ʒ»t. Jugbertet Anzeiget
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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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Dienstag, 80. März 1886.
21. Jahrg.
Deutiches Reich.
Berlin, 28. März. Die Annahme, daß der
deichskanzler persönlich Gelegenheit nehmen werde,
n Parlamentsstätte seine Stellung zu der Frage
z Branntweinmonopols und der dabei
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aulegen, hat sich in der heute begonnenen zweiten
Fung der Vorlage im Plenum des Reichstages
llinhaltlich, ja noch darüber hinaus verwirklicht.
as Erposs, welches Fürst Bismarck vor der in
utloser Stille seinen Ausführungen lauschenden
Fertretung des deutschen Volkes entwickelte, be⸗
grankte sich, dem Charakter des Redners entsprech⸗
id, nicht auf die Grenzen, innerhalb deren sich
pariamentarische Behandlung der Monopol⸗
ingelegenheit seither bewegt hatte, sondern erwei⸗
ate sich zu einem Gesammtbilde der wirthschaft⸗
chen und politischen Situation, das der Reichs
mzler unter Zuhilfenahme der vollen Gewalt seines
aatsmännischen Urtheils dem Reichstage anschau⸗
ch zu machen sich bestrebte. Indem der Fürst
aß Verhalten der Reichstagsmehrheit dem Monopol
egenüber an der Hand der allbekannten Thatsachen
ner gebotenen Kritik unterzog, schöpfte er aus der
rulle seines glüßenden Patriotismus das Material
den überzeugendsten Argumenten, welche dem
anntweinmonopol das Wort reden müssen bei
dem, der nicht ganz und gar in dem Sumpfe
tiöser Opposition untergegangen ist, und bewies
igleich, daß er selber nach wie vor auf dem
5andpunkte steht: nur das Branntweinmonopol
rfüllte in wünschenswerthem Maße diejenigen Be⸗
ingungen, unter welchen die Steuerkraft des Rolkes
um Wohle der Allgemeinheit ausgiebiger und im
zinne ausgleichender Gerechtigkeit herangezogen
oerden könne. Und indem nun der Reichskanzler,
nit Festhaltung des Ausgangspunktes seiner Rede,
ie Schranken der Kritik und Polemik durchbrechend,
„inen Gedankenflug auf allgemeine politische Bahnen
enlte, draͤngte sich seinen Zuhörern mit gleichsam
lementarer Gewalt die Erkennatniß der breiten
kluft auf, welche zwischen dem Staatsmanne besteht,
ser die Festigung des deutschen Reichs als seine
usschließliche Aufgabe kennt, und den Führern
er Opposition, dem Abgeordneten Windthorst, wie
einem gelehrigen Schüler Eugen Richter. Wohl
ind des Reiches Grundlagen meisterlich gelegt, wohl
st der auf ihnen sich erhebende Bau sorgsam ge⸗
ügt; aber es gilt noch, durch Herbeischaffung des
indenden Kittes die Festigkeit der Reichsinstitu⸗
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u halten vermögen, die der ahnende Blick des
ieis im Geiste wider das Reich heranbrausen
ieht.
Nur kurze Zeit verweilte der Reichskanzler bei
er Thätigkeit, die Herr Eugen Richter in der
RPonopolagitation entwickelt hatte; die wenigen
Worte aber genügten, um den Mann zu charak .
erisieren, der zu den ärgsten Mitteln der Agitation
icht nur, sondern der Verdächtigung greift, um
ich in seiner Rolle als Volkstribun zu erhalten
ind um seinem Blatte Abonnenten zu verschaffen.
