Full text: St. Ingberter Anzeiger

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t. Ingherter Amzeiger 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
—* St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wbchentlich fuufmal: AUm Montag, Dieustag, Donnerstag, Tamstag und Sonutag; 2mal wöoͤchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
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Samstag, 3. April 1886. 
Aa. Jahrg. 
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Bestellungen 
auf den F 
„St. Ingberter Anzeiger“ 
für das 
II. Quartal 1886. 
ehmen fortwährend an: die Poltanstalten, die 
hostboten, die Umträger und 
Die Exne⸗difion. 
Deutsches Weich. 
München, 1. April. Der Finanzausschuß 
enehmigte in gestriger Abendsitzung den Staats- 
aijchuß von 10.000 Mt. für das Gymnasium 
uNeustadt a. H. mit sechs Stimmen der 
dichte. Dagegen sprachen Referent Daller und 
deßler, dafür der Kultusminister, Frankenburger, 
zuthardt, Rittler und Krämer. Der Kultusminister 
rklärte ferner, die In dustrieschule Kasi⸗ 
erblautern könne ohne Schädigung aufge⸗ 
oben werden. 
Augsburg, 81. März. Eine röͤmische De⸗ 
esche der „Postzeitung“ meldet das positiv erfolgte 
zinverständniß zwischen dem Papst und der preußi⸗ 
hen Regierung. 
Berlin, 30. März. Der Abgeordnete Knebel, 
ateistützt von Mitgliedern der nationalliberalen 
rraktion, hat folgenden Antrag im Abgeordneten⸗ 
ause eingebracht: „Das Haus der Abgeordneten 
zolle beschließen: Die Staatsregierung zu ersuchen, 
Naßregeln in Erwägung zu nehmen, um der Aus⸗ 
eutung und Uebervortheilung entgegenzuwirken, 
velcher die wirihschaftiich schwächeren Bevölkerungs- 
lassen, namentlich auf dem Lande, bei Geld⸗ und 
zreditgeschaften sowie bei dem Handel mit Grund⸗ 
rücken und mit Vieh vielfach verfallen.“Zur Er⸗ 
auterung heißt es: Vorbehaltlich der Begründung 
es vorstehenden Antrages ist besonders herborzuheben, 
aß der Wucher nicht beseitigt werden kann, so 
ange die geringer bemittelte Bevölkerung gezwungen 
it, die Befriedigung ihres Creditbedürfnisses bei 
zrivatleuten zu suchen. Es ist daher unerläßlich, 
aß Kassen geschaffen werden, die bestimmt und 
eeignet sind, den kleineren Leuten Geld zu Be⸗ 
ingungen zu gewähren, welche über den landes⸗ 
blichen Zinsfuß nicht hinausgehen und die Ab⸗ 
tagung der Schuld so weit als nur möglich 
egünstigen. Das Ziel der allgemeinen Einführung 
olcher Cassen würde am leichtesten und wirksamsten 
treicht werden, wenn die bestehenden Kreissparkassen 
mer Reorganisation unterzogen würden, welche sie 
cfahigt, einer solchen Aufgabe gerecht zu werden. 
luf dieser Anschauung beruhen die beigefügten, zu 
mem Entwurfe für Satzuugen und einer Anweisung 
usammengestellten Vorschläge zur Umgestaltung der 
reissparkassen. 
Berlin, 31. März. Herr v. Schlözer, der 
reußische Gesandte am Vatican, ist aus Rom hier⸗ 
er berufen worden. 
Berlin, 81. März. Der Reichsstag nahm 
sad Sozialistengesetz mit dem Hertling'schen Amen⸗ 
ement (zweijährige Verlängerung) mit 173 gegen 
46 Summen an. 
Berlin, 31. März. Die ursprünglich für 
sreitag angesetzte Plenarfitzung des Herren« 
auses über die kirchenpolitische Vorlage findet, 
sie es heißt auf höheren Wunsch, an diesem Tage 
nicht statt, sondern frühestens in der nächsten 
Oche 
Berlinu, 1. April. Die neue Brauntwein⸗ 
teuer⸗Vorlage dürfte schon ziemlich weit gefördert 
ein, denn es verlautet mit Bestimmtheit, dieselbe 
verde dem Reichstage noch vor den Ofterferien 
ugehen. 
