Full text: St. Ingberter Anzeiger

gegengehen würde, lein Mensch koͤnne wissen, was 
dann aus ihm werden sollel!“ „Das Regiment 
der großen, von der Vorsehung auserksrenen Männer 
hat seine Vortheile und in ihrem Genuß besindet 
sich Deutschland gegenwärtig. Da aber die Un⸗ 
sterblichkeit diesen hohen Personen, welche zur Größe 
nothwendig sind, nicht versprochen is, und wenn 
sich keine Nachfolger zur Fortsetzuug ihrer Werke 
herangebildet haben, so hat die Zukunft aft die 
Dienste zu büßen, die der Gegenwart geleistet 
worden find. Betrachtet man aber die Stützen des 
deutschen Reichs, so sieht man nicht, wo Deutsch⸗ 
land die Ersatzmänner für Moltke und Bismardh 
finden werde, und diese einfache Thatsache genügt, 
um die schlecht verhehlte Unruhe zu erkennen, mit 
welcher das einsichtsvolle Deutschland bei jedor 
feierlichen Gelegenheit die Fortschritie des Alters 
und die nicht wieder zu tilgenden Spuren erkennt. 
welche die unerbittliche Zeit seinen Helden aufge- 
prägt hat“. Die „Gazette de France“ bemerkt zu 
der Weisheit der „Republique francaise“; „Mit 
solchen Albernheiten moöchten die Republikaner die 
dem Lande zugefügten, nicht wieder gut zu machen⸗ 
den Uebel der Vergessenheit anheimgeben. Kaiser 
Wilhelm, der Fürst Bismarck und der Marschall 
do. Moltke sind sicherlich große Maͤnner, aber ihre 
Größe besteht nicht nur in ihrer tiefen Einsicht 
sondern mehr noch in der Festigkeit, mit welcher 
sie an den politischen und militärischen Ueberliefer⸗ 
ungen festhalten, auf welchen die Monarchie der 
Hohenzollern aufgebaut ist. Sie sind der Ausdrud 
eines Systems, das vor ihnen bestand, das sie bil⸗ 
dete und das gerade in diesem Augenblick auch ihre 
Nachfolger bildet. Und daran hat der Zufall, wie 
die „Republique Francaise“ sich einbildet, keinen 
Antheil. Man darf sich nicht wundern, daß die 
„Rep. Fr.“ nicht sieht, wo der Nachfolger des 
deutschen Kaisers die Ersatzmänner für seine jetzigen 
Rathgeber suchen wird. Deutschland und Europa 
aber wissen, daß diese Männer Schüler gebildel 
haben. und das genügt.“ * 
— — F 
Die Vereine Kreditreform (zum Schutze gegen 
schädliches Kreditgeben, 
deren Anzahl im Vorjahre eiliche fünfzig betrug 
haben jetzt die stattliche Anzaßl von 124 erreicht, 
darunter die Reichshauptstadt (1 Hauptbureau mit 
4 Filialbureax und eine große Reihe der bedeuten⸗ 
deren Großstaädte, so Köoln, Munchen, Stuttgart 
Nürnberg, Frankfurt a / M, Hannover, Dresden 
Leipzig ec. ꝛc.) und es ist hieraus zu entnehmen 
daß deren Bestrebungen im kaufmännischen Publi- 
kum vollste Anerkennung finden. 
Von den verschiedenartigen Mitteln und Wegen 
ihre Ziele zu erreichen, ist wohl die Ablürzung der 
Kreditfristen eines der vorzüglichsten, leider aber 
auch gerade dasjenige, bei dem sich die allergroͤßten 
Schwierigkeiten einer allgemeinen Durchführung ent⸗ 
gegenstellen und zwar vornehmlich aus dem Grunde, 
weil dieselbe mit dem Einkommen der mittleren 
und der unbemittelteren Bevölkerungsklaffen im 
engsten Zusammenhang steht und anderseits der 
riesige und geradezu ungesund gewordene Druck der 
Konkurrenz in allen Geschäftszweigen dazu führt, 
unter allen Umständen, selbst mit dem denkbar ge 
ringsten Nutzen, Waaren los zu werden. Gines 
der verführendsten Reizmittel zum Kauf ist aber 
zweifellos das Hinausborgen. 