die Verdächtigung, der Reichstanzler verfolge eigene
gInteressen mit dem Monopol, fand ihre Widerleg⸗
ing wie nicht minder die Verdächtigung, Fürsi
zismarck plane einen Staatsstreich. „Ich habe
eine Neigung, Hand an ein Werk zu legen, das
h selbst mit habe schaffen helfen“ — diese Worte
jarakterisieren die Unwahrheit und Unlauterkeit der
ichter'jchen Mache mehr als alles andere. Sie
langen aus dem Herzen und man merkte es dem«
sedner an, wie tief berührt er war von der Sorge
um dieses Werk, von der Sorge um den Bestand
dieses Werkes. Das Bild der Zukbunft, welches
der Reichskanzler entwarf, müßte jedem Patrioten
ins Herz fassen, säßen Männer auf den Bänken
der Linken des Reichstages. denen das Wohl des
deutschen Volkezs, denen der Bestand des Reiches
im Herzen liegt. Mögen auch jene Parteien, die.
ei es aus „Angst vor dem Schankwirth“, sei es,
veil sie sich ihr eigenes Rezept im beschränkten
Hesichtskreise zurecht gelegt, gegen das Monopol
ich erklärt haben, der Ermahnungen gedenken. die
zer Reichskanzler heute an sie gerichtet hat. Nicht
mmer deckt sich das Interesse des Reichs, die
Zicherung der Zukunft unseres wahrlich schwer
jenug errungenen Einheitsstaates, mit dem Interesse
er Hartei. Ein Eugen Richter lebit im vollsten
Zinne des Wortes von der Opposition, ein Windt⸗
jorst hat Interessen zu wahren, die dem Reiche
der Hohenzollern sters feindlich gegenüber stehen
werden — an sie sind die Worie des Kanzlers
nicht gerichtet; wohl aber an jene Männer, die ehrlich
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nicht als Gegner, sondern als Foͤrderer der heute
aufs neue so tief ergreifend dargelegten Bestreb⸗
ingen des Fürsten Bismarck.
Berlin, 28. März. Fürst Bismarck
zewegte sich bei seiner Anwesenheit im Herrenhause
n ungezwungener geselliger Weise unter den in
ebhaflem Gespräche befindlichen Mitgliedern im
Zaale und unterhielt fich u. a. namentlich auch
nit dem Bischof Kopp. Es war eigentlich auf
Jas Erscheinen des Herrn Bischofs nicht gerechnet
worden; aber aus der Thatsache seiner Anwesenheit
ind des herzlichen Verkehrs mit dem Herrn Mi—
nisterpräsidenten wird von einflußreicher Seite der
—chluß gezogen, daß die kirchenpolitische Situation
ich seit gestern gebessert nnd die Moͤglichkeit einer
Berständigung neuen Boden gewonnen habe. —
Spaͤter erschien der Herr Reichskanzler im Reichstage.
Berlin, 29. März. (Rreichstag.) Der Ge—
etzentwurf betreffend die Verleihung von Korpo.
alionsrechten an die Innungsverbände wurde nach
venig erheblicher Debatte in zweiter Lesung nach
er Regierungsvorlage genehmigt. Morgen: So⸗
ialistengesetz.
die Ansicht vor, Rußland werde, zumal bei der
deitung der englischen Politik durch Gladstone,
keinerlei Weichheit zeigen.
Charleroi, 29. März. In Rour zogen
gestern Mittag etwa 200 bis 300 Aufrührer nach
iner kleinern Glasblaserei, die von einer Kompagnie
Fußsoldaten besetzt war, und wollten Arbeiter zum
jeiern zwingen. Der Offizier forderte die Andrän⸗
enden vergeblich auf, sich zu entfernen. Nun
tellten sich die Soldaten gegen eine Mauer und
egten an. Darauf drangen die Meuterer gegen
sie vor und die Soldaten gaben Feuer, den An⸗
greifern beinahe auf die Brust. Zehn Arbeiter
ielen auf der Stelle todt hin, andre liegen ver⸗
vundet.
Charleroi, 29. März. In Barges hat
ein blutiger Zusammenstoß zwischen Gendarmerie
und Aufrührern stattgefunden.
London, 28. März. Zwischen dem aus⸗
värtigen Amt und dem diesseitigen Gefandten in
Bricchenland findet gegenwärtig wieder ein sehr
ebhafter Depeschenaustausch statt. Die englische
Regierung setzt ihre Bemühungen, Griechenland von
einer Aktion zurückzuhalten, energisch fort.
