Full text: St. Ingberter Anzeiger

die griechische Regierung sich nicht damit begnüge, 
den Termin für die Abrüstung festzusetzen, sondern 
nuch, daß die Abrüstung sich unter Bedingungen 
vollziehe, welche Europa gegen die Rückkehr krieger⸗ 
scher Velleitäten sicher stellen und der Pforte ge⸗ 
iatten. den Effektivbestand ihrer Arme zu vermindern. 
New⸗York, 30. April. Die Jury verwei⸗ 
gerte die Bestätigung der gestern wegen Aufreizung 
zu Gewaltakten erfoigten Verhaftung des bekannten 
ozialistischen Agitators Johann Most, weil diese 
Verhaftung nach der Ansicht der Jury nur zur 
Folge haben würde, daß aus dem sozialistischen 
Schriftsteller ein „Martyrer“ würde. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— Diejenigen Gemeinden, welche aus den 
Mitieln der pfälzischen Immobiliarbrandversicherungs⸗ 
anstalt Unterstüßung für Feuerlösch⸗ 
zwecke zu erhalten wünschen, haben ihre Gesuche 
hbis zum 1. Juni ds. Is. bei den betreffenden 
igl. Bezirksämtern einzureichen. 
— GMititaärdienstder Lehrer.) Nach 
einer an die Inspektionen der bayerischen Schul⸗ 
lehrerseminare eigangenen, den ersten Theil der 
Wehrordnung ergänzenden Eutschlietzung des kgl. 
Staatsministeriums für Kirchen- und Schulange⸗ 
legenheiten sind künftighin den Schulseminaristen 
nach Erstehung der Austritisprüfung auch besondere 
Reifezeugnisse für den Einjährig⸗Freiwilligendienst 
auszustelien. Die Bestimmung des 8 9 der Wehr- 
ordnung, wonach Volksschullehrter und Kandidaten 
des Volksschulamtes nach kürzerer Einübung in den 
Waffen zur Reserve beurlaubt werden koͤnnen, werden 
hierdurch selbstverständlich nicht berührt. 
— (Aus dem Jahresberichte desk. 
Fabrikinspektors der Pfal z) Dem Er— 
scheinen des Jahresberichtes der bayer. Fabrikin⸗ 
peftoren wird alljährlich mit Interesse entgegenge⸗ 
jehen, da derselbe ein sachkundiges und unparteiisches 
Paterial zur Beurtheilung der Lage der Industrie 
in Bayern liefert. 
Der Jahresbericht des Fabrikinspektors für die 
Pfalz konstatirt in Bezug auf die Industrie der 
ppfalz die erfreuliche Thatsache, daß die Leinen⸗ 
zwirnerei, deren vollständiges Erlöschen durch Ein⸗ 
ttellung des letzten Betriebes im Jahresbericht 1882 
derichtet worden, in den letzten Monaten des ver⸗ 
Jossenen Jahres 1885 wieder aufzuleben begonnen 
Jat. Die seit einerReihe von Jahren stillliegende größte 
Fabrik in diesem Industriezweige, in welcher früher 
nehrere 100 Arbeiter beschäftigt worden sein sollen, 
st von einer Gesellschaft belgischer Spinnereibesitzer 
zu einem verhältnißmäßig geringen Preis angekauft 
und wieder in Betriebe gesetzt worden. 
Als Grund für diese neuerdings möglich ge- 
wordene Anfertigung von Leinenzwirn wird die 
Erhöhung der deutschen Zollsätze angegeben. Auch 
in einem anderen Zweig der Texrtilindustrie ist der 
NReubau eines Etablissemenis entstanden, welches 
m Laufe des gegenwärtigen Jahres seinen Betrieb 
beginnen wird. Es ist dies eine Baumwollspinnerei 
ür so feine Garnnummern, wie sie bisher in 
Deutschland nicht gesponnen worden sein sollen. 
Die Entstehung dieser Fabrik wird gleicher Weise 
den veränderten Zollverhältnissen zugeschrieben und 
der Begründer derselben ist ebenfalls ein Ausländer, 
ein Schweizer. 