Gehen wir nun auf die sonstigen Aufgaben ein, 
welche die Vereine zur Erreichung ihres Zweckes 
sich stellen, so spielt insbesondere beim größeren 
Geschäft und im Versandt die GErlangung geschäft⸗ 
licher Auskünfte über die Kunden eine an Wichtig⸗ 
keit stets zunehmende Rolle. 
Das Auskunftswesen unserer Vereine hat vor 
denjenigen der privaten Auskunftsbureaux den Vor⸗ 
theil, daß Aufragen auf alle Plätze, wo Vereine 
sich befmden, auf Grund von Verbandsfrageformu⸗ 
laren direkt von demjenigen Vereine erledigt werden, 
wo derjeuige seinen Wohnfitz hat, über den Aus— 
kunft erholt werden soll. Die außerordentliche 
Wichtigleit raschen Erhaltes von solchen liegt auf 
der Hand und der Verband, welcher noch in voller 
Entwickeluug begriffen ist, besigt durch seine Dezeu⸗ 
tralisirung den Vortheile, alle die Umwege und 
Verzögerungen in den betreffenden Fällen zu er⸗ 
sparen, die bei dem einen Bureau, das die Privat⸗ 
auskunftsinftitute gewöhnlich besizen, ganz unver- 
meidlich find. Nehmen wir den Fall einer Anfrage 
seitens eines Industriellen in Saarbrücken über 
einen Kunden in Straßburg (Elsaß) bei einem 
BPrivatinstitute in Berlin. so macht dieselbe folgen— 
den Weg: 1. Saarbrücken⸗Berlin (Anfrage), 4. 
Berliu⸗Straßburg (Rückfrage bei dem Straßburger 
Zorrespondenten des Berliner Burcaus), 3. Straß⸗ 
hurgBerlin (dessen Antwort an sein Institut), 4. 
Berlin-⸗Saarbrücken (Auskunft), wobei 8 bis 10 
Tage verloren gehen. Ist der Betreffende Mitglied 
unserer Vereine, so fragt er direkt von Saarbruͤcken 
der wenn er auf einer Reise ist, von irgend einem 
Punkt mittelst Verbandszettel direkt von Straßburg 
don wo er sofort und direkt die gewünschte Aua⸗ 
funft erhält. 
Ein noch werthvollerer Vortheil unserer Vereine 
ind deren Legitimationskarten für Mitglieder und 
deren Geschaftsreisende. Diese werden an alle Ver⸗ 
einsmitglieder abgegeben und berechtigten die In⸗ 
haber zur kostenfreien Benützung des Materials 
aller Vereine und zur Ginholung sofortiger münd- 
licher Auskuünfte, wofür nur eine, selbst in den 
zrößten Städten höchstens 50 Pfg. betragende ge⸗ 
ringfügige Gebühr erhoben werden darff. 
Unsere Herren Mitglieder sollten sich stets ein⸗ 
zedenk bleiben, daß die Vereine förmliche Gegen ˖ 
eitigkeits Anstalten sind, denen das Suchen von 
Bewinn ferne liegt und sie sollten die Vereine am 
zesten daduich unterftützen, daß sie selbst über alle 
Mittheilungen, Mahnungen ꝛc., welche sich als un- 
jenau oder unwichtig erwiesen haben, ebenso, und 
janz besonders aber, wenn Geschäftsführer, was ja 
nitunter vorkommen kann, in der Ertheilung münd- 
icher oder schriftlicher Auskünfte sich irgend eiue 
Lässigkeit zu Schulden kommen lassen, dem Ver⸗ 
jands⸗ oder Vereinsvorstand behufs Abhilfe Anzeigt 
nachen, denn nur eine scharfe, stetige und gegen⸗ 
eitige Kontrole wird die Vereine auf der Hohe 
hrer Aufgabe erhalten. Das allerverkehrteste aben 
väre es, wenn einmal einer oder der andere Ge⸗ 
chäftsführer seine Schuldigkeit nicht vollauf thut, 
eßhald den Verein zu quittiren, ohne ein Wor' 
zu reden. Denn dadurch würde dem Geschäfts 
führer, dem Vorstaude und den Mitgliedern die 
Freude an der Bereinssache benommen und eine so 
oielpersprechende neue Institution untergraben 
welche, wie wenig andere ein Institut der Selbsi- 
hilfe für Industrie, Kaufleute und Gewerbetrei⸗ 
zende ill. —1— 
Eokale und pfälzische Rachrichten. 