Berlin, 1. April. Der Kaiser, der Kron⸗ 
xrinz, Prinz Wilhelm und Prinz Georg statteten 
em Fürsten Bissmarck anläßlich seines heutigen 
geburtstages persönlich Gratulationsbesuche ab. 
Berlin, 1. April. Herr v. Schloͤzer 
rifft heute von Rom in Berlin ein, um neue In⸗ 
truktionen für die Verhandlungen über die Anzeige⸗ 
fflicht zu empfangen. General v. d. Smissen 
jat sein Hauptquartier nach Mons verlegt. Der 
elgische Handelsminister befindet sich ebendaselbst. 
Auslaud. 
Bruͤfsel, 20. Marz. Die sozialistische Partei 
zat ein Manifest maßloser Angriffe gegen die Re⸗ 
ierung erlassen, welche beschuldigt wird, die Ar⸗ 
eiter wie Schlachtthiere zum Kanonenfutter gemacht 
u haben. 
Brüfsel, 31. März. Bei Manage ist ein 
ztreile in den Steinbrüchen ausgebrochen. Ein 
Neeting der Arlleitervereine in Gent tadelte die 
Irdnungsstörung und empfahl Ruhe und Bestehen 
uf dem Verlangen nach sozialen Reformen. Die 
Ztreikes in den Steinbrüchen sind beinahe beendigt. 
Fin großer Streike droht in den großen Bergwerken 
yon Mariemont. 
Charleroi, 831. März. Die Nacht ist ruhig 
erlaufen. 1600 Arbeiter sind zur Arbeit zurück⸗ 
gekehrt; dagegen haben 1100 andere heute zu 
eiern begonnen. Die Nachrichten, welche die 
liegenden Kavallerie ⸗ Abtheilungen aus der Umgegend 
xingen, lauten ungemein günstig. In Wasmes 
urchtete man, daß heute fruͤh 3 Uhr bei Aufnahme 
er Tagesarbeit ein neuer Strike ausbrechen möchte; 
doch ist nichts dergleichen vorgekommen. Die 
gestrige Havas-Meldung über einen Angriff auf 
Jas Kohlenbergwerk Mariemont ist falsch. In 
Fuesmes im Borinage wurde gestern ein Deutscher 
verhaftet, der dazu aufgefordert hatte, die dortige 
ßlashütte zu zerstören. — General van der 
Smissen trifft heute Nachmittag 5 Uhr hier ein. 
Touruai, 31. März. Die Arbeit in den 
imliegenden Fabriken ist fast überall eingeflellt. 
Die Streikenden, welche in Calonne zu einer Be⸗ 
rathung zusammengetreten waren, nahmen bald 
eine drohende Haltung an; sie zerstörten die Tele⸗ 
phonverbindung zwischen Crevecoeur und Allain, 
etzten sich in der Stärke von 800 Mann nach 
Barges in Bewegung und verübten auf dem Wege 
ahlreiche Zerstörungen von Eigenthum. 
Paris, 30. März. Die Budgetkommission 
ntschied sich mit 20 gegen 10 Stimmen für die 
Anleihe und verwarf die seitens der Regierung be—⸗ 
mtragte Ziffer von 1466 Millionen mit 18 gegen 
3 Stimmen. Wilson beantragt 1000 Millionen 
Dder Antrag wird verworfen mit 16gegen 15 Stimmen. 
Indrieur beantragt 900 Millionen. Dieser Antrag 
vird angenommen mit 18 gegen 11 Stimmen. Die 
ttegierung acceptirt die Ziffer der Kommission. Die 
dammer nimmt das Gesetz betreffend Freiheit der 
gestattung an, die Erlaubniß der Rerbrennung 
sinzufügend. 