London, 29. März. Laut einer Meldung
der „Times“ aus Meshed sind die Arbeiten der
afghanischen Grenzkommission ins Stocken gerathen,
veil der russische Kommissär unerwartet Forder⸗
ungen stellte, welche der britische Kommifsär anzu—
nehmen sich weigerte. Die Streitfrage wird den
heiderseitigen Regierungen unterbreitet.
Lokale und pfalzische Nachrichten.
* St. Ingbert, 30. März. Die gestern
Abend im Gasthause zur Post stattgehabte Genes
ralversammlung des Vorschußvereins
var verhältnißmäßig nur schwach besucht. Nach⸗
dem der Vorsitzende des Aufsichtsrathes, Herr J.
B. Martin, dieselbe eröffnet, ersduterte zunächst
»er Kassier Herr J. Beer den ausgegebenen
chriftlichen Geschäftsbericht, aus dem wir die wich⸗
igsten Posten schon in Nr. 61 ds. Bl. veröffent⸗
icht haben. Im Anschlusse hieran genehmigte die
Beneralversammlung die vom Aufsichtsrathe ge⸗
nachten Vorschläge bezüglich der Vertheilung des
steingewinnes. Hierauf wurde zur Neuwahl des
Horstandes geschritten. Auch bezüglich dieses Punktes
vurden die Vorschläge des Aufsichtsrathes acceptirt
und gewählt als Kassierer Herr Joseph Beer,
als Direktor Herr Posthalter Conrad, als
tellvertretender Direktor Herr J. J.
Brewenig, als Controhleur Herr Buch—
jolter Wilheln Schmelzer. Wiedergewählt
vurden in den Aufsichtsrath die drei ausgeloosten
Mitglieder desselben, die Herren Direktor Fiack,
daufmann Fischer und Michel Thiery. In
die Prüfungskommission für die nächsten 2 Bilanzen
ind gewählt die Herren Buchhalter Brünnion
und Kaufmann Adolf Beer.
* In Nr. 57 unseres Blattes brachten wir nach
der „N. B. Z.“ eine Notiz betreffs der Verurthei
ung der Bierbrauer Gebr. Bart in Dürkheim.
Zur Richtigstellung derselben wurde darauf dem
jenannten Blatte die nachstebende Mittheilung ge⸗
nacht: Dürkheim, 21. Marz. Entgegen der
Meldung, wonach die Hetren Gebrüder Bart in
etzter Schöffengerichtssitzung dahier wegen Ver—⸗
vendung von Couleur, Salicyl u. s. w. verurtheilt
vurden, sei mitgetheilt, daß nach dem Resultat des
»auptverhörs im August 1884 ein Braubursche,
inziger Zeuge bei der Verhandlung, ohne Wissen
—
Ausssland.
St. Petersburg, 28. März. Das Aus⸗
leiben offizieller Depeschen aus Sofia über die
holtung des Fürsten Alexander gegenüber Rußlands
„tellung zur endgiltigen Regelung der ostrumeli⸗
hen Frage beunruhigt das Publikum und die
zresse, zumal in diplomatischen Kreisen Gerüchte
iber den großbulgcerischen Königsgedanken des
zürsten Alexander kursiren. Die meisten Zeitungen
eitartikeln hierüber und prophezeien dem Fürsten
in Fiasko. Einzelne Blätter halten diesen neuen
Ilan allerdings in dem Falle far durchführbar,
saß die westliche Diplomatie den Battenberger
nlerstütze; natürlich behauptet die hiesige Presse,
aß das bulgarische Volk immer energischer auf
nen Wiederanschluß an Rußland dränge. Der
Swet“ ist der Ansicht, die Verwirklichung der
Hünsche des Fürsten Alexander würde einen guten
zrund für eine Okkupation Bulgariens durch Ruß⸗
ind abgeben, andererfeits würde ein solcher Ge⸗
baltakt an und für sich zur Stärkung der slavischen
Welt beitragen. In unterrichteten Kreisen herrscht