— Die Militärpficht der 1866 ge— 
borenen jungen Männer beginnt mit dem 1. Jan. 
1886, und müssen sich diese, sowie alle früher ge— 
»orenen Militärpflichtigen, welche bis jeßt eine end⸗ 
ziltige Entscheidung von den Ersatzbehörden noch 
nicht erhalten haben, in der Zeit vom 15. Januar 
zid 1. Februar l. J. zur Stammrolle ihres jewei⸗ 
igen Aufenthaltsortes anmelden. 
— Aus der Pfalz, 4. Januar, wird der 
„Sir. P.“ geschrieden: So günstig auch das 
krgebniß der jüngsthin stattgehabten Volkszählung 
—XLXV 
ragenden Städte der Pfalz, wie Ludwigshafen, 
daiserslautern, Zweibrücken u. f. w., sich siellt, ift 
afselbe jedoch bezüglich der anderen Städte und 
)er laͤndlichen Bevölkerung weniger zufriedenstellend. 
Beispielsweise haben einen Rückgang in der Be— 
pölkerungsziffer u. a. zu verzeichnen: Bergzabern, 
Hermersheim, Grünstadt und Kusel, während wie⸗ 
der in anderen Städten der Zuwachs durchaus 
zicht entsprechend dem Prozentverhältniß zur Seelen⸗ 
jahl der Zählung von 1880 steht, d. h. diesem 
gegenüber zu gering ift. Dieses Mißverhältniß 
vurde zunächst durch die verhältnißmäßig immer 
noch bedeutende Auswanderung, sowie durch das 
Lerziehen ländlicher Arbeiter nach oben erwähnten 
Fabrikplätzen herbeigeführt. In den letzten Jahren 
ning der Prozentsaßz in der Auswanderung aus 
er Pfalz nach Umerika u. s. w. etwas zurück, 
vas durch die von jenseits des Oceans kommenden 
Nachrichten über die Stockung der Geschäfte erklär⸗ 
lich war. Dagegen deuten alle Anzeichen darauf 
din, daß der Auswandererstrom nach den Vereinig⸗ 
sen Staaten auch ans der Pfalz ein stärkerer wer⸗ 
den dürfte, wenn drüben Handel und Wande 
wieder in flotteren Gang gekommen sein werden 
— pirmasena, 6. Januar. Gestern 
Rachmittas um 2 Uhr wurde abseits der Straße 
on Rodalben nach Donsieders der, wie seine Pa⸗ 
ziere ergeben, Schlossergeselle Ferdinand Dahl 
mis Homburg durch den Waldaufseher Hauck von 
kodalben erfroren aufgefunden. 
— Kaiserslautern. Zum Kon⸗ 
urs des Bankhauses Möser verzeichnet die 
Kaisersl. Z3tq.“ einige spezielle Fälle, indem sie 
ichreibt: „Mehrere Lehrer brachten noch am 
Samstag namhafte Beträge, welche auch acceptirt 
wurden, um am Montag verloren zu sein. In 
einer Landgemeinde lebt ein armes krüppelhaftes 
Mädchen. welches sich durch Näharbeiten ernährt 
und nach und nach 600 Mk. erspart hatte; die 
betagte Mutter, eine Taglöhnerin, hatte ebenfalls 
400 Mk. zusammengespart, heute haben sie nichts 
mehr. Ein junger Mann, welcher kurz vor Neu- 
jahr sich verheirathete, soll sein ganzes elterliches 
Erbe von 18,000 Mk. verlieren; ebenso sollen 
die Gelder für den hiefigen katholischen Kirchenbau 
dei Möser angelegt sein. (7) Uäeber einen Loose⸗ 
verein, resp. dessen Deposit von circa 80,000 Mt. 
in Loosen gehen Gerüchte, die wir — veil un— 
sontrolirbar — nur erwähnen wollen. Kurz, der 
Schlag ist schwerer und härter. als wir anfangs 
glaubten.“ 
— Herr Kommerzienrath Heßzel in Neu⸗—⸗ 
tadt hat zur Erbauung und Unterhaltung eines 
Spitals dorten der Stadt 500,000 Mt. überwiesen. 