In Paris hatte sich am Dienstag Abend vor 
sem Saale Rivoli, wo bekanntlich die in so sen— 
ationeller Weise angekündigte Versammlung der 
»elgischen Revolutionädre abgehalten 
werden sollte, eine große Menschenmenge angesam⸗ 
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melt. Als gegen 8 Uhr durch Maueranschlag an⸗ 
jekündigt wurde, daß die Versammlung des poli⸗ 
eilichen Verbotes wegen nicht stattfinden werde, 
»rach der „Koln. Zig.“ zufolge die Menge in 
deulen und Toben und in die Rufe aus: „Nieder 
mit dem König! Nieder mit Leopold! Es lebe 
die soziale Republik!“ Die Polizei nahm mehrere 
jest, darunter die Hauptanführer Moreau, Flament 
ind Brentet. Bis spat am Abend hielt eine er⸗ 
cegte Menge die Straße St. Antoine besetzt. Alle 
ꝛdäden wurden geschlossen. Eine Anzahi Belgier 
yegab sich zur belgischen Gesandtschaft wurde aͤber 
daselbst nicht vorgelafsen. Alsbald wurden wieder 
stufe laut: „Nieder mit Leopold! Es lebe die 
illgemeine Republik!“ Der Minister des Innern 
empfing heute Vormittag den belgischen Gesandten. 
Fs wird versichert, daß schon heute alle belgischen 
Anarchisten, die als solche bekannt find, ausgewiesen 
verden sollen. Unter den Ruheftörern von vor— 
zestern Abend befanden sich viele Russen und Eng⸗ 
ander, auch einige Deutsche, die auf deutsch schrien: 
„Nieder mit Leopold!“ Ein deutscher Tischler, 
Pamens Schmitt, wurde wegen Beleidigung der 
Polizisten verhaftet. 
Varis, 81. Marz. Infolge des allgemeinen 
Streikes in Decazeville wird die Ausdehnung des 
Streiles auf Cranzac und das Kohlenbecken im 
Departement Gard befürchtet. Da einige der Ban— 
den der belgischen Streikenden sich der Grenze 
nähern, wurden sofort Maßnahmen getroffen, um 
allen Eventualitäten zu begegnen. Üünter anderen 
wurden Truppen requiriert, die Zolllinien zu ver⸗ 
stäkken. Das Departement Nord ist vollkommen 
ruhig. 
London, 31. März. Die Großmächte haben 
dem Fürsten von Bulgarien Mittheilung zugehen 
jassen, daß sie seine Ansprüche einmüthig verwetfen. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— Zweibrücken, 30. Maͤrz. Wie sich 
insere Leser noch erinnern werden, brachten wir 
ieser Tage unter „Vermischtes“ eine Notiz, nach 
velcher in Amerika eine junge Dame zu verheirathen 
ei, welche außer einem großen Vermogen auch noch 
zroße Füße besitze. Es war daran die Bemerkung 
jeknüpft, ob sich wohl ein Mann finden werde, der 
inter letzterem Umstande die junge Lady in den 
Hdafen der Ehe rudern würde. vas für manchen 
artgesottenen Junggesellen unbegreifliche ward Er⸗ 
igniß, denn das ewig, hier so kostbar weibliche 
og wieder hinan. Gestern Mittag meldeie sich in 
er Gestalt eines ftattlichen Land⸗Jünglings aus 
»em Bezirk Zweibrücken auf unserer Expedition der 
Ritter, welcher das Dornröschen Miß Dora aus 
einem Ausstellungspalast erretten will! Es hatte 
ich die süße Mitgift der Nächstenliebe nun einmal 
in sein Herz gestohlen, er ist bereit, mit Miß Dora 
nuf — großem Fuß zu leben. Das alles hat er 
uns in kurzen Worten gesagt, sein Herz ausschüttend 
nit der ernsten Frage: „Wohin soll ich mich 
wenden ?“ und wir antworteten ihm, bon dem Ernst 
des Augenblicks erfüllt: „An den Unternehmer, an 
den Unternehmer!“ Möge es dem unternehmenden 
Jüngling des Westrichs gelingen, Miß Dora dauernd 
für sich zu gewinnen, für ihre Standhaftigkeit braucht 
er dann keine Sorge zu tragen. (Zw. Zig.) 
— Zweibrücken, 1. April. die mehrer⸗ 
vaͤhnte Beschwerdesache des Herrn Kaufmannes 
Nathan Oskar Stern von hier, dem der Auf. 
nthalt in Bayern verboten und die Wiederguf.