Bezüglich der Handhabung der gesetzlichen Be⸗ 
dimmungen in Ansehung der jugendlichen Arbeiter 
iußert der Fabrikinspektor, daß die Bestimmung 
des 14. Lebensjahres als Grenze für die Arbeits⸗ 
dauer von 6 Stunden, resp. 10 Stunden sowohl 
yon den Arbeitgebern als auch insbesondere von 
den Arbeitern drückend empfunden werde. Ueb⸗ 
— 
velche Grund zu dieser Mißstimmung gebe, son⸗ 
dern die Thatsache, daß bei der in Bayern einge- 
führten fiebenjährigen Schuldauer die Kinder mit 
13 oder 1893 Jahren aus der Schule kommen, 
iber nur in wenigen Fällen zur Beschäftigung in 
Fabriken angenommen werden, da sie nur 6 Stun⸗ 
den arbeiten dürfen, Arbeitgeber, wie Arbeitnehmer, 
gerne auf jede Beschäftigung eines volksschulpflich- 
igen Kindes ganz verzichten, wenn nach dem nor⸗ 
nalen Verlassen der Schule und nicht erst beim 
Fintritt des 14. Lebensjahres die zehnstündige Ar⸗ 
geitszeit gestattet waäre. 
— Aus der Pfalz. In den Kreisen der 
dandwirthe wird gegenwärtig am häufigsten die 
Frage besprochen: Was fange ich mit meinen 
darioffeln an? Moahl nvaoch selten mag das Anqe⸗ 
dot die Nachfrage so überstiegen haben wie jeh. 
Zu einer Mark der Zentner gute Speisekarioffel 
iind ausgeschrieben. Wohl kein Prodult ändert so 
den Preis als die Kartoffel von 4 Ml. der Zent— 
ner vor 2 Jahren, heute 1. Mt. Wenn auch ver⸗ 
chiedene Verhaltnisse darauf einwirken, die Preis⸗ 
chwankung hervorzurufen, die Hauptursache ist, 
daß bisher keine Form gefunden war, die Kartoffel 
als Konserve zu verwerthen. In neuester Zeit 
zelang dieses einem Herrn Krückner in Klausmühle 
dei Meißen, der sich sein Verfahren hat patentiren 
assen. Nach Mittheilung in der Zeitschrift, Neueste 
xrfindungen und Erfahrungen“ werden die Kar⸗ 
zoffeln geschält, in Scheiben von 557 mm Dicke 
Jeschnitten, diese auf ein weitmaschiges Sieb ge⸗ 
chüttet und mit diesem 4 Minuten in siedendes 
Wasser getaucht, hierauf sofort auf Darrhorden ge 
»racht, auf welchen sie 192 —-2 Stunden einem 
Jeißen Luftstrom von 90 —- 1000 0. ausgesetzt 
leiben. Die Scheiben, welche ihre gelblich weiße 
Farbe behalten, verlieren ungefähr 6590 an Ge— 
vicht und 50 an Größe. Werden diese Scheiben 
zu Speisen verwendet, so braucht man sie nur em⸗ 
'ach aufzukochen, um Suppe, Gemüse oder Mus 
jerzustellen. Sie sollen frischen Kartoffeln gleich 
m Geschmack sein. Voraussichtlich hat die Erfind⸗ 
ing große Zukunft, denn zur Verproviantirung der 
Städte und Schiffe, zur Ausfuhr in überseeische 
dänder u. a. m. ist die Kartoffel eigentlich nur in 
ieser Form verwendbar. Mögen unsere Landwirthe 
recht bald den praktischen Werth der Erfindung 
ennen lernen. 
— Ensheim, 27. April. Die Unglücksfälle 
zäufen sich in hiesiger Gemeinde. Vor Kurzem 
berbrannte sich an heißem Kaffee ein Kind so, daß 
es starb; ein anderes fiel, wie schon berichtet, in 
lochendes Wasser; ein Bursche wurde geschossen und 
st noch nicht arbeitsfähig; ein junger Mann fiel 
hom Gerüste, kann aber nun wieder arbeiten. Wäh⸗ 
tend in voriger Woche ein Knabe überfahren wurde, 
ohne beschädigt zu werden, geriethen gestern zwei 
xnaben unter Pferd und Wagen. Das Pferd 
vurde scheu, sprang von der Straße ab und über⸗ 
uhr die zwei spielenden Kinder. Der hinzugekom⸗ 
nene Arzt verband dieselben. Wie ich höre, find 
ie an den Beinen erheblich verletzt. Schließlich 
väre noch zu berichten von einem Knaben, der mit 
Zulver ein Spautzmännchen machen wollte. Der 
janze Vorrath an Pulver entzündete sich und der 
zZube, der heuer zur ersten hl. Kummunion gehen 
vollte, verbrannte sich so, daß man für seine Augen 
ürchtet. Pf. Vol.) 
