St. Ingherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der Et. Jugberter Anzeiger erscheint wochentlich fünfmalt: Km“ ntag, Dieunstag, Donnerstag, Samustag und Sonutag; 2mal wochentlich mit Unterhamum
dliau und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Seilage. Das Blan kostet vierteljührlich 1 AM 60 A einschlieklich Tragerlohn; durch die Vost bezogen . 75 4., —XX
10 4 Zustellungtgebuhe. Die Sinruckungsgebühr fur die 4gespaltene Sarmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und folchen
auf welche die Expeditisn UAuskunft ertheilt, 18 3, Neclamen 30 8. Bei 4mn0liger Emruckung wird nur dreimalige berechnet.
Montag, 11. Januar 1886. 21. Jahrg.
7
Deutsches Reich.
Koͤnig Ludwig von Bayern ist, wie Pa
ciser Blaätter melden, unter dem Namen eines Grafen
Berg in Paris eingetrosfen.
Munchen, 9. Januar. Die Kammer der
Abgeordneten übergab nach lüngerer Debatte alle
inf“ die Herausgabe von Walde und Torfstreu ber
züglichen Petitionen und Anträge einstimmig der
egierung zur thunlichsten Berucksichtigung. Fi—
anzminister v. Riedel sagte eine solche Berück-
schtigung in weitesten Sinne zu. Der Präsident
erliest schließlich ein Telegramm, wonach der Ab⸗
Jeordnete Oberamtsrichter Baillant Vormittags
u Obermoschel aus dem Leben schied. Der
Hrasident widmet dem Verblichenen einen warmen
Kachruf.
Der Papft hat. wie dem Pariser Monde
elegraphirt wird, aus Anlaß des Regierungsjubi⸗
aums an Kaiser Wilhelm einen eigenhändigen Brief
erichtet, in dem er demselben seine Gluckwünsche
zutspricht und u. A. seine Hoffnung auf baldige,
ufriedenstellende Erledigung der schwebenden, reli⸗
ziösen Fragen ausdrücht und der Gerechtigkeit und
em Wohlwollen des Kaisers die Sache der katho⸗
ischen Misfionen in den Reichskolonien empfiehlt.
Ferner soll die Absendung eines Schreibens an
önig Ludwig von Bayern erfolgt sein, in welchem
nieser gebeten wird, sich beim Kaiser für die katho⸗
ichen Missionen zu verwenden.
Berlin, 8. Januar. Der „Reichs-Anzeiger“
heilt im nichtamtlichen Theil den lateinischen
Wortlaut des päpstlichen Schreibens an den Reichs⸗
anzler mit, welches zugleich mit dem Christusorden
dem Fürsten überreicht wurde. Dasselbe lautet in
der Uebersetzung wie folgt:
Leo P. P. entbietet dem ausgezeichneten Manne,
dem Fürsten Otto v. Bismarck, des deutschen
steiches großem Kanzler, Gruß. Nachdem wegen
zer Karolinen-Inseln auf den von Uns vorge⸗
chlagenen Bedingungen ein glückliches Einverständ⸗
nib erzielt ist, haben wir Sorge getragen, daß dem
;xhabenen Kaiser Deutschlands Mittheilung gemacht
wverde von Unserer großen Freude über das Ge⸗
lingen. Aber auch Dir, hochmächtiger Fürst, wollen
Wir von dieser Unserer freudigen Stimmung
enntniß geben, der Du, dem eigenen Urtheil und
der eigenen Eingebung folgend, den Anlaß gegeben
zaft, daß Uns jener Streitfall zur Schlichtung vor⸗
geschlagen wurde. Ja, Wir bekennen gern der
Wahrheit gemäß, daß, wenn es gelungen ist, die
nancherlei Schwierigkeiten bei dieser Aufgabe zu
iberwinden, dies zu einem großen Theile der Be—
zeitwilligkeit und dem Eifer zuzuschreiben ist, mit wel⸗
hem Du vom Anfang bis zum Ende unsere Be—
nühungen unterstützt hast. So bezeugen Wir Dir
msere dankbare Gesinnung dafür, daß wesentlich
uuf Deinen Rath hin Uns die hocherwünschte Ge⸗
egenheit geworden ist, im Dienste des Friedens