— Aus Frankenthal, 7. Januar schreibt 
das Frankenth. Tabl.: Mit welchen Mitteln die 
„Pfälzische Presse kämpft, um eine unbequeme 
onturrenz zu beseitigen, zeigen die Machinationen, 
die das ehrenwerthe Blatt gegen uns einschlägt. 
Un verschiedene Bürgermeisterämter gelangten dieser 
Tage mit frankirter Rückantwort versehene Postlarter 
folgenden Inhalts: 
Grünstadt, 2. Januar 1886. 
WbLöbliches Bürgermeisteramt! 
Sie wurden mich durch gütige Ausfüllung und 
recht baldige Uebersendung anhängender Karte 
zu großem Danke verpflichten, wobei Sie sowohl 
die Abonnenten, welche durch die Post, als auch jene, 
welche die „Presse“ durch mich direkt beziehen, gefl 
einrechnen wollen. 
Hochachtungsvollst 
Filialexpedition der „Pfälzischen Presse“: 
3. 6 6ftern 
Dit Rückantwort der vom betreffenden Bürger⸗ 
meisteramte zu wünschenden Auskunft lautet: 
In hiefiget Gemeinde hat 
,Pfälzische Presse ca. Abonnenten 
„Frankenthaler Tageblait“ ca. .Abonnenten 
L. 8. Das Buürgermeisteramt. 
Ob die Herren Bürgermeister auf dieses gelinde 
gesagt, unverfrorene Verlangen eingehen oder ein- 
gingen, wissen wir nicht, doch dürfte denselben 
dienen, daß ihnen eine Verpflichtung dieserhalb nich 
obliegt. Wir aber wollen einfach ein Verfahren, 
das wohl noch keine ehrenwerthe Zeitunz einschlug, 
rinfach veröffentlichen, jeder Leser mag sich sein 
Urtheil aber selbst bilden. 5 
Bermischtes. 
r Aus dem Unter⸗Elssaß, 3. Januar. Daß 
die Werthschätzung der Frauen in den verschiedenen 
Zeiten und Zonen von jeher eine verschiedene ge- 
wesen, ist männiglich bekannt. Auch heute noch 
gdehen die Ansichten darüber, selbst bei uns, sehr 
weit auseinander. Mancher möchte seine Frau 
aicht für eine Million hergeben, während ein An⸗ 
derer erbötig ist, sie schon für ein Brimborium 
oszuschlagen, ja sogar noch etwas daraufzulegen, 
wenn er sie nur überhaupt los wäre. Nicht ganz 
so gut, aber auch nicht ganz so gering dachte, wie 
die „Str. Post“ berichtet, ein elsässischer Bauer von 
seiner Frau, zwischen denen beiden die Liebe aller⸗ 
dings zu den überwundenen Standpunkten zu ge⸗ 
hören schien. Dieser zärtliche Gatte war bereit, 
seine Ehehälfte an einen ledigen Bauer, der sie 
gern haben wollte, für einen festen Ochsen und 
200 Mk. in Baar zu vertauschen. Der Patt wurde 
Nachmittags im Wirthshause in aller Form abge⸗ 
schlossen, das heißt in Gegenwart etlicher Zeugen 
und im Laufe mehrerer Flaschen. Gegen Abend 
am auch wirklich der Tauschochse an, geschmückt 
nit allen Eigenschaften, die einen Ochsen empfeh⸗ 
enswerth machen koͤnnen: fettwanstig, langhörnig, 
urzmäulig, breitspurig und dergleichen, und die 
zalbe Gemeinde gab ihm das Ehrengeleit. Als 
iber die Frau des Thieres ansichtig wurde, ergriff 
ie die Flucht und wollte von dem ganzen Tausche 
nichts wissen. Der Bauer, der sich uͤber die bevor⸗ 
tehende Bereicherung seines Stalles und seiner 
Eörse schon gefreut hatte, stand eine Weile höchst 
derdutzt da und wollte schelten und toben; als er 
jedoch einsah, daß seine Frau trotz alledem und 
alledem noch Anhänglichkeit an ihn zeigte, loderten 
die alten Liebesflammen von Neuem aus der Asche 
auf und er soll sich vorgenommen haben, seine