— Kusel, 2. Mai. Sicherm Vernehmen 
zach wird Hr. Notar Pas qua y dahier demnächst 
ein Notariat niederlegen, um sein Alter in wohl⸗ 
zerdienter Ruhe zu verbringen. 
— Die Tournüre als Lebensretterin. Am 
rsten Osterfeiertag wollte sich — wohl aus ver⸗ 
weifelter Liebe — ein Fräulein im Badeweiher 
u Kaiserslautern ertränken, konnte jedoch 
en gewünschten Tod nicht finden, da der als 
Tournüre dienende Gummiball sie nicht unter⸗ 
gehen ließ. 
— Mutterstadt, 30. April. Seitens der 
jiesigen Gemeinde sind Schritte geschehen, um die 
Finführung eines Gerichtstages, ähnlich wie in 
Böllheim und Hornbach, zu erwirken. Dem Ver⸗ 
ijehmen nach sollen sich die einschlägigen Behörden, 
ei denen Vertreter der Gemeinde deshalb vorstellig 
varen, dieser Angelegenheit gegenüber sehr günstig 
ind wohlwollend geäußert haben. Es ist darum 
jegründete Aussicht vorhanden, daß dieser Bitte 
villfahrt wird. (Frkth. 3.) 
WVermischtes. 
Die Erscheinung zweier großer Komeren 
ür Anfang und Mitte Mai wird sich nicht bestä⸗ 
igen. Die in den letzten Tagen beobachteten 
helligkeiten der nach ihren Entdeckern Fabry und 
gzarnard benannten Kometen sind weit hinter der 
erechneten Helligkeit zurückgeblieben. Thesreitisch 
ergrößert sich die Helle eines Gestirns, dem Qua⸗ 
rate seiner Entfernung von Sonne uünd Erde ent⸗ 
prechend, und würde demnach die Helle der beiden 
dometen die 460-. und 380fache ihrer Entdeckung 
m Maximum jetzt erreichen. Doch scheinen den 
AIstronomen zur Zeit noch unbekannte Einflüsse die 
5Ntwickelung und das Aussehen dieser sporadisch 
mnftauchenden Fremdlinge in unserm Sonnensystem 
u bewirken. Vermuthlich wird das Spektroskop in 
erhindung mit den neuen mächtigen Teleskopen 
die Ursache dieser Anomalien aufdecken. Im ge 
vaärtigen Falle haben übrigens noch andere üne 
nitgewirkf. um die anfänglich vorausgesagle hehe 
eitsentwickelung der beiden Kometen auf ein ꝑ 
cheidenes Maß zuruckzuführen. Aus nur kurje 
unfassenden Beobachtungen hatten nämlich —* 
Astronomen die Orte der beiden Kometen fut * 
ang Mai vorausberechnet, während später —8* 
Orfsbestimmungen der Gestirne diese technunge 
bestätigten. Außerdem beeintröchtigt die jetzige hel 
Abenddämmerung die frühe Betrachtung des , 
dometen Fabry. der sich zweifellos in einer vͤne 
nacht auf dem dunklen Himmelsgrunde augenfall— 
abheben würde, da er zur Zeit die Helle n 
Sterns zweiter bis dritter Größe erreicht hat. 
MalstattBurbach, 3. Mai. Ertrunken 
Im hiesigen Hafen ertrank in der Nacht vom Freite 
2——* — — reitag 
auf Samstag ein braver und tüchtiger franzoͤsische 
Schiffer aus der Gegend bei Nancy. Derselbe am 
gegen 12 Uhr von St. Johann zurück und wolls 
iich auf sein Schiff, das vom Ufer aus in der 
Reihe lag, begeben. Jedenfalls kippte eines de 
von Schiff zu Schiff fuhrenden Laufbretter, der 
Schiffer, ein vorzüglicher Schwimmer, beschädigte i 
vährend des Falles sehr wahrscheinlich am Kopfe 
vodurch er das Bemußtsein verlor und daduig 
ofort untersank und ertrank. Denn bei Bewußl 
sein hätte er sich sehr leicht retten können. Am 
andern Morgen fand man den Verunglückten neben 
dem Schiffe todt im Wassser treiben. 