ein so wahrhaft edles Amt auszuüben, eine Auf-
zabe, die zwar nicht neu ist in der Geschichte des
wostolischen Stuhles, aber doch seit langer Zeit
ucht metzt begehrt worden war, obschon es kaum
was gibt, was der Natur und dem Wesen des
omischen Pontificats so trefflich entspricht. Du
iun bist Deinem Urtheil freimüthig gefolgt, und
ndem Du die Frage mehr nach ihrem wahren Wesen
ils nach der Meinung Anderer oder dem Her ⸗
ommen beurtheiltest. hast Du nicht im Mindesten
zezögert, Unserer Unparteilichkeit zu vertrauen, wo⸗
nei Dir die offene oder stillschweigende Zustimmung
aller unverfälscht Urtheilenden offenbar zur Seite
tand, mit besonderer Freude aber die der Katho—
iken auf dem ganzen Erdkreise, denen gewiß die
hrem Vater und Hirten erwiesene Ehre besondert
vohlgethan haben muß. Deine Staatsklugheit hat
a das Meisie beigetragen, um dem deutschen Reiche
ent gewaltige Große zu verschaffen, die Alle er⸗
ennen und anerkennen; jenes Reich aber — was
leichbedeutend ist — sieht dadurch für die Dauer
nit Macht und Kräften ausgerüstet. Deiner
Weisheit aber ist es keineswegs entgangen, welch'
roße Macht für die Unversehrtheit der öffentlichen
ARrdnung und der Staatswesen bei jener Gewalt
uht, welche von Uns ausgeübt wird, besonders
venn ihr, nach Hinwegräumung jedes Hindernisses,
zreiheit des Handelns gegeben. Möge es daher
jergoͤnnt sein, in Gedanken die Zukunft vorwegzu⸗
jehmen und aus dem Geschehenen Hoffnung zu
choͤpfen für das Uebrige. Damit Du inzwischen
on Uns selbst ein Gedenken sowohl Unserer That
ils Unseres Wunsches habest, ernennen Wir Dich
urch dieses Schreiden zum Ritter des Ordens des
xhristusdienstes (equitem ordinis militias Ohristi)
dessen Würdezeichen Wir zugleich mit diesem Schrei⸗
zen selber Dir überreichen lassen. Zum Schlufst
vünschen wir von Herzen Dir alles Gute.
Gegeben zu Rom bei St. Peter am 31. Dez
1885, Unseres Pontificats im 8. Jahre.
Eigenhändig: Leo P. P. XII.
Berlin, 9. Januar. Der Kaiser empfing
seute Mittag den General von Albedyll; Nachmit-
ags fand ein Diner mit den badenschen Herrschaften
ind Abends Thee bei der Großberzogin von Baden
att. — VDer französische Botschafter Baron de
Fourcel ist heute Mitiag nach Paris abgereist.
Berlin, 9. Januar.“ (Deutscher Reichstag.
deute“ fand die Berathung über die Nord-Oftsee⸗
danal⸗Vorlage statt. Staatssekretär v. Boͤtticher
rat lebhaft für die Vorlage ein. Der Hauptge⸗
ichtspunkt für die Resierung sei die Landesverthei ⸗
igung; die früheren Bedenken Moltke's seien heute
iicht mehr zutreffend; früher wollte man statt des
danalbaues eine Flottenvergrößerung, heute, wo
ie Flotte vergrößert sei, wäre der Kanalbau eine
Nothwendigleit. Die Vorlage wurde an eine Kom⸗
nission von 28 Mitgliedern verwiesen.
Auslaud.
Paris, 8. Januar. Der Kriegsminister er⸗
jeß solgenden Tagesbefehl an die Armee: Der
zrasident der Republik erwies mir die große Ehre,
nich ins Ministerium zu berufen. Ich naym den
duf mit Vertrauen an, in der Ueberzeugung, bei
llen Graden absolut die Unterftützung zu finden,
oelche auf den Gefühlen der Pflicht, dem Gehor⸗
mm und der Ergebenheit beruht, wovon die Armee
»viel Beweise gibt. Ich werde mit Energie den
on meinen Amtsvorgängern vorbezeichneten Weg
erfolgen, den Wez militärischer Renovation, den
vir seit 13 Jahren verfolgen. Es lebe Frankreich,
8 lebe die Republilk.
