt und hierauf sich die in 
em Auslagekasten befindlichen Gegenstände ange⸗ 
ignet. Wie in allen derartigen Geschäften waren 
nuch hier die werthvolleren Sachen am Abend vor⸗ 
jer aus dem Auslagekasten herausgenommen worden 
ind es gelang daher den Einbrechern nur, Objette 
jon nicht allzu hohem Werthe zu rauben. Der 
zrößte Theil der gestohlenen Sachen besteht in billi⸗ 
jeren goldenen und silbernen Armbändern, Ohr⸗ 
ingen, Korallenschnüren und kleineren emaillierten 
-zchmuckgegenständen. Nach vorläufiger Schätung 
t der Gesammtwerth der gestohlenen Gegenstände 
twa 2000 Mk. (M. T) 
FeFrankfurt a. M., 27. Febr. Gestern 
Abend um 5 Uhr prügelten sich mehr als 400 
zuben mit Stöcken, Knitteln, Knüppeln, Seilen. 
hßürteln auf dem Wedmarkt. Der Kampf zog sich 
X 
nach den Main, den eisernen Steg. Das von den 
Buben ausgestoßene Kriegsgeschrei war ganz furcht⸗ 
zar. In der Bendergasse bekam eine alte Frau. 
velche glaubte, es sei ein Unglück passiert, die 
Zrampfe. Sechs Schutzleute schritten ein und 
jahmen vergebens Verhaftungen vor; denn immer 
pieder erneuten sich die Kampfesszenen, wozu leider 
zas Aufhetzen Erwachsener, die an der Rauferei 
Befallen fanden und von der Schuzmanns 
dieserhalb auch auf das Revier fistiert 
wesentlich beitrug. 
F (Stumme Liebe.) Eine Frankfurt 
Familie hatle im letzten Sommer bei ihrem ue 
halt in einem schwäbischen Badeorte ein — 
lͤeblich zu nennendes Schwabenmädchen fürs 9 
nagtern.Dieseide war dazu berufen, großenen 
heil anzurichten. Der Sohn vom Hause —* 
ich namich sierblich in das schöne Mädchen 
nachdem er sich mit ihrem schwäbischen Dialelt a 
söhut und herausgefunden hatte. daß die fum, 
Sprache der Liebenden doch am schönsten sei, —* 
Beziehungen zu ihr an, die ohngeachtet, da 
jehr zarter sliller Natur waren. doch von den h 
sern des jungen Mannes mit solcher Besotg 
vahrgenommen wurden, daß man das Schwan 
nadchen in ihr „Ländle“ zurüdzuschicken beschi 
ehe das Ereigniß einer „Mesalliance“ zur Wirlhh 
feit werde. Dafür, daß es die schönen Augend 
jungen Mannes nicht mehr sehen konnte, — 
digle man es mit einer hübschen Geldsumme m 
vste ihr auch noch eine Fahrkarte nach Stuttgu 
Das Schwabenmädchen machte gute Miene ju 
hösen Spiel und trat die Heimreise an. Auch 
Sohn ließ die Trennung über sich ergehen, dhe 
in derzehrende Schwermuth zu versinken, oder g 
inen Selbstmordversuch zu machen. Das warsh 
sonderbar, aber im Grund genommen schien eß da 
Fllern doch begreiflich, denn sie hielten das Gan 
für eine wandelbare kurze Leidenschaft. Kürzie 
rat nun der Sohn eine Geschäftsreise an, beh 
iber von derselben nicht wieder zurück. Zu ihre 
Enisetzen erhielten die Eltern einen Brief aus don 
von, in welchem er mittheilte, daß er mit seinn 
Schwabenmädchen in den Stand der Ehe getreten se 
Aus Württemberg, 27. Febr. oͤn 
eniseßliches Brandunglück hat in det Noqht zun 
26. Februar in Calm bach bei Wildbad u 
Menschenleben zum Opfer gefordert. Die dellagen 
verthe Wittwe Barth reltete nur mit Mühe du 
gackte Leben and ein Kind, waährend ihr Mam 
Schneider und Nachtwächter Barth, 40 Jahre al 
mit vier Kindern im Alter von 15, 12, 9 un 
14 Jahren, den Feuertod erlitten. 
FAus Bayern. Der kinderlos verßdorben 
Bierbrauereidesitzer Gebert in Schäftlarn hatin 
einem Testamente der Gemeinde Greifenberg un 
Ammersee 12,000 M. vermacht, weil dort sän 
Froßvater als Landarzt wirkte; der Gemeinde 
Schaftlarn 18,.000 Mk., weil der dortige Pfatr 
einem Vater die nöthige Ausbildung zu The 
verden ließ, dem Militär-, Wittwen; und Waisen 
'ond 40,000 M., weil sein Vater Militärarzt wer 
Nürnberg, 25. Febr. In der Propt 
sache um den Haupigewinnst der Deggendorj 
XEVB— 
dandgerichts ein auf Beweisverfahren lautende 
Urtheil erlassen. Es handelt sich eben darum, fsts 
ustellen, ob der die Hälfte des Gewinnstes been 
pruchende Klaäger dem Beklagten die fragliche! 
Mark als Darlehen oder als Hälfte des Kauffqhi— 
ings des Looses übergeben hat. 
JMunchen, 24. Febr. Wie in militärisqt 
Zreisen verlautet, beabsichtigen die Obersten und 
stegimentslommandeure Olto Kunstmann des l 
ind Eugen Abel des 17. Infanterieregiments Gu 
nersheim) um ihren Abschied mit Pension nachn 
uchen; ersterer wurde am 12. November 188 
IOberst und wäre der erste zum General, der lehtn 
wurde am 22. November 1883 Oberst und Red 
mentskommandeur. 
Maunchen, 28. Febr. Wie die „N. J. 
von zuverlässiger Seite erfahren, wird kunftighn 
die Absolutorialprüfung am Kadettenkorps in strengen 
Form, als bisher geschehen, vorgenommen werden 
die Oberftudien - und Eraminanionskommission 
angewiesen, an die korperlichen ung geistigen Fähn 
keiien der Abiturienten den strengsten Waßstab ar 
ulegen und nur solche Leute der Armee zu übe 
weisen, welche nach jeder Richtuug hin allen e 
orderungen genügen und in Foige dessen möglith 
lange dem Dienste erhalten bleiden können, sit 
wie es nicht sellen vortam schon nach kurzer Dierh⸗ 
zeit dem Pensionsfonds zur Last zu fallen. 
Grriesbach, 26. Febr. Vorgehen 
Abend ging der bei dem Bauein Obermaiet u 
Schildorn bedienstete Knecht Spoͤdmaier mit dee 
Revolver in der Hand über den Hofraum, wo itn 
zie 17jahrige Dienstmagd Liedl begegnete, welche 
herzweise mit den Worien anrief: Jeht erschih 
q Dich,“ worauf die Liebl ebenfals schetzweise er