4Am diesjährigen allgemeinen Bußß- und 
Bettage (im Volksmund: der kalte Mitwoch 
den 19. Mai, soll nach einem Ausschreiben des 
evangelischen Ober-Kirchenraths in sämmtlichen 
Zirchen der preußischen Landeskirche eine Collekte 
zum Besten der deutschen evangelischen Gemeinden 
des Auslandes eingesammelt werden. Durch diese 
Tollekte sollen alle deutschen ebangelischen Landes⸗ 
kirchen in den Stand gesetzt werden, sich der kirch 
ichen Nothstände unter den ausgewanderten eban⸗ 
zelischen Deutschen anzunehmen, was bisher in 
zrößerem Umfange nur von der preußischen Landes— 
irche geschehen ist. Mit der letzten fiehen 40 
hemeinden des Auslandes in mehr oder weniger 
engen Beziehungen, nämlich 11 in Südamerika 
3 im Orient, 9 in Rumänien und Serbien, J in 
Italien, Schweiz und Portugal, 6 in England und 
den Niederlanden. Die Mehrzahl dieser Ge— 
meinden ist bei aller Opferwilligkeit ihrer Mitglleder 
nicht im Stande, aus eigenen Mitteln die Ausgaben 
rür ihre kirchlichen Bedürfnisse zu bestreiten, und 
zedarf der Unterstützung der Glaubensgenossen in 
der Heimath. Der evangelische Oberkirchenrath hat 
zur Empfehlung dieser Collekte eine Ansprache an 
die Gemeinden der preußischen Landeskirche gerichtet, 
in welcher dieselbe der Theilnahme der Gemeinden 
auf's Wärmste und Dringendste empfohlen wird 
4 Berichte aus dem Elsaß melden einen vor⸗ 
züglichen Stand der Reben. Bleiben die Nachtfrdfte 
aus, so ist die erste Anwartschaft auf einen reichen 
Herbst vorhanden. 
fTrier, 1. Mai. Der älteste Bürger unseret 
Stadt, der Rentner Aloys Dulcius, feierte am 
Donnerstag, wie die S. u. M.-Ztg. berichlet 
seinen 101. Geburistag in voller Gesundheit. 
4 Ein Wirth aus Curten bei Bensberg hat 
seinen kräftigen Kopf, welcher durch einen prächtigen 
Vollbart geziert ist, für 600 Mtk. kontraktlich ver⸗ 
dauft. Die 600 Mt. wurden ihm laut dem „Aach 
Echo“ bereits eingehandigt, — den Kopf draucht 
er erst nach seinem Tode zu liefern. Alsdann 
wird derselbe anatomischen Zwecken dienen. 
Münster, 2. Mai. Zufolge einer Meldung 
des Wefif. Merk. aus Roin bemerkte der Papl 
den Rompilgern gegenüber, daß er nicht zweifle 
binnen Jahresfrift mit der preußischen Regierung 
zu einem vollständischen Ausgleich zu gelangen. 
Lüdenscheid, 30. April. Zu welen 
Mißverstandnissen gekürzte Telegramme führen lon⸗ 
nen, dabon weiß das Ludenscheider Wochenblatt 
men interessanten Fall zu berichten. Ein dabti 
ant in Lüdenscheid hatte in Frankfurt a. M. eine 
Drehbant besteln. Als dieselbe antam, war em 
Fuß derselben abgebrochen. Sofort wurde die lie⸗ 
ernde Firma davon durch das Telegramm Fuh 
gebrochen“ in Kenntniß geseßt. Zum Unglücd war 
der Juhaber des Geschafis verreist; die Frau des 
welben giaubte nun nichis anders als ihr Manr 
efinde sich in Ludensched und, hode ainen gu 
ebrochen, worauf fie sich denn sofort auf die — 
nach Lüdenscheid machte, um ihrem Manne in je 
nem Unalück heizußsehen