Paris, 8. Januar. Es verlautet, daß die
zroßmächte nunmehr ihren ganzen Einfluß ernst⸗
ich geltend machen werden, um Serbien und Bul-
sarien zur Abrüstung zu veranlassen, wenn auch
orläufig nur theilweise. wodurch die Friedensver⸗
andlungen nicht wenig erleichtert werden würden.
zis jetzt blieben bekanntlich beide Staaten nicht
ur nuter den Waffen, sondern rusten sogar —
amentlich Serbien — angestrengt für die Wieder-
ufnahme der Feindseliakeiten
Pokale und pfälzische Rachrichten.
X St. Ingbert, 11. Januar. Wie uns
von fundiger Seite mitgetheilt wird, hat die hiesige
Bergkapelle in dem am vorigen Sonntag
dattgefundenen Concerte nicht blos Alle befriedigt.
ondern durch ihr flottes, tactfestes Spiel allgemein
iberrascht. Wir wünschen dem jungen, strebsamen
Dirigenien, Herrn Kapellmeister Sn gel, zu diesem
xrstlingserfolg alles Glück und den Mufikern nach
jaltigen Eifer, auf der betretenen Vahn fortzufahrea.
*(Eingesandt.) Auch der „St. Ingberter
Anzeiger“ hat jüngst als Curissum von einem Ad-
uncten im Lauterthal berichtet, der das Schne e⸗
dallenwerfen auf den Ortsstraßen verboten
sJabe. Diesen vielbelachten Mann habe ich gestern
würdigen und schaätzen gelernt, als die Kohlenstraße
zu einem wahren Schlachtfeld geworden war, das
auch Unbetheiligte, bis zu den Kindern herab, nicht
unbehelligt betreten durften. Nimmt man dazu,
»aß außer dem genannten Unfug viele Straßen
durch Schlittenfahren der Kinder fast ungangbar
gemacht sind, so liegt gewiß der Gedanke nahe, daß
— jene Dorfgemeinde um ihren Adjuncten und
dessen guten Polizeistock zu beneiden ist.
* St. Ingbert, 11. Januar. Gestern hatte
derr Theodor Lamarche von St. Johann aS.
das Jagdglück einen starken, männlichen Wolf im
dleinblittersdorfer Walde zu erlegen.
Beraischtes.
FNeunkirchen, 10. Januar. Wie die
„Saar⸗ u. Blies⸗Ztg.“ vernimmt, fand geßern die
Berlobung von Fräulein Elisabeth Stumm,
Tochter des Herrn Geheimerath Stumm, mit Herrn
Braun, Premier⸗Leumnant im Westphälischen
Dragoner-Regiment Nr. 7, statt.
F Saarlouis, 8. Januar. Einem hier
n Garnison stehendenSoldaten ging gestern durch die
Post ein Brief aus dem Saarbrücker Kohlenrevier zu,
dessen Adresse folgende lustige poetische Aufschrift
trug:
Das ist ein Soldaienbrief von mir,
Er geht an einen lustigen Füstlier,
Der ist in Saarlouis, der großen Stadt bekannt,
Wo man ihn zur 10. Comp. ernannt;
Er steht beim 830. Regiment,
Wo man ihn A— Kenennt.
Ein Soldatenbrief kostet nichts,
Weil es eigene Angelegenheit des Empfängers ist
Absender: Rosina und Barbara.
Trier, 6. Januar. Der Schuhmacher
Sch. von hier machte vorgestern selbst Anzeige, daß
er im Jahre 1860 nach sechswöchentlicher Rekruten⸗
dienstzeit von der Fahne des 70. Infanterie⸗Regi⸗
nents geflüchtet sei. Ein vielbewegtes Leben hat
erx seitdem geführt. Als Fremdenlegionär diente
er fünf Jahre in Algier unter der französischen
Fahne. Die Wanderlust hatte ihn alsdann durch
ast alle Erdtheile getrieben. Als 46jähriger Mann
ehrte er, vom Heimweih übermannt, mit sonnver⸗
„ranntem Gesicht in die alte Heimath zurück, um
ich hier gleich nach seiner Ankunft der Militärbe⸗
joͤrde zu stellen. Gestern Nachmittag wurde er
zurch Soldaten zu seinem nach Diedenhofen verlegten
ilten Regiment gebracht, wo man ihm voraussicht-
ich den vor 25 Jahren eigenmächtig ausgezogenen
zunten Rock von Neuem anziehen wird, als ab—
chreckendes Beispiel für alle Heerespflichtigen, welche
zie Sehnsucht über die Landesgrenze in fremden
deeresdienst treibt.